Sieben Katzen, ein Alchemist und ein Loch zur Hölle: Beim Festival „Open House Praha“ gewährte das sagenumwobene Faust-Haus in Prag einen seltenen Blick ins Innere.
An der Westseite des belebten Karlsplatzes (Karlovo náměstí) in Prag, steht ein Gebäude, in dem Geschichte und Legenden auf faszinierende Weise ineinander greifen: das Faust-Haus (Faustův dům). Normalerweise bleibt das Faust-Haus – Mladota-Palais (Mladotovský palác) ist der offizielle Name – der Öffentlichkeit verschlossen, doch am Wochenende vom 17. bis 18. Mai konnten Besucherinnen und Besucher im Rahmen des Architekturfestivals „Open House Praha“ seltene Einblicke in ein Gebäude gewinnen, das wie kaum ein anderes Wissenschaft, Aberglaube und Legende vereint.
Von einer Festung zur Alchemiewerkstatt
Im Laufe der Jahrhunderte hat das Faust-Haus viele Veränderungen durchlaufen. Ursprünglich im 12. Jahrhundert als kleine Festung zum Schutz des Handelsweges zwischen der Prager Burg und Vyšehrad errichtet, entwickelte sich das Gebäude später zu einem Herrenhaus der Herzöge von Troppau. Im 16. Jahrhundert wurde das Haus zu einem Zentrum der Alchemie. Edward Kelley, Hofalchemist von Kaiser Rudolf II., experimentierte hier mit der Umwandlung von Metallen zu Gold – ein bedeutendes Kapitel der Alchemie in Prag. Auch Josef Petr Mladota von Solopisk, ein weiterer Alchemist, beschäftigte sich hier mit chemischen Substanzen und versuchte wiederum, Gold aus Schiefer zu gewinnen.
Die Legende der sieben Katzen
Im 18. Jahrhundert erfuhr das Gebäude eine barocke Umgestaltung durch den Architekten František Maxmilián Kaňka. In den folgenden Jahrzehnten hatte es verschiedene Funktionen: Es diente zunächst als Pfarrhaus, später als eine der frühen Einrichtungen zur Unterstützung und Förderung von Gehörlosen in Böhmen und schließlich als Apotheke des Allgemeinen Krankenhauses in Prag, das 1790 gegründet wurde und heute unter dem Namen Allgemeines Fakultätskrankenhaus Prag (Všeobecná fakultní nemocnice v Praze) weiterhin besteht. Ein amerikanischer Luftangriff im Zweiten Weltkrieg beschädigte das Faust-Haus, aber die Bombe, die es traf, explodierte nicht. Man sagt, dies sei den sieben Katzen zu verdanken, die angeblich in den Fundamenten des Hauses eingemauert waren. Diese Katzen, so heißt es, hätten einen alten Schutzzauber gewirkt und das Gebäude vor der Zerstörung bewahrt.

Restauration und heutige Nutzung
Nach dem Krieg erhielt das Gebäude eine neue Bestimmung. Nach einer Restauration wurde das Faust-Haus im 20. Jahrhundert Teil der Ersten Medizinischen Fakultät der Karls-Universität. Am Festivalwochenende konnten Interessierte die Räume betreten, die sonst ausschließlich für Seminare, Vorträge sowie wissenschaftliche Versammlungen genutzt werden. Auf Zetteln in tschechischer und englischer Sprache erhielten Besucherinnen und Besucher zahlreiche Informationen über das Faust-Haus. Darunter auch die Randnotiz, dass das Haus in der tschechischen Komödie „Wo der Teufel nicht hin kann“ („Kam čert nemůže“) zu sehen war. Auch über die Entstehungsgeschichte des Namens konnten Besucherinnen und Besucher mehr erfahren. Beim Namen „Faust-Haus“ denken viele sofort an die berühmte Figur des Faust aus Goethes Drama, der seine Seele dem Teufel verkauft, um unendliches Wissen und Macht zu erlangen. Doch das Faust-Haus in Prag hat seinen Namen nicht direkt durch Goethes Werk erhalten.
Wie das Faust-Haus zu seinem Namen kam
Der Name geht auf den Schriftsteller Josef Svátek zurück. Erst Svátek war es, der das Gebäude in seinem 1883 erschienenen Buch „Prager Legenden und Erzählungen“ („Pražské legendy a vyprávění”) mit der legendären Faust-Figur verband. In seiner Erzählung machte der Schriftsteller das Haus am Karlsplatz zu dem Ort, an dem Faust durch ein Loch in der Decke in die Hölle gezogen wurde. Alois Jirásek griff die Geschichte ein Jahr später in seinem Werk „Alte böhmische Legenden” („Staré pověsti české”) wieder auf und trug so zur weiteren Verbreitung und literarischen Verankerung der Faust-Legende in Böhmen bei. Der Name „Faust-Haus“ war fortan in aller Munde.

Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert
Ein besonderes Highlight im Inneren des Faust-Hauses ist ein kleiner Raum mit Erker, in dem sich originale Wandmalereien aus der Renaissance erhalten haben. Die farbigen, direkt auf den Putz aufgetragenen Malereien zeigen die für das 16. Jahrhundert typischen floralen Ornamente und feine Muster. Die erhaltene Bausubstanz dieses Raumes zählt zu den ältesten noch sichtbaren Teilen des Gebäudes. Während die Fundamente und Teile der Mauern bis ins Mittelalter zurückreichen, stammen Gewölbe, Dekorationen und der charakteristische Stil dieses Raums aus der Renaissance.

Moderne Nutzung und historische Bedeutung
Zwar wird im Faust-Haus heute keine Alchemie mehr betrieben, doch mit seiner wissenschaftlichen Nutzung setzt sich die Tradition des Ortes auf gewisse Weise fort. Das Architekturfestival „Open House Praha“ bot mit der Öffnung des Faust-Hauses eine seltene Gelegenheit, Einblick in Räume zu erhalten, die sonst nur Studierenden und Forschenden der Karls-Universität offenstehen. So konnten die Besuchenden nicht nur die architektonische und historische Bedeutung des Hauses erleben, sondern auch mehr über die Legenden erfahren, von denen das Faust-Haus erzählt.
Mehr Informationen zum Festival „Open House Praha“ gibt es hier: https://www.openhousepraha.cz/