Auch nach einem langen Gespräch am Montag lehnt Tschechiens Präsident Petr Pavel das bekannteste Gesicht der in der Koalition vertretenen Motoristen, Filip Turek, weiter als Minister ab. Tureks rassistische und homophobe Äußerungen in Sozialen Medien in der Vergangenheit hatten Zweifel an seiner Eignung aufkommen lassen.
„Armer Herr Präsident. So kann man sich Weihnachten aber mal so richtig versauen“, schrieb am Montagfrüh unter großer Zustimmung ein Nutzer auf der Facebook-Seite des tschechischen TV-Senders ČT24. Als Kommentar zu dem Fakt, dass sich Präsident Petr Pavel zwei Tage vor Heiligabend die Zeit für ein Treffen mit dem höchst umstrittenen Politiker Filip Turek nahm. Vergnügungssteuerpflichtig war dieses Treffen auf der Prager Burg mit Sicherheit nicht, meinten auch Politologen und Kommentatoren, die auf dem erwähnten öffentlich-rechtlichen Kanal die Begegnung live kommentierten.
Fan von Hitler und Mussolini
Eine Begegnung, die auf Bitten Tureks stattfand. Pavel begründete seine Bereitschaft dazu mit den Worten: „Ich will damit meinen guten Willen zeigen“. Das hat ihn sicher Überwindung gekostet; Pavel hat ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu Turek. Der 40-jährige Ehrenvorsitzende der in der neuen Regierungskoalition sitzenden Autofahrer-Partei (Motoristé sobě) gilt innerparteilich als „Ikone“ und hat der Partei bei den Parlamentswahlen im Oktober reichlich „persönliche“ Stimmen eingetragen. Für die Parteiführung war deshalb klar, dass der politische Zögling des tief in der nationalistischen Ecke hockenden früheren Präsidenten Václav Klaus in die Regierung gehöre. Zunächst sollte er Außenminister werden. Diesen hochfliegenden Plan gab die Partei nach massiven Protesten aber schnell auf – um ein „Zeichen der Bescheidenheit“ zu setzen, wie sie sagte. Turek würde sich auch als Umweltminister gut machen. Derzeit leitet Parteichef Petr Macinka das Umweltministerium nebenbei. Der mag sich mit der Doppelbelastung nicht anfreunden und erwartet, dass der Präsident nachträglich und zeitnah den jüngst ans Krankenbett gefesselten Turek noch als Umweltminister vereidigt. „Wir werden niemand anderen dafür nominieren, als den honorigen Filip Turek“, betont Macinka jeden Tag neu.
Filip Turek ist freilich alles andere als „honorig“. Und das ist der Grund, weshalb Präsident Pavel den Mann als Mitglied der tschechischen Regierung für völlig untauglich hält. Das Sündenregister Tureks ist lang. Auf Facebook veröffentlichte er vor Jahren Dutzende rassistischer und homophober Kommentare und outete sich als Fan von Hitler und Mussolini. Die Aussagen wurden teilweise gelöscht, aber einer Zeitung wurden die Originalaussagen zugespielt – und die veröffentlichte sie. Turek bestritt ein Teil der Kommentare, für andere bat er um Entschuldigung: „Ich habe manchmal einen etwas schwarzen Humor, den nicht jeder versteht“. Später kam er mit der bizarren Ausrede, dass er in der Kneipe mitunter wildfremden Menschen sein Handy leihe. Vermutlich die hätten solche schlimmen Kommentare auf seiner Facebookseite veröffentlicht – ohne sein Wissen.
Woher kommt Tureks Vermögen?
Doch die Liste der bizarren Ereignisse um Turek ist noch länger: Eine frühere Freundin klagte, weil Turek sie vergewaltigt habe. Vor acht Jahren hat er – was er zugibt – einem Diplomaten aus Saudi Arabien einen Zettel mit einem selbstgemalten Galgen hinter den Scheibenwischer gesteckt, weil der angeblich eine andere Freundin von ihm belästigt habe. Auf dem Autodach hinterließ er zudem als weitere Drohung eine Patrone. Jüngster Skandal: Als normaler Abgeordneter und einfaches Mitglied einer tschechischen Parlaments-Delegation in der Slowakei „vereinbarte“ er, dass der slowakische Umweltminister auf einem Treffen der EU-Umweltminister für Tschechien mitstimmen dürfe, weil er selbst noch nicht zum tschechischen Umweltminister ernannt worden sei. Das nennt man zumindest Amtsanmaßung.
Unklar ist zudem, wie Turek in seinen vergleichsweise jungen Jahren zu einem sehr dicken Konto und zu einer ganzen Flotte teuerster Sportwagen kommen konnte, aus denen er gern auch mal auf deutschen und tschechischen Autobahnen alle PS heraus holt. Eine Lösung für diesen Reichtum könnte lauten, dass Turek mehrere Jahre keinerlei Steuern bezahlt habe, wie investigative Journalisten herausgefunden haben.
Präsident Pavel von Erklärungen nicht überzeugt
Am Montag wollte Turek all diese Dinge dem Präsidenten erklären. Der zeigte sich sehr großzügig, widmete Turek mehr als eine Stunde seiner Zeit. Für ähnliche, inhaltlich aber erfreulichere Treffen mit jedem anderen Ministerkandidaten hatte er sich mit jeweils 30 Minuten begnügt. Turek räumte hinterher vor der Presse ein, dass es manche Dinge gegeben habe, für die er bei Pavel nicht so wirklich Verständnis gefunden habe. Etwas später las sich das in einer Stellungnahme der Prager Burg noch sehr viel deutlicher: „Die vorgebrachten Erklärungen überzeugten den Präsidenten nicht, und seine Vorbehalte gegenüber einer möglichen Ernennung Filip Tureks zum Minister bleiben bestehen.“ Der Präsident zeigte sich „zutiefst überzeugt, dass eine Person mit diesem Verhalten und Auftreten kein Minister in der Regierung der Tschechischen Republik sein kann und geht davon aus, dass der Premierminister ihn aus diesen Gründen nicht vorschlagen wird.“ Sollte Premier Babiš das doch tun, werde er, so der Präsident, Turek als Minister ablehnen. „Obwohl der Präsident dies als einen völlig extremen und außergewöhnlichen Schritt betrachtet, den er nur in seltenen und schwerwiegenden Fällen anwenden kann“, schrieb die Präsidialkanzlei abschließend. Womit darauf angespielt wurde, dass der Präsident laut Verfassung alle Ministerkandiaten, die ihm der Regierungschef vorschlägt, eigentlich ohne Wenn und Aber ernennen müsse.
Premier Babiš wollte sich zu der Causa auf der Regierungspressekonferenz erst einmal nicht festlegen. Er werde in jedem Fall am 6. Januar mit dem Präsidenten zu Mittag speisen und dabei über den Fall sprechen, sagte er kurz und bündig. Eine denkbare Klage gegen den Präsidenten vor dem Verfassungsgericht wegen Kompetenzüberschreitung hatte Babiš schon wiederholt ausgeschlossen. Babiš ist an besten Beziehungen zur Prager Burg interessiert. Und er findet die Verfehlungen Tureks auch nicht gerade lustig. Er würde das auch laut sagen, wenn er nicht auf die Autofahrerpartei in seiner Koalition angewiesen wäre. Dennoch: Die ersten Kommentare in Prag gehen nur in eine Richtung: „Die Ministerträume von Filip Turek sind offenkundig ausgeträumt.“
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