In der nächsten EU-Förderperiode könnten Tschechiens Mittel aus Brüssel um bis zu 50 Prozent sinken. Grund ist der wirtschaftliche Aufholprozess des Landes im Vergleich zu anderen EU-Staaten. Die Regierung sucht nun nach alternativen Finanzierungsquellen.

Der Lebensstandard in Tschechien hat sich in den letzten Jahren zunehmend dem EU-Durchschnitt angenähert. Ab 2028 sollen daher vor allem weniger entwickelte Mitgliedsstaaten stärker von EU-Geldern profitieren – das teilte das Ministerium für regionale Entwicklung mit. Für Tschechien bedeutet das einen möglichen Verlust von über 260 Milliarden Kronen (rund 10 Milliarden Euro) im Vergleich zur aktuellen Förderperiode. Laut Stanislav Schneidr vom Entwicklungsministerium müsse das Land lernen, die verbleibenden Mittel gezielter und effizienter einzusetzen.

EU-Fördermittel finanzieren tausende Projekte

Knapp 24.000 Projekte konnten bislang von den EU-Fördermitteln profitieren. Dank dieser Gelder wurden in Tschechien 710 Rettungsstellen gebaut oder modernisiert und über 600 Denkmäler restauriert. Außerdem flossen die Mittel in den Straßenbau, die Digitalisierung sowie in Maßnahmen zur Energieeffizienz. Seit dem EU-Beitritt wurden insgesamt über zwei Billionen Kronen (etwa 80 Milliarden Euro) in tschechische Vorhaben investiert – bei nationalen Eigenbeiträgen von rund 940 Milliarden Kronen (etwa 38 Milliarden Euro).

Subventionen weichen Krediten

Neben der Reduzierung der Gesamtmittel steht künftig auch ein struktureller Wechsel an. EU-Gelder sollen demnach verstärkt nicht mehr als klassische Zuschüsse, sondern zunehmend über Kredite und Bürgschaften vergeben werden. „Dies stellt einen völligen Wandel in der Kohäsionspolitik dar“, erklärte der Minister für regionale Entwicklung Petr Kulhánek (STAN). Erste Modelle wie das Programm für bezahlbaren Wohnraum funktionieren bereits nach diesem Prinzip. Es handle sich dabei nicht mehr um reine Subventionen, sondern um langfristige Kredite, die beispielsweise von der Nationalen Entwicklungsbank oder dem staatlichen Investitionsförderungsfonds bereitgestellt werden. So fließe das Geld tatsächlich in das System zurück, erklärte der Abgeordnete und ehemalige Minister für regionale Entwicklung Ivan Bartoš (Piraten).

Besonders für verschuldete Kommunen wie Olmütz (Olomouc) könnte die Aufnahme von Krediten, die anschließend subventioniert werden, problematisch werden. Bürgermeister Miroslav Žbánek (ANO) warnt: Ohne zusätzliche nationale Unterstützung seien viele Projekte nicht mehr finanzierbar.

Regierung wird Prioritäten neu verteilen

Trotz geringerer Mittel plant die tschechische Regierung, EU-Gelder weiterhin in zentrale Bereiche zu lenken – darunter Bildung, Verteidigung, Verkehr, Energie und soziale Dienste. Der Wissenschafts- und Forschungsminister Marek Ženíšek (TOP 09) rechnet mit Kürzungen in Milliardenhöhe für seinen Bereich. Landwirtschaftsminister Marek Výborný (KDU-ČSL) sieht hingegen Spielraum für Ausnahmen in sicherheitsrelevanten Bereichen, etwa in der Lebensmittelindustrie und Landwirtschaft.

Bis Ende Juni will die Regierung eine Strategie vorlegen, welche Sektoren ab 2028 vorrangig durch EU-Mittel gefördert werden sollen. Auch die EU-Kommission will im Sommer neue Leitlinien veröffentlichen.

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