Camp Point Alpha – stumme Zeugen des „Eisernen Vorhangs“ erzählen Geschichte.
„Wer die Vergangenheit nicht kennt und nicht weiß, woraus die Gegenwart entstanden ist, kann weder seine eigene Zeit verstehen, noch für die Zukunft sinnvoll planen“ – Das ist das Leitbild der Gedenkstätte an der ehemaligen innerdeutschen Grenze in der Rhön, zwischen Geisa und Rasdorf. Gedenkstätten wie Point Alpha sind wichtige Lernorte, besonders für jüngere Generationen. Sie erinnern an vergangene Diktaturen und kämpfen an gegen Vergessen und Verharmlosung.
30 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs
Im Herbst 1989 brachten die Menschen in der DDR mit Kerzen, Gebeten und Demonstrationen die SED-Diktatur zu Fall, am 9. November die innerdeutsche Grenze und die Mauer in Berlin. Der Kalte Krieg war zu Ende. Somit wurde auch der direkt am „Eisernen Vorhang“ gelegene Beobachtungsposten Point Alpha bei Rasdorf überflüssig. Die US-Army räumte 1991 ihren Stützpunkt und übergab das Gelände an das Bundesvermögensamt. Bis 1995 wurde das Camp dann als Asylbewerberunterkunft genutzt. Danach sollten die Gebäude abgerissen, das Gelände rekultiviert werden. Dagegen jedoch protestierte die Bevölkerung, eine Bürgerinitiative wurde ins Leben gerufen. Am 29. Juni 1995 gründete sich im Rathaus von Geisa der Verein „Grenzmuseum Rhön Point Alpha“ mit Sitz in der hessischen Gemeinde Rasdorf. Die Abrisspläne der hessischen Behörden konnten vereitelt und das Gelände unter Denkmalschutz gestellt werden. Unterstützt von der Thüringer Landesregierung und Wiesbaden wurde das Camp gesichert, saniert und für die breite Öffentlichkeit als Lernort der Geschichte zugänglich gemacht.
Nach und nach bauten die beiden Trägervereine Ausstellungen auf. 2000 wurde das Denkmal der deutschen Wiedervereinigung direkt am Grenzstreifen eingeweiht. Auf thüringischer Seite entstand 2002/03 das „Haus auf der Grenze“. 2008 begann die Point Alpha Stiftung ihre Tätigkeit und übernahm die Trägerschaft der Gedenkstätte. Inzwischen kommen jährlich mehr als 100.000 Besucher.
Im Jubiläumsjahr 2019 hat die Point Alpha Stiftung und ihre Akademie einen besonders hohen Stellenwert, da sie sich auch bewusst mit Workshops und Seminaren nicht nur an die Allgemeinheit, sondern vor allem an Lehrkräfte aus den alten und neuen Bundesländern richtet und zugleich eine Dialogplattform für gemeinsame Erinnerungskultur bietet. Dreißig Jahre nach dem Zusammenbruch der DDR zeigt ist das Thema besonders relevant und medial präsent, andererseits sind Schülerinnen und Schüler nur unzureichend über die Geschichte der zweiten Diktatur in Deutschland im 20. Jahrhundert informiert.
US-Camp Point Alpha
Der markante Point Alpha der US-Army erinnert heute an den amerikanischen Beitrag zur Sicherheit und Demokratisierung der Bundesrepublik Deutschland. Vierzig Jahre lang hielten US-Soldaten hier Wache, standen sich einst NATO und Warschauer Pakt gegenüber. Im Museum des Kalten Krieges wird hautnah die Geschichte des Ost-West-Konflikts dargestellt. Rund um den Beobachtungsturm hört man Zeitzeugenerzählungen und erläuternde Informationen zu den Gebäuden und deren Nutzung.
In der Dauerausstellung wird man auf eine Zeitreise geführt, als das Gebiet der Warschauer-Pakt Staaten bei Geisa seinen westlichsten Punkt hatte, Menschen zwangsausgesiedelt und deren Häuser abgerissen wurden. Extra, um einen Todesstreifen zu schaffen. Animierte Kriegspläne für das Gebiet um Geisa und Rasdorf unterstreichen die Bedrohungslage während des Kalten Krieges im sogenannten „Fulda Gap“.
Vom Camp Point Alpha zum Haus auf der Grenze führt dieser 1,4 Kilometer lange ehemalige Kolonnenweg. Original erhaltene Grenzanlagen aus den 1970er 1980er Jahren zeugen von der Unmenschlichkeit der Teilung. Die 14 monumentalen Skulpturen des Künstlers Ulrich Barnickel regen zum Nachdenken an. Sie markieren ein Stück des früheren Todesstreifens zwischen Hessen und Thüringen. Die Point Alpha Stiftung hat ihn 2009 zum Gedenken an den Widerstand gegen die kommunistischen Diktaturen in Mittel- und Osteuropa errichtet.
Geschichte hautnah erleben konnten 80 Teilnehmer – Germanistikstudierende aus Siebenbürgen, Ungarn, der Ukraine sowie aus den tschechischen Städten Prag und Pardubitz (Pardubice) gemeinsam mit Zeitzeugen aus Deutschland, Österreich, Siebenbürgen und Ungarn – des von der Akademie Mitteleuropa der Bildungs- und Begegnungsstätte Heiligenhof Mitte April veranstalteten viertägigen Seminars. Unter dem Motto „Zukunft miteinander. Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn“ standen politische, zeitgeschichtliche, erinnerungskulturelle und erinnerungspolitische Themen im Mittelpunkt. Im Rahmen des Seminars führte eine Exkursion zur Gedenkstätte Point Alpha. Bei der Abschlussdiskussion kam seitens der Studierenden auch zur Sprache, dass im Geschichtsunterricht die jüngste Vergangenheit immer noch lückenhaft und unzureichend vermittelt wird. „Dies ist uns auf diesem Seminar und bei dem Besuch der Gedenkstätte Point Alpha ganz deutlich bewusst geworden“, resümierte ein Student. „Für mich ist die EU ein Garant für ein friedliches Zusammenleben und dabei spielt auch die deutsche Sprache eine wichtige Rolle“, meinte ein Student aus Ungarn.
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