Milan Kundera. Foto: ČTK/Manheimer Aaron
Milan Kundera, einer der bedeutendsten Schrifsteller des 20. Jahrhunderts, ist am 11. Juli 2023 im Alter von 94 Jahren verstorben. Foto: ČTK/Manheimer Aaron

Einer der bedeutendsten tschechischen Schriftsteller ist im Alter von 94 Jahren nach langer Krankheit in Paris verstorben. Milan Kundera erlangte unter anderem durch die Romane „Der Scherz“ und „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ internationale Bekanntheit.

Der Essayist und Romanautor Milan Kundera ist gestern im Alter von 94 Jahren nach langer Krankheit in seiner Wohnung in Paris verstorben. Das teilte die Mährische Landesbibliothek in Kunderas Heimatstadt Brünn (Brno) mit. Kundera wurde am 1. April 1929 in Brünn (Brno) geboren und studierte Musik, Film und Literatur. Seit 1975 lebte er in Frankreich im Exil.

Exil nach dem Prager Frühling

Kundera trat nach seinem Schulabschluss 1948 in die Kommunistische Partei ein, von der er 1970 endgültig ausgeschlossen wurde. Nach seinem Studium in Musik, Film und Literatur lehrte er Weltliteratur und unterrichtete zahlreiche Vertreter der Tschechoslowakischen Neuen Welle. Er verfasste eigene Literatur, die in den 50ern und Anfang der 60er noch systemkonform war. Seine Kurzgeschichten der 60er Jahre dienten auch Filmen der Neuen Welle als Vorlage. In einer Biografie von 2020 wurde ihm vorgeworfen, in dieser angepassten Zeit einen antikommunistischen Studenten an das Regime verraten zu haben.

Sein Werk „Der Scherz“ stellte einen Wendepunkt dar und zeugte von einer wachsenden Kritik an dem Regime und dessen Bekämpfung der Individualität. Er prägte den Prager Frühling und verlor deshalb nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im Zuge der Normalisierung die Möglichkeit zu publizieren. 1975 verließ er mit seiner Frau Věra die Tschechoslowakei und lebte seither in Frankreich. In Paris nahm er eine Stelle als Dozent an der École des Hautes Études en Sciences Sociales an. 1979 wurde ihm die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen, erst 2019 erhielt er sie zurück.

Keine tschechischen Übersetzungen

In Paris wurde er zu einem der bedeutendsten tschechischen Exil-Schriftsteller. Hier verfasste er 1984 mit „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ sein kommerziell erfolgreichstes Buch. Ab 1993 hörte er auf, seine Werke auf Tschechisch zu verfassen und wechselte ins Französische. Seine französischen Romane ließ er nie ins Tschechische übersetzen, da er diese für unzureichend hielt.

Neben Franz Kafka und Václav Havel zählt Milan Kundera zu den international bekanntesten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts aus Tschechien. Im Frühjahr dieses Jahres eröffnete die Milan-Kundera Bibliothek in Brünn, welche seine Privatbibliothek und sein Lebenswerk enthält.

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