Sie galt als die “Grand Dame” der Prager jüdisch-deutschsprachigen Literatur: Lenka Reinerová. Am vergangenen Dienstag sprach die französische Germanistin Hélène Leclerc im Rahmen einer Veranstaltung des Prager Literaturhauses über die vor 15 Jahren verstorbene Schriftstellerin in der Maisel-Synagoge.
Am Dienstag, den 12. September, lud das Prager Literaturhaus zu einer Podiumsdiskussion über die Prager Autorin und die Gründerin des Prager Literaturhauses Lenka Reinerová ein. Als Gast in der Maisel-Synagoge trat die französische Germanistin Hélène Leclerc auf, Autorin der Publikation Lenka Reinerová und die Zeitschrift „Im Herzen Europas- Internationale Kulturbeziehungen während des Prager Frühlings”.
Die Germanistin beschäftigte sich in ihrer Promotionsarbeit, die sie 2006 abschloss, mit dem deutsch-tschechischen Verhältnis innerhalb der Literatur. Heute arbeitet sie als Dozentin am Germanistischen Institut der Universität Toulouse-Jean Jaurés.
2022 veröffentlichte Leclerc ihr biografisches Werk über die mehrfach ausgezeichnete Prager Schriftstellerin. Auf 393 Seiten erhält der Leser einen facettenreichen Einblick in die Liberalisierungsprozesse des tschechoslowakischen Regimes der 1960er Jahre. Leclerc widmet sich in diesem Band der Geschichte der Zeitschrift “Im Herzen Europas”, welche durch die Schriftstellerin und Journalistin Reinerová maßgeblich geprägt wurde.
Wie sie auf Lenka Reinerová gekommen sei, fragte sie David Stecher, Direktor des Prager Literaturhauses während der Veranstaltung in der Maisel-Synagoge. „Ich setzte den Schwerpunkt meines Studiums auf die deutsch-tschechische Beziehung. Lenka Reinerová habe ich als eine wichtige Vertreterin dieser Beziehung wahrgenommen. Sie war eine bedeutende Vermittlerin zwischen den beiden Nationen, vor allem aber zwischen den Menschen“, erklärt Leclerc.
Eine Redakteurin mit Mission
Im Fokus der Diskussion: Reinerovás Tätigkeit für die Monatszeitschrift “Im Herzen Europas“. Nach ihrer Verhaftung 1952 im Zuge der Slanský-Prozesse nahm sie eine Stelle als Redakteurin an. „Reinerová war es wichtig, so schnell wie möglich die journalistische Tätigkeit wieder aufzunehmen und fortzuführen“, erklärt Leclerc.
Herausgegeben in Prag, verfolgte das Medium das Ziel, die tschechoslowakische Kultur im deutschsprachigen Ausland bekannt zu machen und in kulturdiplomatischer Mission die Beziehung zwischen Österreich und Deutschland zu stärken. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Zeitschrift war die Auseinandersetzung mit den Entwicklungen in der Tschechoslowakei während des Prager Frühlings.
Reinerová veröffentlichte unter anderem Texte von Václav Havel und Milan Kundera. Schnell geriet sie ins Visier der Staatsmacht und wurde 1968, nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen, aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen. Besonders hart trifft sie das Publikationsverbot, welches ihr erteilt wird. „Dennoch hat sie nie den Mut und ihr Engagement verloren, als ich die Akten der Archive las, war ich beeindruckt“, so Hélène Leclerc.