Vor 125 Jahren besiegte der DFC Prag den FC Bayern. Ein Blick auf jenes legendäre Fußballspiel verrät viel über die politische und kulturelle Geschichte des heutigen Tschechiens – und regt zum Nachdenken an.

Am 9. Dezember 1900, vor 125 Jahren, empfing der Deutsche Fußballclub Prag (DFC) den FC Bayern München, der das erste Auswärtsspiel seiner Vereinsgeschichte bei dem damaligen Prager Spitzenverein absolvierte. Bei der legendären Partie auf der damaligen Trainingsstätte des DFC Prags auf dem Prager Letná-Hügel verpasste der DFC dem FC Bayern mit 8:0 die erste Niederlage der Vereinsgeschichte – an die man sich in der tschechischen Hauptstadt noch gerne zurückerinnert.

Zwei Vereinshistorien, die unterschiedlicher nicht sein könnten

„Der DFC gehörte damals zu den Spitzenvereinen, nicht nur in Böhmen, sondern in Mitteleuropa, und auf dem ganzen europäischen Kontinent“, ordnet Filip Bláha die sportliche Leistung der DFC-Elf anfang des 20. Jahrhunderts ein. „Bayern stand damals noch am Anfang seiner ruhmreichen Geschichte“, ergänzt der Fußballhistoriker. Während sich der FC Bayern in den darauffolgenden Jahrzehnten zu einem der führenden Fußballclubs Europas und der Welt entwickelte, geriet der DFC Prag in finanzielle Schwierigkeiten, die ein allmähliches Ende der Aktivitäten auf Profiniveau bedeuteten. Nach der Gründung der Tschechoslowakei 1918 zersplitterte die regionale Fußballszene in zahlreiche Ligen und Wettbewerbe, in denen deutsche, jüdische, tschechoslowakische und ungarische Fußballvereine unter sich blieben. „Die deutschen Vereine sollten eine eigene Liga bilden, die hätte nur aus drei weiteren Vereinen – dem FC Teplitz, dem Karlsbader FK und dem DSV Saaz bestanden“, beschreibt Bláha die Ausgangssituation, die dem DFC Gewinne, z. B. durch Ticketverkäufe, erschwerte. Am Einnahmenproblem änderte auch die Gründung einer gemeinsamen Staatsliga (Asociační liga) 1925 nichts. „Der DFC spielte dann eher in den Reihen der Amateure, und 1939, nach der Besetzung Prags durch die Nazis, hat sich der Verein dann aufgelöst“, vollzieht Bláha den Niedergang des damaligen Proficlubs nach, der im Amateurbereich immerhin noch einige Erfolge feiern durfte.

Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums am 09.12.2025 lud Initiator Thomas Oellermann vom DFC Prag zu einem Pressegespräch an den Ort des Geschehens.
Anlässlich des 125-jährigen Jubiläums am 09. Dezember 2025 lud Initiator Thomas Oellermann vom DFC Prag zu einem Pressegespräch an den Ort des Geschehens. Credit: Lennard Halfmann

Eine neue Perspektive auf die Tschechoslowakei

„Viele der Mitglieder des DFC Prags wurden im Holocaust verfolgt, einige ermordert“, führt Thomas Oellermann weiter aus. Oellermann ist es, der den DFC im Jahr 2016 mit einer Gruppe deutscher Fußballliebhaber wieder ins Leben ruft, und der heute, 125 Jahre nach der Partie des DFC gegen den FC Bayern die Erinnerung an das Match auf dem Prager Letná-Hügel, am Standort des heutigen Technikmuseums, am Leben hält. Für den Fußballfan bietet das Jahrhundertspiel nicht nur die Möglichkeit, an die leidvolle Geschichte des DFC sowie an die multikulturuelle Vergangenheit der Tschechoslowakei und der Stadt Prag zu erinnern. Aus Sicht Oellermanns bietet der Sieg des Prager Fußballvereins die Chance, eine andere Perspektive auf die Geschichte des heutigen Tschechiens zu werfen – eine Perspektive, welche die Fortschrittlichkeit und Stärke der damaligen Tschechoslowakei in den Mittelpunkt rückt.

Auch dessen Mitstreiterin Zuzana Martinová, Vorstandsmitglied im tschechischen und slowakischen Fanclub des FC Bayern, den Red Dogs, ist der 125. Jahrestag trotz der Niederlage ihrer Bayern ein wichtiger Termin: „Es ist interessant für mich zu sehen, dass ein großer, weltbekannter Club auch mal klein angefangen hat. Auch, dass der FC Bayern zu seinem ersten Auslandsspiel nach Prag gekommen ist, empfinde ich als Pragerin und Tschechin und Halbdeutsche, sowie Bayern-Fan als eine besondere Ehre“, legt das Vorstandsmitglied bei dem Gespräch zum Jahrestag des DFC-FCB Spiels dar.

Zur Orientierung: Die südwestliche Ecke des Nationalen Technikmuseums befindet sich heute in etwa dort, wo sich früher der Mittelkreis des DFC-Platzes, inmitten der Rundlaufbahn befand.
Zur Orientierung: Die südwestliche Ecke des Nationalen Technikmuseums befindet sich heute in etwa dort, wo sich früher der Mittelkreis des DFC-Platzes, inmitten der Rundlaufbahn befand. Credit: Praha Neznámá / Facebook

Wer die Stätte jenes Spiels selbst besuchen will, kann das tun: Der ehemalige Fußballplatz des DFC Prags befindet sich nahe dem Eingang des Nationalen Technikmuseums (Národní technické muzeum). Die, mit Blick auf den Haupteingang, linke Ecke des Gebäudes befindet sich in etwa dort, wo früher der Mittelkreis des DFC-Platzes war.

Der DFC Prag
1896 gründete sich im Prager Deutschen Haus der Deutsche Fußballclub Prag. Er war der Club der deutschsprachigen Juden der Stadt und gilt als erster richtiger Fußballverein in den Böhmischen Ländern. Der DFC spielte in lokalen Meisterschaften, auch gegen tschechische Klubs. 1900 wurde er zum Gründungsmitglied des Deutschen Fußballbundes und stellte den ersten Präsidenten des Verbandes. Bei der ersten deutschen Meisterschaft des Jahres 1903 gelangte der Club ins Finale von Hamburg-Altona, wo er dem VfB Leipzig mit 2:7 unterlag. Vor dem Ersten Weltkrieg wurde der DFC zu einem der stärksten Vereine in Kontinentaleuropa. Verschiedene seiner Spieler bestritten Spiele für die österreichische Nationalmannschaft. Erfolge konnte der Club auch in der Tschechoslowakei nach 1918 feiern. Er spielte in der Staatsliga und konnte zweimal den Titel eines Amateurmeisters erringen. Die Stars des DFC bestritten immer wieder Matches für die Nationalmannschaft der Tschechoslowakei. Das Ende des DFC kam 1938 mit dem Anschluss des Sudetenlandes, der Grenzgebiete der Republik, an das nationalsozialistische Deutschland. Nach der Besetzung Prags durch die Deutschen wurde der Club offiziell aufgelöst. Zahlreiche seiner Spieler und Funktionäre wurden verfolgt und von den Nationalsozialisten ermordet. Nur wenigen gelang die Flucht. Der Holocaust und die Vertreibung der Sudetendeutschen machten eine Neugründung nach 1945 unmöglich. Erst 2016 wurde der Club in Prag erneuert und betreibt heute Jugendfußball.

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