Nach zwei Jahren gastieren wieder die besten deutschsprachigen Theaterproduktionen in Prag. Auftakt ist heute Abend. Das Festival präsentiert sich zudem mit neuer Leitung.
Wechsel beim Theaterfestival deutscher Sprache. Anstelle der bisherigen Festivaldirektorin Jitka Jílková, die die deutschsprachige Prager Theaterschau seit 1997 führte und weiterhin in der Festivalleitung als Dramaturgin bleibt, wurde Anfang 2021 der bisherige Chefdramaturg Petr Štědroň zum neuen Direktor ernannt. „Mit Jitka verbindet mich eine tiefe Freundschaft, Nähe und professioneller Respekt. Ich schätze ihren Spürsinn für Ästhetik, ihr Urteil, ihre Übersetzungskunst und eine Reihe anderer Dinge“, sagt Štědroň dem LandesEcho. „Übrigens waren es gerade Jitka und ich, die wir das Festival so ästhetisch profiliert haben, dass es zu einem der wichtigsten Prager Kulturereignisse wurde. Das Theaterfest bleibt wie bisher neuen Richtungen gegenüber aufgeschlossen und will weiterhin neue Kulturimpulse setzen“, erklärt Štědroň. Er betont, dass es sich angesichts seines neuen Postens um keinen Umbruch handle, denn Jitka Jílková und weitere Kollegen werden weiter mitentscheiden. Selbstverständlich möchte er das hohe Niveau des Festivals halten und es gemeinsam mit den bisherigen Festivalpartnern und Unterstützern weiterentwickeln.
Der 1976 geborene Brünner studierte Germanistik und Kunstgeschichte. Danach war er Übersetzer und Hochschuldozent. Sechs Jahre war er künstlerischer Leiter des Brünner Theaters Reduta, bevor er 2013 zum Direktor der Prager Bühne „Am Geländer“ (Na Zábradlí) ernannt wurde. Seitdem arbeitet er eng mit deutschsprachigen Theaterbühnen zusammen. Für Štědroň habe das Prager Theaterfestival der deutschen Sprache die hiesige Theaterszene maßgeblich beeinflusst: „Dabei geht es nicht um ein billiges Übernehmen von Mustern, aber eher um die Möglichkeit zu sehen, dass das Theater zur Meinungsplattform werden kann, die verstören, verletzen, heilen, manches darbieten kann“, ergänzt der neue Festivaldirektor.
Nach der durch Corona erzwungenen Minimal-Online-Version im letzten Jahr findet das Festival diesmal vom 15. November bis 6. Dezember in Prag statt. In diesem Jahr bringt das Theatertreffen die interessantesten Inszenierungen der deutschsprachigen Bühnen aus Hannover, Hamburg, Köln, Berlin und Wien in die Moldaustadt. Einige Aufführungen sind gelungene Beispiele deutsch-tschechischer Kooperation.
Das AUFgeschlossene Prager Theater
Petr Štědroň ist sich sicher, dass auch der 26. Festivaljahrgang Emotionen bei den Besuchern hervorrufen wird. Das diesjährige Festivalmotto heißt „AUFgeschlossen“. „Es verweist auf eine Situation, in der sich vor Kurzem alle Theater befanden. Teilen wir dieses Wort in AUF und GESCHLOSSEN, bedeutet es dann nur offen und geschlossen. Die Bedeutung des ganzen Wortes AUFGESCHLOSSEN bringt jedoch Offenheit, Zugänglichkeit, Unvoreingenommenheit oder Extrovertiertheit zum Ausdruck. Und beschreibt – wie wir hoffen – auch die Dramaturgie unseres Festivals“, erklärt Štědroň.
Das Programm startet heute im Theater Komedie mit der scharfsinnigen, provozierenden und phantasievollen Inszenierung „Orlando“ des Staatstheaters Hannover. Regie führt die Britin Lily Sykes. In dem Stück schickt Virginia Wolf ihren Helden auf eine Zeitreise vom 16. bis ins 20. Jahrhundert. Dabei verändert sich der ewig junge Orlando vom Geliebten der Königin in eine freiberufliche Künstlerin. Die Hauptrolle spielt die bekannte deutsche Schauspielerin Corinna Harfouch. Das Stück ist ein zweites Mal morgen (16.11.) zu erleben.
Das Wiener Schauspielhaus lädt in La Fabrika in Prag-Holešovice zur Inszenierung „Oxytocin Baby“ ein. Die Dramatikerin Anna Neata fasst in ihrem Debüt auf sehr musikalische Art die Schwangerschaft und Muttersein, die Kontrolle der Geburtenrate und Selbstbestimmung auf.
Eines der populärsten deutschen Theater, die Berliner Schaubühne, tritt im Musiktheater Prag-Karlín auf. Die Aufführung des Intendanten der Berliner Schaubühne Thomas Ostermeier spielt sich in einem Aufnahmestudio ab, in dem eine Schauspielerin gemeinsam mit einem Regisseur an der Stimmaufzeichnung eines laufenden Films zusammenarbeiten. Es ist ein dokumentarisches Essay mit dem Titel „Rückkehr nach Reims“ nach dem gleichnamigen Buch des französischen Soziologen Didier Eribon.
Das Deutsche Theater Berlin präsentiert sich auf dem diesjährigen Festival im Prager Ständetheater mit der Inszenierung „Sophie Rois fährt gegen die Wand im Deutschen Theater“. Es geht um die Bühnenadaption des bekannten Romans der österreichischen Schriftstellerin Marlen Haushofer, die in der Regie von Clemens M. Schönborn zu sehen sein wird. In der Hauptrolle spielt natürlich niemand anderes als die bekannte Theater- und Filmschauspielerin Sophie Rois selbst.
Die tschechische Einstudierung des ursprünglich deutschsprachigen Textes „Mein Reich ist von dieser Welt“ von Wolfgang Borchert stellt sich am 1. Dezember im Studio Hrdinů vor. Die Aufführung des Regisseurs Miroslav Bambušek bezieht sich auf das Trauma des Zweiten Weltkrieges.
Das Festival klingt am 6. Dezember im Zentrum DOX mit der „Konferenz der Abwesenden“ in der Darbietung von Rimini Protokoll aus, bei der das Publikum die Identität eines abwesenden Konferenzgastes übernimmt.
Das Off-Programm des Theaterfestivals spielt sich vorwiegend in der Eliade-Bibliothek ab, wo ein deutsch-tschechisches Kabarett sowie Lesungen mit dem deutsch-tschechischen Filmemacher und Schriftsteller Jindřich Mann und dem deutschen Historiker und Kulturologen Stefan Zwicker stattfinden werden.
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