Im Januar schreitet Tschechien wieder zu den Wahlurnen und wählt einen neuen Präsidenten. Damit endet die Ära Zeman auf der Prager Burg. Ein Unternehmer, eine Universitätspräsidentin, ein Gewerkschaftsvorsitzender und ein NATO-General gelten als die heißen Kandidaten im Rennen um das höchste Amt der Tschechischen Republik.
Als Miloš Zeman das erste Mal zum Präsidenten gewählt wurde, kam das für einige Wahlbeobachter überraschend. Die Zeiten seiner Präsidentschaft waren stürmisch. Er überschritt regelmäßig seine Kompetenzen, legte den Regierungen Steine in den Weg und sorgte mit seinem übermäßigen Alkoholkonsum auch während Staatsbesuchen für Schlagzeilen. Diese Zeit neigt sich dem Ende zu, denn nach zwei Amtszeiten muss der Präsident sein Amt gemäß der Verfassung abgeben.
Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen seiner Eskapaden galt Zeman in seinem Amt als unanfechtbar. Mit dem Ende seiner Präsidentschaft ist nun also alles wieder offen für die Wahlen im Januar 2023. Obwohl es noch mehrere Monate bis zum Urnengang sind, touren bereits einige Kandidaten durch das Land, um Werbung für sich zu machen. Nach ersten Umfragen zeichnen sich aktuelle Wählerpräferenzen ab und vier Kandidaten, die Chancen auf den Sitz in der Prager Burg haben.
Der Unternehmer Andrej Babiš
Einer der beliebtesten Kandidaten ist Ex-Premier Andrej Babiš (im Titelbild links). Der Unternehmer wurde mit seinem Agrarkonzern Agrofert zum zweitreichsten Tschechen, kaufte die einflussreichen Medien des Landes und ging mit seiner Bewegung ANO in die Politik. Sein Ziel war es, den Staat umzubauen und wie ein Unternehmen zu leiten. Mit diesen Inhalten gewann der Populist erste Wahlen und wurde erst Finanz- dann Premierminister. Seine Zeit als Premier war geprägt von Skandalen, Korruptionsvorwürfen, der Veruntreuung von EU-Geldern und den Enthüllungen der Pandora Papers, in welchen er eine prominente Rolle spielte. 2021 verlor er schließlich gegen das liberal-konservative Bündnis SPOLU, das als Anti-Babiš-Koalition gegen Korruption und Populismus die Mehrheiten gewann. ANO landete in der Opposition.
Seine Präsidentschaftskandidatur steht für die Öffentlichkeit und die Medien bereits fest, auch wenn er selbst diese noch nicht offiziell eingereicht hat. Er geht momentan in der gesamten Republik auf Tour, um für sich zu werben, versucht mit Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung Aufmerksamkeit zu generieren und produziert täglich neue Videos für die sozialen Medien. Er ist voll und ganz im Wahlkampfmodus. Die tschechischen Medien vermuten hinter seinem Dementi einer Kandidatur strategisches Kalkül. Finanzielle Mittel für eine Präsidentschaftskampagne müssten öffentlich gemacht werden, solange Babiš dies dementiert, weigert er sich auch, seine Gelder offenzulegen.
Der ehemalige Premier liegt in den Umfragen für den ersten Wahlgang momentan vorne. Er schießt scharf gegen die Regierung, teilweise unter der Gürtellinie und mittels Unterstellungen. Er setzt auf sozialpolitische Themen, um von der aktuellen Inflation und Krise zu profitieren. Dies gelingt ihm auch teilweise, er ist der beliebteste Kandidat bei den tschechischen Rentnern. Im zweiten Wahlgang würde er nach aktuellen Umfragen allerdings verlieren.
Der NATO-General Petr Pavel
Die Nummer Zwei in den aktuellen Prognosen zum ersten Wahlgang und der prognostizierte Sieger der Stichwahl ist momentan Petr Pavel (im Titelbild 2. v.l.). Pavel hat seine Kandidatur ebenfalls noch nicht offiziell eingereicht, hat aber eine Präsidentschaftskampagne gestartet und bezeichnet diese auch offen als eben solche. Pavel hat eine beeindruckende militärische Karriere in der Tschechischen Republik hingelegt, mit welcher er offensiv für sich wirbt. Er bewies sich in einem militärischen Einsatz auf dem Balkan, bei dem er 55 französischen Soldaten das Leben rettete, und war zwischen 2015-2018 Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, der obersten militärischen Instanz des Verteidigungsbündnisses.
Diese Zeit versucht er in seiner Kampagne gezielt für sich zu nutzen, sein wichtigstes Thema ist die Sicherheitspolitik und die Anbindung an den Westen. Er wirbt mit seiner diplomatischen Erfahrung als NATO-General und internationalen Kontakten. In seiner Kampagne gibt er sich volksnah und naturverbunden. Man sieht ihn in Wäldern mit einer größeren Gruppe wandern, auf dem Kajak oder vor einem Sportflugzeug. Auf seinen Kanälen inszeniert er sich als eine Mischung aus Tom Cruise und George Clooney.
Diese Inszenierung scheint zu funktionieren, mit dem Krieg in der Ukraine spricht er zudem aktuelle Themen an. Der Soldat, der nun das höchste Amt der Republik besetzen will, ist gerade Babišs größter Konkurrent und würde ihn in der Stichwahl schlagen. Er ist der beliebteste Kandidat unter der männlichen Bevölkerung in Tschechien.
Die Universitätspräsidentin Danuše Nerudová
Noch kommt nach Babiš und Pavel lange niemand in der Konkurrenz um das Amt des Präsidenten. Es gibt allerdings zwei Kandidaten, die momentan um die zehn Prozent der Stimmen erhalten würden und in ihrer Beliebtheit stetig zulegen. Eine davon ist die Ökonomin Danuše Nerudová (im Titelbild 2. v.r.). Sie ist die ehemalige Präsidentin der Universität Brünn, hat ihre Kandidatur offiziell eingereicht und eine Medienagentur für den Wahlkampf an ihre Seite geholt.
Sie tourt gerade ebenfalls durch die Republik, um Werbung für sich zu machen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. Anders als Pavel, der hauptsächlich in der Natur zu sehen ist, wirkt ihr Auftreten urbaner. Sie ist viel unter jungen und modernen Leuten, auf städtischen Plätzen oder in kreativen Räumen. Gezielt stellt sie das Image einer modernen Frau hervor, die freundschaftlich und nahbar sowohl mit hippen Künstlern und Nachwuchsunternehmern als auch mit Rentnern und älteren Menschen umgehen kann.
Ihre Themenschwerpunkte liegen auf Bildung und Jugend. Dies bringt sie mit ihrer beruflichen Erfahrung im Bildungsbereich in Verbindung und inszeniert sich als die Stimme für den Nachwuchs Tschechiens. Der aktuelle Erfolg dieser Strategie zeigt sich auch in den Umfragen. Sie ist die Beliebteste der Kandidaten unter jungen Menschen in Tschechien. Gerüchte, sie könne zur Kandidatin des Bündnisses SPOLU werden, halten sich, konnten bisher aber nicht bestätigt werden.
Der Gewerkschafter Josef Středula
Der Zweite mit reellen Chancen, den aktuellen Spitzenreitern Babiš und Pavel noch Konkurrenz zu machen, ist Josef Středula (im Titelbild rechts). Er erfreut sich in Tschechien vor allem unter den Arbeitnehmern großer Beliebtheit. Nach der Wende erlebten die Gewerkschaften in Tschechien einen Abwärtstrend, Středula konnte diesen als Gewerkschaftsvorsitzender des allgemeinen Gewerkschaftsbundes eindämmen. Bisher war er jahrelang in den Schlagzeilen für seine Forderungen im Arbeitskampf und die Gehaltsverhandlungen.
Středula gilt als der Kandidat einer gemäßigten tschechischen Linken, als der Sozialdemokrat unter den Anwärtern auf den Sitz in der Prager Burg. Er kritisiert den Kurs der aktuellen liberal-konservativen Regierung und wirbt für mehr Sozialleistungen in der aktuellen Krise. Als Vorbild nennt er hier immer wieder die Unterstützungspakete in Deutschland zur Eindämmung der Energiekosten. Dieses Thema stellt er momentan in den Fokus. Er veröffentlicht regelmäßig Videos, in welchen er über die Probleme und Lösungsvorschläge zu den steigenden Gas- und Energiepreisen spricht. Středula ist in den aktuellen Umfragen der beliebteste Kandidat unter der ländlichen Bevölkerung Tschechiens.