Annegret Kramp-Karrenbauer, Vorsitzende der christdemokratischen CDU, hat in Deutschland eine heftige Diskussion losgetreten. Sie möchte die Meinungsäußerung vor Wahlen im Internet beschränken. Grund dafür ist ein Video des deutschen Influencers und YouTubers Rezo.

 

Annegret Kramp-KarrenbauerBei den diesjährigen Wahlen zum Europäischen Parlament hat die CDU nun mit ihrer bayerischen Schwesterpartei CSU knapp 29 Prozent der Stimmen bekommen, das ist im Vergleich zur letzten Europawahl ein Verlust von sechs Prozentpunkten. Damit ist die CDU/CSU zwar noch die stärkste Partei, aber gerade junge Leute haben die Partei von Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht gewählt. Annegret Kramp-Karrenbauer scheint das auf die YouTuber zurückzuführen, die sich gegen die CDU gestellt haben. Deshalb fordert sie nun Regeln zur „Meinungsmache“ im Internet. Nun muss sie sich gegen viele Kritiker, auch aus der eigenen Partei, wehren, die ihr eine Einschränkung der Meinungsfreiheit vorwerfen.

In „Die Zerstörung der CDU“ hatte Rezo kurz vor der Europawahl unter der Vorlage von quellengestützten Beispielen Fehler in der Politik der CDU beschrieben. Am Ende des Videos ruft er dazu auf nicht die CDU zu wählen. Andere YouTuber empfahlen auch die CDU, die rechtspopulistische AfD oder die sozialdemokratische SPD nicht zu wählen.

Rezo war und ist ein sogenannter „Influencer“. Das heißt er beeinflusst Meinungen und damit auch das Handeln von Menschen. Influencer gibt es faktisch gesehen viele. Theoretisch gehört jeder dazu, der seine Meinung, ob zu Politik oder nur zu einem Film, öffentlich im Internet bekannt gibt. Einige haben es zu ihrem Beruf gemacht und beeinflussen ganz gezielt und bewusst. Viele Influencer sind in den sozialen Medien des Internets aktiv. Im Augenblick besonders auf YouTube und Instagram. Damit erreichen sie vor allem die junge Generation.

Dass es YouTuber gibt, die sich mit gesellschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Themen auseinandersetzen, ist nichts Neues. Sogar der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland betreibt mit „funk“ ein online Netzwerk mit jungen Journalisten. Einige ihrer Videos erzielen verhältnismäßig viele Klicks, aber andere bekommen mehr.

Youtuber RezoUnd das ist die Besonderheit der meisten Influencer, die mit Bekanntgabe ihrer politischen Meinung vor der Europawahl Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit bekommen haben. Sie haben ihren Einfluss und ihre Beliebtheit nicht durch politische Videos bekommen. Einige wurden durch die Vermarktung von beispielsweise Kleidung oder Schminke bekannt. Oft werden sie direkt von Unternehmen dafür bezahlt im Internet Werbung für ihre Produkte zu machen. Andere unterhalten ihr Publikum mit Comedy oder Musikvideos, wie auch Rezo.

Das wirft natürlich folgende Frage auf: Wie vertrauenswürdig sind diese Influencer? „Die Zerstörung der CDU“ erscheint als außerordentlich gut recherchiertes Video. Bei jedem Beispiel, das der YouTuber anbringt, wird ein Verweis auf die Quelle eingeblendet. Alle Quellen hat Rezo in der Videobeschreibung vermerkt. Bei den Journalisten der klassischen Medien sind die Quellen oft nicht so leicht einzusehen. Trotzdem, frei von Vorwürfen bleibt Rezos Video nicht. So wurde ihm vorgeworfen, einige Lebensbereiche, die die CDU positiv verändert habe, nicht angesprochen zu haben und teilweise mit seinen Begründungen zu oberflächlich gewesen zu sein. Doch sind das nicht auch Vorwürfe, die Journalisten ebenfalls zu hören bekommen? Eine eingeschränkte Sichtweise kann einem überall begegnen, ob in der Zeitung, im Radio oder im Internet.

Der Informationsbezug aus dem Internet beinhaltet eine andere Tücke: die Filterblase. YouTube möchte mit seinen Benutzern Geld verdienen. Und die Benutzer wollen das sehen, was ihnen gefällt. Deswegen bekommt ein User, der das CDU-Zerstörungs-Video von Rezo geliked hat, durch Algorithmen ähnliche Videos vorgeschlagen. In diesen Videos wird also wahrscheinlich auch eine politische Meinung vertreten, die sich in diesem Fall gegen die CDU wendet. Der User läuft also tatsächlich Gefahr nur eine einseitige Sichtweise zu bekommen.

Aber ganz so einfach ist es natürlich nicht. Diese Gefahr droht auch, wenn man immer nur eine bestimmte Zeitung liest oder nur einen Fernsehsender guckt.

Ein Austausch mit anderen Meinungen kann trotzdem stattfinden. Schließlich mag es sein, dass man auf Facebook noch mit einem Klassenkameraden befreundet ist, der CDU-Mitglied geworden ist und nun Meinungen, ob in Form von Videos oder Artikeln, teilt, die die CDU in einem besseren Licht dastehen lassen. Oder man wird außerhalb des durch Algorithmen bestimmten Internets durch die traditionellen Medien mit einer anderen Meinung konfrontiert. Und eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt auch das soziale Umfeld.

Lange gibt es die Influencer der neuen Medien noch nicht. Deshalb sind die Forschungen der nächsten Jahre abzuwarten, wie stark Influencer in der Meinungsbildung tatsächlich sind. Etwas hat Rezo mit seinem Beitrag aber eindeutig beeinflusst. Durch das polarisierende Video ist es zu einem intensiven Meinungsaustausch zwischen den Wählern, Politikern und Journalisten gekommen.


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