Wird die nächste tschechische Regierung nach den Wahlen im Oktober bereit sein, zur Absicherung eines Friedens in der Ukraine Soldaten zu entsenden? Von der Beantwortung dieser Frage hänge das außenpolitische Renommee Tschechiens ab, meint unser Autor Hans-Jörg Schmidt.

Nach dem Präsidentengipfel Trump/Putin in Alaska und dem Treffen im Weißen Haus von Trump, Selenskyj und führenden europäischen Unterstützern der Ukraine gibt es so etwas wie vorsichtigen Optimismus. Das Wort „vorsichtig“ scheint unbedingt angebracht. Wie wenig dem Kreml-Führer an einer friedlichen Lösung zu liegen scheint, bewiesen die fortgesetzten Beschlüsse ukrainischer Städte und Dörfer mit zahlreichen getöteten Zivilisten selbst während der erwähnten Gipfelgespräche. Trump übernahm die Lesart Putins, dass man keinen Waffenstillstand brauche, sondern gleich auf einen Friedensvertrag hinarbeiten könne. Nachvollziehbar ist das nicht. Aber es wird noch mehr Kompromisse brauchen, um das von Moskau angezettelte jahrelange Blutvergießen zu beenden.

Präsident Pavel für Beteiligung an Friedenstruppen

Während Trump auf das Gaspedal drückt, stehen die Russen auf der Bremse. Ungeachtet dessen wird in Europa bereits vom Ende eines Friedens her gedacht und laut über Sicherheitsgarantien debattiert – und damit auch über einen Einsatz westlicher Soldaten entlang einer befriedeten Kampflinie. Geht es nach Putin, wird kein Soldat aus einem Nato-Land ukrainisches Territorium betreten. So bisher jedenfalls die Lesart aus Moskau. Trotzdem müssen sich die westlichen Länder auf eine mögliche Friedensmission vorbereiten. US-Vizepräsident J. D. Vance machte den Europäern bereits eine entsprechende Ansage: „Ganz gleich, welche Form dies annimmt, die Europäer werden den Löwenanteil der Last übernehmen müssen.“ Die USA sollten zwar helfen, wenn es nötig sei, den Krieg und das Töten zu beenden. Präsident Trump erwarte jedoch, dass Europa hier die führende Rolle spiele.

In Tschechien steht die Debatte über einen eigenen Beitrag erst ins Haus. Zum Zeitpunkt, an dem dieser Beitrag entsteht, hatte sich vor allem Präsident Petr Pavel zu dieser Frage geäußert. In einem ČTK-Interview sagte er dazu: „Sollten Friedenstruppen in der Ukraine stationiert werden, könnte und sollte Tschechien daran beteiligt sein, da es ein aktiver Akteur im Friedensprozess ist und das angegriffene Land seit Beginn der russischen Invasion unterstützt.“ Zurückhaltender meinte Verteidigungsministerin Jana Černochová, dass für Tschechien im Zusammenhang mit Sicherheitsgarantien für die Ukraine, wo ausländische Soldaten möglicherweise Teil der Friedenstruppen sein könnten, derzeit nichts dergleichen zur Debatte stehe. Sollten tschechische Soldaten nach dem Waffenstillstand in der Ukraine operieren, könnte dies ähnlich verlaufen wie nach dem militärischen Konflikt im ehemaligen Jugoslawien, sagte sie. Tschechische Truppen würden dann nicht an der Kontaktlinie des Krieges stehen.

Tschechiens Renommee steht auf dem Spiel

Man darf sicher sein, dass die Debatte in Tschechien noch an Fahrt aufnehmen wird. Zumal Anfang Oktober die Neuwahl des Abgeordentenhauses ansteht. Das Thema könnte somit Teil der heißen Phase des Wahlkampfes werden. Die in den Umfragen führende ANO müsste dabei Farbe bekennen. ANO-Chef Andrej Babiš hat sich bislang immer auf den nebulösen Satz beschränkt: „Wir wollen Frieden.“ Wird er aber auch bereit sein, womöglich tschechische Soldaten zur Absicherung eines Friedens in die Ukraine zu entsenden? Von der Beantwortung dieser Frage wird viel für das außenpolitische Renommee Tschechiens abhängen. Unter anderem mit der Organisation einer Initiative zum weltweiten Ankauf von Munition für die Ukraine hat sich Prag einen Namen gemacht. Diese Initiative will Babiš nach einem Wahlsieg sofort beenden, wie er wiederholt sagte. Wer derart den Kurs der bisherigen Regierung umsteuern will, darf sich nicht wundern, wenn Tschechien nicht zu hochrangigen Gipfeltreffen zum Thema Ukraine eingeladen wird. Das Jammern mancher Kommentatoren darüber war unüberhörbar. Welche Konsequenzen innenpolitische Entwicklungen darauf nehmen, wie ernst man die Ostmitteleuropäer nimmt, kann man gut am Beispiel Polens ablesen, wo sich Regierung und neuer Präsident spinnefeind sind. Derlei droht nach den Wahlen auch Tschechien. Das kann nicht gut sein. Weil jede Lösung für die Ukraine auch die ostmitteleuropäischen Nachbarn wie Polen oder Tschechien betreffen wird.

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