Zur Bewältigung der Flüchtlingsströme aus der Ukraine rief die tschechische Regierung den nationalen Notstand aus. Tschechiens Premier Fiala und Präsident Zeman haben sich außerdem darauf geeinigt, Tschechen, die die Ukrainer bei ihrem Kampf gegen die russischen Truppen unterstützen wollen, Straffreiheit zu garantieren. Des Weiteren genehmigte die Regierung weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.
Um die in Tschechien ankommenden Flüchtlingsströme besser bewältigen zu können, rief die Regierung ab gestern Mitternacht für zunächst 30 Tage erneut den nationalen Notstand aus. „Das System funktioniert gut. Allerdings zeichnen sich Engpässe ab, deshalb bewegen wir uns auf die nächste Stufe des Krisenmanagements zu. Einige bürokratische Angelegenheiten können auf diese Weise durch die Arbeit der Ausländerpolizei ersetzt werden“, begründete Innenminister Vít Rakušan (STAN) die Ausrufung des Notstands, der zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie in Tschechien ausgerufen wurde. Im Gegensatz zum Corona-Notstand betreffe der aktuell ausgerufene Notstand laut Rakušan das Alltagsleben in Tschechien in keiner Weise. Der nationale Notstand kann von der Regierung einmalig für 30 Tage ausgerufen werden. Einer Verlängerung muss das tschechische Abgeordnetenhaus zustimmen.
Seit Beginn der russischen Invasion wurden bereits über 33.000 Geflüchtete aus der Ukraine von der tschechischen Polizei registriert. Über 22.000 Spezial-Visa wurden bis Freitag ausgestellt. „Aktuell stellen wir an einem Tag so viele Visa aus wie sonst in einem Monat“, teilte eine Mitarbeiterin des Innenministeriums mit. Deren Chef Rakušan rechnet mit täglich mindestens 5.000 Flüchtlingen, die in Tschechien ankommen. Seit Freitagvormittag dient das Prager Kongresszentrum in Vyšehrad als zentrale Anlaufstelle für Geflüchtete aus der Ukraine. Hier werden die Geflüchteten von der Polizei registriert und sie können eine Reihe von Dienst- und Hilfeleistungen in Anspruch nehmen: Beratung über Krankenversicherung, Wohnungsvermittlung oder auch Corona-Impfung. Vor Ort im Einsatz sind Psychologen und Dolmetscher. Das bisherige Hilfszentrum in der Stadtbibliothek am Marienplatz (Marianské náměstí), das erst zu Beginn der Woche seine Arbeit aufgenommen hatte, war aufgrund des großen Andrangs bereits zu klein geworden, weshalb der Krisenstab dessen Verlegung anordnete.
Straffreiheit für tschechische Kämpfer in Ukraine
Die Ukraine ist auf der Suche nach ausländischen Kämpfern und baut eine internationale Fremdenlegion auf. Nach Worten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seien bereits über 16.000 Menschen der Fremdenlegion beigetreten. Sich fremden Streitkräften anzuschließen, ist in Tschechien allerdings vom Gesetz her verboten. Premier Petr Fiala (ODS) und Präsident Miloš Zeman verständigten sich am Donnerstagabend aber darauf, Tschechen, die sich den Ukrainern im Kampf gegen russische Truppen anschließen, Straffreiheit zu garantieren. „Wir sind übereingekommen, dass wir die Straffreiheit in Form einer von mir gegengezeichneten Abolition durch den Präsidenten garantieren können“, sagte Fiala nach einem Treffen mit dem Präsidenten am Donnerstag über die Lage in der Ukraine. Gesetzesänderungen seien in diesem Kontext allerdings im Moment nicht vorgesehen. Zeman lobte unterdessen die Fortschritte der Regierung bei der Bereitstellung militärischer und humanitärer Hilfe für die Ukraine sowie die Maßnahmen zur Bewältigung des Flüchtlingsstroms.
Seit Putins Angriff auf die Ukraine am 24. Februar hatten etwa 300 Personen bei der Präsidialkanzlei auf der Prager Burg angefragt, ob hinsichtlich der Strafbarkeit bei Anschlüssen an ausländische Armeen Ausnahmen gemacht werden könnten. Für Amnestien oder Begnadigungen ist verfassungsgemäß das tschechische Staatsoberhaupt zuständig. Tschechiens Präsident Zeman galt lange als Unterstützer Putins, seit dessen Angriff auf die Ukraine vollzog Zeman aber eine Kehrtwende hinsichtlich seiner Haltung zu Russland bzw. Putin.
Weitere Waffenlieferungen an Ukraine
Die tschechische Regierung genehmigte eine weitere Waffenlieferung 17 Millionen Tschechischen Kronen (ca. 661 Tausend Euro) an die Ukraine. Dabei handelt es sich laut der laut der tschechischen Nachrichtenagentur ČTK um eine Spende tschechischer Rüstungsunternehmen, mit denen Verteidigungsministerin Jana Černochová (ODS) am vergangenen Sonntag verhandelt haben soll. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums spendeten die Unternehmen Holík International, DSS sowie Sellier & Bellot Hunderte von Maschinengewehren, Sturmgewehren, Maschinenpistolen, mehr als 100.000 Schuss Munition und 1.000 taktische Handschuhe. Sie entschieden sich für eine Spende über das Verteidigungsministerium, um das Verfahren zu beschleunigen. Die Reghierung hat nun die kostenlose Überführung in die Ukraine genehmigt. „Ich möchte den Vertretern aller beteiligten Rüstungsunternehmen dafür danken, dass sie in diesen schwierigen Zeiten innerhalb weniger Tage das Material gefunden haben, das die Ukraine dringend benötigt, um sich gegen die Aggression Putins zu verteidigen“, so Verteidigungsministerin Černochová.
Des Weiteren liefert Tschechien 22 Tanks Dieselkraftstoff im Wert von 30 Millionen Tschechischen Kronen (ca. 1,17 Millionen Euro) an die Ukraine.