Gabriel Balázs aus Friedland (Frýdlant v Čechách) nutzt die Chancen in der Europäischen Union bei der „Länderbahn“.
Dreiländereck, Länderbahn – das passt bei Gabriel Balázs (56) zusammen. In der Slowakei und multikultureller Familie aufgewachsen, lebte er nach Militärdienst und Studium im nordböhmischen Friedland (Frýdlant v Čezách), mittendrin im sächsisch-polnisch-tschechischen Gebiet um Zittau und Reichenberg (Liberec), einer Art Mini-EU, wo man z. B. mit nur einem, dazu sehr vorteilhaftem Fahrschein einfach und bequem per Bahn und Bus hin und her oder rundherum fahren kann. Etwa in den „trilex“-Zügen der „Länderbahn“. Deren Betriebszentrum liegt in Grottau (Hrádek nad Nisou). Hier hatte sich der versierte Techniker vor einem Jahrzehnt vorgestellt, um Triebfahrzeugführer zu werden. Balázs wollte noch einmal Neues probieren. Da kam das Stellenangebot von „trilex“ gerade recht. Seine Frau staunte nicht schlecht: „Du, Lokführer?!“. Wird solch Wunsch doch eher dem Bubenalter zugeordnet. Aber schon ihr Augenzwinkern verhieß Verständnis – und mehr noch: Unterstützung. Denn das würde Schichtdienst beider bedeuten: sie Krankenschwester, er Eisenbahner. „Also, versuchen wir es.“
Prüfungen auf Deutsch und Tschechisch
Und schon folgte die Ausbildung. Keine leichte Sache, zumal in der relativ kurzen Zeit von einem Jahr mit gedrängtem, überaus umfangreichem Stoff. Die Fahrzeugtechnik ist für den Ingenieur aus der Maschinenbranche, der zuletzt im IT-Sektor tätig war, eher das geringere Problem. Doch das Vorschriftenwerk! „Mir hat der Kopf geschwirrt.“ Und dabei waren die Gedanken schon mal zweisprachig zu ordnen. Denn – die größte Hürde – die Prüfungen wurden sowohl von der tschechischen als auch der deutschen Behörde abgenommen. „Das war nicht leicht“, gesteht Balázs und findet es auch gut so. „Denn ich muss in jeder auch komplizierten Situation im Fahrdienst mit den Kollegen auf allen Posten oder in der Leitzentrale ohne Fehler, klar und eindeutig kommunizieren können.“
„Bei meinen früheren Aufgaben hatte ich Verantwortung für bis ein Dutzend Mitarbeiter, die ich gerne übernommen hatte und mich selbst auch nicht ausnahm. Doch letztlich zählte die gemeinsame Leistung nichts, wechselndes praxisfernes Management ließ einen förmlich verzweifeln“, erinnert sich Balázs. „Die neue Tätigkeit betrachte ich als wichtige Funktion mit klar formulierter Aufgabe und ebensolcher eigenen hohen Verantwortlichkeit: Ich allein muss geradestehen für meine Leistung an jedem Tag, da gibt es keine Spielräume oder Grauzone mit subjektiver Bewertung. Ich selbst habe es in der Hand, so kann ich am besten arbeiten.“
Ab nach Deutschland
Kaum ausgebildet und neu angefangen, kam eine besondere Aufgabe: „Mein Chef, Ingenieur Jaroslav Šulc, fragte, ob ich für ein halbes Jahr beim Mutterbetrieb in Deutschland Dienst tun würde.“ Wieder gab es ein Augenzwinkern von seiner Frau und Balázs mietete sich im Frühjahr 2012 zusammen mit seinem Kollegen Tomaš im thüringischen Greiz ein, um von hier aus die Desiro-Triebzüge vornehmlich auf der Linie Gera–Weischlitz zu fahren. Bedenken? „Nein, nein, die waren gleich zerstreut. Die vogtländischen Kollegen haben uns prima aufgenommen, so, als wären wir schon lange da.“ Einen Unterschied zur Arbeit in Tschechien gebe es laut Balázs aber nur bei den Reisenden. „Mir fiel gleich auf, dass doch viele Leute mit wenig fröhlichem Gesicht einsteigen. Anders als bei uns zuhause.“ Ob das an einer deutschen Mentalität liegt, könne er nicht sagen. „Ich habe versucht, kleine Freuden zu bereiten, und sei es nur mit einem Gruß. Das hat oft funktioniert. Bald schon gab es eine Reihe guter Bekannter. Und zum Schluss fragte mancher schon, wo denn die Ansage auf Tschechisch bliebe. Bei der Einfahrt in den Hauptstationen Greiz, Gera, Plauen habe ich auf die dafür bestimmte Taste (für den EgroNet-Verkehr) gedrückt – und jeder wusste, wer den Zug führt.“ Kleine Geste, feine Wirkung.
Lokführer halten zusammen
Selbstverständlich war Balázs eingeladen zum traditionellen Treffen der tschechischen und deutschen Lokführer, die seither gemeinsam die Züge fahren. So kam er nach vielen Jahren wieder nach Eger (Cheb), wohin er als junger Wehrpflichtiger einst kommandiert wurde. Zu dieser Zeit des Kalten Krieges befand sich nur wenige Kilometer westlich entfernt das „Ende der Welt“. Umso heftiger wirkt der Vergleich zu heute: eine allseits erblühte Region mitten in Europa. Und wer hätte damals nur davon zu träumen gewagt, einmal drüben in Bayern zu arbeiten?! Auch das war nun Wirklichkeit, ganz direkt und abermals überraschend für Triebfahrzeugführer Balázs. Fragte doch sein Chef: „Hast Du Lust aufs Berchtesgadener Land?“ Also zur gleichnamigen Marke der „Länderbahn“. Abermals stellte sich die Frage: Wie werden mich die Kollegen dort aufnehmen? Und wieder neue Vorschriftenwerke von Österreichischer Bundesbahn und Salzburger Lokalbahnen samt Steilstreckenprüfung…
Dabei gleich aber das Prickeln im Ingenieurblut: neue Technik, elektrische Fahrzeuge! Eine wiederum faszinierende Aufgabe für Gabriel Balázs in seinem zweiten geliebten Beruf. Es folgte noch ein halbes Jahr bei den Kollegen in der Oberpfalz (Weiden/Regensburg), bevor er in seiner böhmischen Heimat „landete“.