Ein Blick in das neue alte historische Museumsgebäude am Prager Wenzelsplatz.
Sieben Jahre lang war das historische Gebäude des Nationalmuseums (NM) am Prager Wenzelsplatz in Prag unter Bauplanen und Gerüsten versteckt. Es wurde innen und außen grundlegend umgebaut, laut dem tschechischen Denkmalschutz die aufwendigste und komplizierteste Sanierung in der Geschichte des Landes. Obwohl Innenarbeiten noch bis Ende 2019 andauern werden, ist immerhin ein Teil des Museums pünktlich zum 100. Jahrestag der Gründung der Ersten Tschechoslowakischen Republik am 28. Oktober wiedereröffnet worden. Mit der Wiedereröffnung begeht das wichtigste Geschichtsmuseum der Tschechischen Republik gleichzeitig auch sein eigenes 200-jähriges Bestehen.
Im Laufe seiner langen Geschichte wurde das Museum mehrmals stark beschädigt, aber bisher nie so grundlegend instand gesetzt wie jetzt. Ende des Zweiten Weltkrieges wurde es während des Prager Aufstandes im Mai 1945 von einer Fliegerbombe getroffen, die allein praktisch alles Glas am Gebäude zerstörte. „Dabei wurden auch gemalte Glastafeln vernichtet, die man vom historischen Treppenhaus aus sehen konnte“, erklärt NM-Sprecherin Šárka Bukvajová. „Deshalb setzte man dort nun Kopien ein, die nach zeitgenössischen Fotografien und den wenig erhaltenen Originalstücken hergestellt wurden.“
Weitere „Schusswunden“ erlitt der Bau im August 1968, als Truppen des Warschauer Pakts unter sowjetischer Führung in Prag einmarschierten. Unwissende Soldaten hielten das Nationalmuseum angeblich für das Parlament oder den Regierungssitz der damaligen Tschechoslowakei und beschossen es unnachgiebig.
„Durch die Rekonstruktion gewann der Museumsbau einen anderen Fassadenton, ursprünglich waren die Wände dunkel“, so Bukvajová. Die Schussspuren der Niederschlagung des Prager Frühlings sollen auch nach der Rekonstruktion erhalten bleiben, allerdings „wie ein Negativ aussehen: dunkle Flecken auf hellem Hintergrund“. Über dem Museumseingang wird eine Gedenktafel installiert, die an die Ereignisse von 1968 erinnert.
Von damals bis heute
Finanziert wurde die jahrelange Generalrekonstruktion durch den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) mit zwei Milliarden Tschechischen Kronen (umgerechnet rund 80 Millionen Euro). Die Arbeiten schließen nicht nur die bauliche Rekonstruktion selbst, sondern auch die Gestaltung neuer Ausstellungen bis 2019/20 ein.
„Die Expositionen sind modern und neuartig, vor allem aber komplex, denn sie werden die gesamte Geschichte sowie die Natur umfassen“, betonte der langjährige NM-Direktor Michal Lukeš bei einer Pressekonferenz. Besonders stolz ist Lukeš auf den auffälligsten und anspruchsvollsten Eingriff in das historische Äußere des Baus: Ein Verbindungstunnel wird das historischen mit dem neuen Gebäude verbinden. Auf dem Museumsdach wird es eine neue Aussichtsplattform für die Besucher mit Blick auf die Hauptstadt geben. „Wir haben dort einen Glasboden legen lassen. Damit entsteht ein Kulturraum, ein Ort, an dem man ganz neue Eindrücke von Prag bekommt und wo unterschiedliche Kulturveranstaltungen stattfinden werden“, so Lukeš. Auch der Innenhof wird nun ein Glasdach tragen.
Endgültig soll die Neugestaltung des Nationalmuseums im Frühling 2019 abgeschlossen sein, die ersten Dauerausstellungen könnten dann ab Herbst 2019 einziehen. Außer dem Museumsgebäude soll auch die unmittelbare Umgebung neugestaltet werden. Sie soll sowie Museumsbesuchern als auch Passanten Erholung im Grünen bieten.
Aus der Geschichte des Nationalmuseums
Alles begann am 15. April 1818, als tschechische Landadlige per Proklamation das Vaterländische Museum in Böhmen gründeten. Nach 36 Jahren seines Bestehens wurde es zum Museum des Königreichs Böhmens erklärt. So erhielt Böhmen sein erstes eigenes staatliches Museum.
Das Nationalmuseum wurde zunächst als Privatinstitution von den zwei Adligen Franz Kolowrat von Liechtenstein und Kaspar Graf von Sternberg ins Leben gerufen, wobei von Starnberg als weltberühmter Paläontologe dem Museum auch seine eigene umfangreiche Sammlung überließ. Da dem neugegründeten Museum noch ein passendes Gebäude fehlte, wurden die Sammlungen zunächst in der St. Jakobs-Kirche in der Prager Altstadt untergebracht. Später zog das künftige Nationalmuseum vor dessen eigenem Neubau die Palais Sternberg und Nostitz.
Der Bau eines neuen Gebäudes wurde in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts aktuell. 1876 stellte der Prager Stadtrat ein Grundstück am oberen Ende des Wenzelsplatzes zur Verfügung. 1883 wurde der Bau bewilligt, die Baugenehmigung wurde am 27. Juni 1885 erteilt und sogleich begannen die Arbeiten. Die Ausschreibung hatte der Architekt Josef Schulz gewonnen. Das neue Museum wurde dann am 15. Mail 1891 feierlich eröffnet, bis 1901 dauerten die Dekorationsarbeiten.
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