Angehörige der deutschen Minderheiten, die auch die deutsche Staatsbürgerschaft haben, können ebenfalls von ihrer Stimme bei der Bundestagswahl Gebrauch machen. Doch welche Rolle spielen diese bei den demokratischen Parteien der Bundesrepublik? Das fragten die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und die Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten (AGDM) in einer Online-Debatte.
Darüber, dass die Beteiligung der deutschen Minderheit an politischen Prozessen wie etwa Wahlen gestärkt werden soll, herrscht weitgehend Einigkeit unter den demokratischen Parteien. Auch der Deutschunterricht im Ausland soll gestärkt werden. Den Parteien ist zudem die wichtige Funktion der Auslandsdeutschen bewusst, sie sehen sie als „Brückenbauer“ in den Bereichen der Wirtschaft und Kultur. Da die Wahlprogramme allerdings andere Schwerpunkte setzen als die Perspektive auf die deutsche Minderheit, fragten die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und die Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten (AGDM) einfach selbst nach – in einer Online-Debatte, die am 23. September auf Facebook und YouTube zu verfolgen war.
Sparmaßnahmen treffen die deutsche Minderheit
Bei ihrer Online-Debatte im Vorfeld der Bundestagswahl ging es um die Ansichten der Parteien zur Rolle und Zukunft der deutschen Minderheiten im Ausland. Der Moderator Vladimir Ham bemängelte zu Beginn die stetigen Budgetkürzungen für die im Ausland lebenden Deutschen. FDP-Kandidat Peter Heidt sah das Problem darin, dass die Spitze des Auswärtigen Amtes die Gelder gegenüber dem Finanzausschuss nicht genug verteidigt hätte. Sämtliche anwesenden Politikerinnen und Politiker sprachen sich dafür aus, sich im kommenden Haushalt gegen weitere Einschnitte einzusetzen. „Ereignisse überall auf der Welt zeigen, dass es stabilisierende Faktoren wie etwa die deutschen Minderheiten in den jeweiligen Ländern sind, die gefördert werden müssen“, erklärte Dietmar Nietan (SPD). Ehrlicherweise gab er zu bedenken, dass ihm Budgeterhöhungen im kommenden Jahr ambitioniert erscheinen, da die Bewältigung von Pandemie und Hochwasserschäden anstehen würde.
Doch nicht nur die Frage nach der Finanzierung ist eine große Baustelle der Minderheiten. Für viele Angehörige der deutschen Minderheit, die gleichzeitig deutsche Staatsbürger sind, ist auch der Wahlvorgang an sich ein wichtiges politisches Thema. Der einfache Zugang zur Wahl ist ein wichtiges Element einer Demokratie. Dieser gestaltet sich für Auslandsdeutsche ohne Wohnsitz in der BRD allerdings unnötig umständlich. Aufgrund des Systems aus Erst- und Zweitstimme ist die Anbindung an einen Wahlkreis in Deutschland erforderlich. Die Wahlberechtigung muss auf komplizierte Weise beim dortigen Wahlleiter beantragt werden. Es kommt allerdings auch vor, dass diese nicht erteilt wird. Viele Auslandsdeutsche verlieren dadurch die Möglichkeit zu wählen.
Bei vielen Themen herrschte Einigkeit unter den Bundestagskandidaten. Bild: YouTube, FUEN
Wie können Auslandsdeutsche leichter wählen?
„Wer wahlberechtigt ist, muss einen einfachen Zugang zur Wahl haben – das könnte man zum Beispiel durch das Einrichten eines Auslandswahlkreises ermöglichen“, schlug Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) vor – eine Idee, die auch bei den weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf Zustimmung stieß. Ein Auslandswahlkreis würde viele akute Probleme beheben. Viele Deutsche im Ausland können oft ihre Zugehörigkeit zu ihrem Wahlkreis nicht gut genug begründen und bekommen daher keine Wahlberechtigung. Gerade Menschen mit deutschem Pass, die seit Generationen nicht mehr in der BRD leben, stoßen oft auf Schwierigkeiten bei der glaubhaften Begründung ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinde. Mit einem eigenen Wahlkreis würde all dies obsolet werden.
Die Repräsentanz der Minderheit in der Politik ist ein weiteres Thema, dass die deutsche Minderheit umtreibt. Von der Idee eines eigenen Unterausschusses im Innenausschuss war Eckhard Pols (CDU) nicht begeistert. „Wir haben bereits die Position des Minderheitenbeauftragten beim Innenministerium. Diese Position gilt es zu stärken, etwa durch eine Ansiedlung beim Kanzleramt“, so der Vorschlag von Eckhard Pols. Auch Dietmar Nietan (SPD) stand der Idee eines weiteren Ausschusses eher skeptisch gegenüber. Es gebe bereits so viele Gremien, dass andere Wege womöglich effektiver wären. Simone Barrientos (Die Linke) sah dieses Thema beim Kulturausschuss angegliedert und würde das Thema der Minderheit dort gerne verstetigt sehen. Sybilla Nitsch (SSW) wünschte sich hingegen eine bessere Verankerung der Minderheitenarbeit: „Es ist wichtig, die Arbeit zu verstetigen. Die Minderheitenarbeit muss aus dem Projektstatus herauskommen und institutionell verankert werden, um erfolgreich zu sein.“
Die Debatte endete mit dem Vorschlag von Manuel Sarrazin, eine regelmäßige Runde mit Mitgliedern der demokratischen Fraktionen zu diesem Thema zu etablieren. Dies könnte ein erster Schritt sein, der Thematik der deutschen Minderheit im Bundestag mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Vertreterinnen und Vertreter der Parteien sprachen sich zudem dafür aus, die Förderung der deutschen Minderheit in einen möglichen Koalitionsvertrag zu schreiben.