Die Entsendung russischer Truppen in die Ostukraine beantwortet die tschechische Politik mit der Forderung nach harten Sanktionen, die Expansion Russlands bedrohe auch Tschechien.

Nachdem Russland am Montagabend die Volksrepubliken Donezk und Luhansk als souveräne Staaten anerkannte und Präsident Putin verkündete, russische Truppen in die Ukraine zu entsenden, reagierte die tschechische Politik schockiert und zeigte sich entschlossen an der Seite der Ukraine. „Wir stehen für eine freie und unabhängige Ukraine“, erklärte der Premier Petr Fiala (ODS) unverzüglich nach Putins Verlautbarung auf Twitter.

Fiala warnt vor russischem Expansionsdrang

In seiner Rede am Dienstagvormittag im tschechischen Abgeordnetenhaus warnte der tschechische Regierungschef vor einem Krieg in ganz Europa. „Wir können die Entwicklung, die wir verfolgen, keinesfalls ignorieren, wir können vor ihr nicht die Augen verschließen und so tun, als ginge sie uns nichts an, wir müssen sie mit klaren Worten benennen: Europa ist im Moment einen Schritt vom Krieg entfernt“, so Fiala.

Auch Tschechien werde durch den russischen Expansionsdrang bedroht, meinte der Premier. Er verwies dabei auf Putins Anspielung gegen die staatliche Souveränität und Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken. Man müsse sich lediglich alte Karten der Sowjetunion ansehen, um zu erkennen, was Russland als seinen Einflussbereich begreife. Putin werde nicht in der Ostukraine Halt machen, so Fiala. „Der Westen ist in der Vergangenheit nicht energisch genug gegen die Expansion Russlands vorgegangen“, kritisierte der Premier unter anderem unter Bezug auf die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland 2014.

Tschechien schlägt Verlagerung von Truppen nach Osten vor

Die tschechische Verteidigungsministerin Jana Černochová (ODS) informierte darüber, dass am Mittwoch der Nationale Sicherheitsrat tagen würde. „Putins Anerkennung separatistischer Republiken in der Ostukraine ist ein Versuch, die Sowjetunion auf Kosten freier und souveräner Länder wiederherzustellen. Das darf die zivilisierte Welt niemals tolerieren!“, so Černochová. Auf Putins Schachbrett befände sich nicht nur die Ukraine, sondern auch Tschechien, erklärte sie. Sie skizzierte zudem, wohin sich tschechische Truppen innerhalb der NATO bewegen könnten und stellte eine Stationierung tschechischer Soldaten in der Slowakei und Rumänien in Aussicht.

Tschechiens Innenminister Vít Rakušan (STAN) unterbrach seine Auslandsreise, um in Tschechien zum Umgang mit der Ukraine Krise zu beraten: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie sich die Bürger der Ukraine fühlen müssen, wenn der Präsident einer fremden Macht, so wie Putin einer ist, so über ihr Land spricht.“ Der Innenminister befürchtet eine Invasion der gesamten Ukraine. Er verwies dabei darauf, dass andere Kriege in der Vergangenheit ähnlich begonnen hätten, wie etwa auch die deutsche Okkupation Tschechiens unmittelbar bevor des Zweiten Weltkrieges.

Minister und Parlament für harte Sanktionen

Das Außenministerium sondierte unterdessen die Lage und traf erste Entscheidungen. So werden Teile der Botschaft von Kiew nach Lemberg verlegt. Außerdem warnte der stellvertretende Außenminister Martin Dvořák vor Flügen in die Ukraine, da man nicht wisse, wie sicher der Luftraum sei. Das Außenministerium hat sich zudem dazu entschlossen, innerhalb der EU die schärfsten Sanktionen zu fordern. „Wir sind bereit, auf die härteste und radikalste Form zu drängen, damit klar ist, dass Russland sich das nicht leisten kann“, so Dvořák.

Auch der Senat werde die härtesten Sanktionen, die die EU zur Verfügung hat, gegen Russland empfehlen, so der Vorsitzende Miloš Vystrčil (ODS). Der Senatspräsident ließ zum Zeichen der Solidarität die ukrainische Flagge am Senatsgebäude hissen. „Russlands Aggression gegen einen unabhängigen und souveränen Staat ist inakzeptabel“, so Vystrčil. Diese Geste der Solidarität teilten auch weitere Menschen sowie Institutionen in Prag und ganz Tschechien, an mehreren Gebäuden wurden ukrainische Flaggen gehisst und der Petřín-Turm, das Außenministerium sowie das Nationaltheater in Brünn leuchteten in ukrainischen Farben.

Zeman und ANO kritisieren Putins Vorgehen ebenfalls

Auch die bisher eher zögerlichen Stimmen in Tschechien zeigten nun eine deutlichere Position im Ukraine-Konflikt. Präsident Zeman, der vor wenigen Wochen noch keine Anzeichen für eine bevorstehende Invasion erkennen wollte, scheint diese Position nun aufgegeben zu haben. „Die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung schwindet“, ließ Miloš Zeman verlauten. Der Einmarsch russischer Truppen in das Gebiet der separatistischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk hätten das Risiko eines militärischen Konflikts erhöht.

Auch die Opposition in Tschechien stellte sich an die Seite der Ukraine. „Russland hat internationale Verträge gebrochen und ANO verurteilt dies unmissverständlich. Viele unserer Bürger erinnern sich daran, wie es ist, in einer ähnlichen Situation zu sein“, so Ex-Finanzministerin Alena Schillerová (ANO). Nur die rechtsextreme SPD imaginierte Russland als Opfer westlicher Verschwörungen. Die Ukraine-Krise sei eine Folge des Drucks durch westliche Geheimdienste, die versuchen würden, einen Krieg zu beginnen, so der Vorsitzende Tomio Okamura.

Solidarität der tschechischen Zivilgesellschaft

Auch die tschechische Zivilgesellschaft steht hinter der Ukraine. So begann die tschechische Caritas damit, Hilfsgelder zu sammeln, die der humanitären Hilfe in den umkämpften Gebieten und den Vertriebenen zu Gute kommen sollen. Zudem organisierte die Initiative „Milion chvilek pro demokracii“ eine Demonstration in Prag. Mehrere hundert Menschen versammelten sich auf dem Wenzelsplatz, um ihre Solidarität mit der Ukraine und ihren Bürgern zu bekunden. Putin bedrohe das Leben ukrainischer Bürger und verstecke seinen Krieg hinter der Friedensmission, so die Demonstranten. Die Protestierenden trugen die Fahnen der EU, NATO und der Ukraine.

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