Hans-Dietrich Genscher, langjähriger Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, ist gestern im Alter von 89 Jahren im nordrhein-westfälischen Ort Wachtberg-Perch verstorben, wie sein Büro heute mitteilte. Genscher hatte am 30. September 1989 vom Balkon der Deutschen Botschaft in Prag den auf dem Grundstück ausharrenden DDR-Flüchtlingen verkündet, dass ihre Ausreise in die Bundesrepublik genehmigt wurde.
Genscher stammte aus Sachsen-Anhalt und war in Halle an der Saale aufgewachsen. Nach dem Krieg hatte er hier seine Ausbildung durchlaufen. Als Jurist war er beim Oberlandesgerichtsbezirk Halle tätig, bis er in 1952 in die Bundesrepublik ausreiste. Hier spezialisierte er sich als Anwalt auf Wirtschafts- und Steuerrecht, engagierte sich aber schon früh auch in der Politik bei der Freien Demokratischen Partei (FDP).
1965 wurde er Bundestagsabgeordneter und 1969 Bundesinnenminister in der sozialliberalen Regierung von Bundeskanzler Willy Brandt. Ab 1974 war er unter Bundeskanzler Helmut Schmidt dann Außenminister und Vizekanzler. Diese Rolle füllte Genscher fast ununterbrochen bis 1992 aus. Er stand für eine Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion und dem Ostblock, sowie für die Fortsetzung und Ausweitung der europäischen Integration.
Nachdem der Eiserne Vorhang in Europa zu bröckeln begann und viele DDR-Bürger über Ungarn und die damalige Tschechoslowakei in die Bundesrepublik auszureisen versuchten, war Genscher maßgeblich an den Verhandlungen mit Ost-Berlin beteiligt, die schließlich zu seiner historischen Rede auf dem Balkon der Deutschen Botschaft in Prag führten. 2014 besuchte er die Botschaft noch einmal anlässlich des Tages der Deutschen Einheit und traf sich dort mit einigen der Flüchtlinge von damals.
Hans-Dietrich Genscher erlag einem Herz-Kreislauf-Versagen und verstarb im Kreise seiner Familie.
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