Karel Nepraš und sein Kaninchenstall. Foto: GHMP

Der Unsicherheit, die mit der Corona-Pandemie ins Leben jedes Einzelnen einzog, verlieh die Galerie der Hauptstadt Prag mit der Ausstellung „Die unsichere Saison“ (Nejistá sezóna) einen sichtbaren künstlerischen Ausdruck. Dabei kommt es im Schloss Troja zum überraschenden Dialog zwischen Altem und Neuem, in dem Werke moderner tschechischer Künstler wie Karel Nepraš, Hana Wichterlová, Stanislav Kolíbal, Jaroslav Róna oder Petr Lysáček in barocken Kulissen zur Schau gestellt werden.

„Nach einer langen Zeit haben wir nun die Gelegenheit dazu bekommen, in unsere reiche Sammlungskollektion hineinzuschauen und dabei Exponate auszuwählen, die unsere Besucher mehrere Jahre nicht sehen konnten“, sagt die Direktorin der Galerie der Hauptstadt Prag (Galerie hlavního města Prahy) Magdalena Juříková. Gemeinsam mit drei weiteren Kuratoren wählte sie Dutzende Plastiken aus, um sie in zehn repräsentativen Räumen des Barockschlosses Troja im Norden von Prag zu zeigen.

Die Ausstellung macht darauf aufmerksam, wie die Kunst auf Unsicherheit, das Gefühl der Bedrohung, das Balancieren zwischen zwei Möglichkeiten oder Instabilität reagieren. „Zuerst dachten wir, dass wir zu diesem Vorhaben nicht genügend Material vorfinden werden, doch dann stellten wir im Nachhinein fest, dass diese Gesellschaftsphänomene überraschend häufig im Denken vieler Künstler auftauchen“, sagt Juříková. „Darüber hinaus ist es für uns interessant zu beobachten, wie moderne Objekte, die wir mit allem Respekt in den historischen Räumen des Barockschlosses Troja ausstellen, auf unsere Besucher wirken“, ergänzt die Galeriedirektorin Magdalena Juříková.

Eisengussköpfe in Kaninchenstall

Zu dem wohl bekanntesten tschechischen Künstler in der Ausstellung zählt ohne Zweifel Karel Nepraš (1932-2002). Im Schloss Troja präsentiert er sich mit seinem Überfall des Kaninchenstalls aus der Hälfte der 1970er Jahre. Darin verbindet er vorgefertigte Eisengussköpfe mit einem beweglichen Bandgetriebe, die er in einen echten Kaninchenstall aus Holz und Draht platzierte, um ihnen dadurch eine neue Bedeutung zu verleihen. Auch das Kunstobjekt des Bildhauers Karel Malich (1924-2019) strahlt eine bestimmte Energie aus, die der Künstler mit Hilfe von farbigen Pastellen sowie Drahtobjekten übermittelt. Konkret gilt es für seine Pastell-Zeichnung „Hinter dem Tisch“ (1983/84), in dem er seine inneren Gefühle festhält, die mystischen Erlebnissen ähneln. 

Karel Malich: „Hinter dem Tisch“. Foto: GHMP

Karel Malich: „Hinter dem Tisch“. Foto: GHMP

Vegetatives Motiv von Wichterlová

Natur in ihrer reinsten Form inspirierte eine der ausdruckstärksten Persönlichkeiten der tschechischen Avantgarde-Bildhauer der Zwischenkriegszeit, Hana Wichterlová (1903-1990). Das glatte, rundliche Holzobjekt mit der einfachen Benennung „Der Kern“ von 1976 steht stellvertretend für die vegetativen Motive in ihrer Kunst. Die Künstlerin drückte damit gleichzeitig ihre Lebensphilosophie aus, die von ihrer Verwandtschaft zum Hinduismus, Buddhismus, Meditation, ihre Kenntnis von Sanskrit, Yoga oder durch ihr Interesse am alten Ägypten, Griechenland oder Tibet geprägt wurde. „Es lebe Hana Wichterlová, unter deren subtilen Händen eine Frau aus dem Baum mit einer gleichen Präzision und Zärtlichkeit herauswächst, mit denen durch das Wirken der Natur Tropfsteine emporwachsen,“ schrieb über die Kunst Hana Wichterlová’s seinerzeit der tschechische Avantgarde- Dichter Vítězslav Nezval.

Auf dem Kreuzweg

Petr Lysáček, Vetreter der jüngeren Bildhauergeneration (Jahrgang 1961), ist mit seiner bemerkenswerten Plastik „Die Kreuzung“ von 1993 vertreten. Sie setzt sich aus einem Wagen zusammen, den man zum Kohle-Transport verwendete. Es ist dabei überraschend, dass dieser Wagen auf Gleisen steht, die sich gegenseitig kreuzen, so dass eine Bewegung unmöglich wird.  „Durch die Wahl dieses Kunstobjekts teilen wir unser Gefühl mit, dass auch wir uns nun auf einem komplizierten Kreuzweg befinden“, sagt Jakub Král, einer der Kuratoren, über die Metall-Installation. „Wir haben es im Raum so hingestellt, dass der Besucher daran nach dem Betreten des dunklen Raumes beinahe anstoßen könnte. Und der darauf aufgestellte Kindersitz weist im bestimmten Maße darauf hin, dass sich auch ein Kind irgendwohin begeben wird. Doch obwohl es einen kompletten Horizont vor sich hat, ist nicht sicher, welche Richtung das Kind letztendlich beschreiten wird – also ähnlich, wie wir nun“, fügt Král hinzu.

Die Macher der Ausstellung bieten den Besuchern außerdem ein umfangreiches Begleitprogramm für Groß und Klein.

Die Ausstellung ist im Schloss Troja in Prag noch bis zum 31. Oktober 2021 zu sehen. Mehr auf der Webseite der Hauptstadtgalerie.

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