Ende November begab sich die Redaktion des LandesEcho für den „Johnny“-Klein-Preis nach Mährisch Schönberg (Šumperk). Für unsere LandesBloggerin Lena war es das erste Mal in der mährischen Kleinstadt, die so ganz anders ist als Prag.
Das Wochenende in Mährisch Schönberg begann für unsere Redaktion wie gewohnt in Prag, die Stadt am Fuße des Altvatergebirges liegt allerdings ca. drei Autostunden von der tschechischen Hauptstadt entfernt. Wir setzten uns alle zusammen ins Auto, schmissen eine eigens erstellte Spotify-Playlist an und fuhren guter Dinge los. Die ersten 90 Minuten gehen gemütlich über die Autobahn, die letzten 90 Minuten allerdings über kurvige Landstraßen und abenteuerliche Serpentinen. Dafür wurden wir schon im Auto von einer wunderschönen, schneebedeckten Landschaft belohnt, ein Anblick, den man in Prag nicht bekommt. Endlich angekommen, spürte man sofort den Temperaturunterschied und die saubere Luft. Der Ort wirkt verschlafen, aber gemütlich. Bevor wir uns aber auf den Weg in die Stadt machten, hieß es erstmal Check-in im Hotel Perk. Das Wellnesshotel war lange unter dem Namn Hotel Grand bekannt, wurde aber nach umfangreichen Renovierungsarbeiten als Hotel Perk wiedereröffnet und ist auch heute noch unter den Schönbergern bekannt. Definitiv ein Ort, an dem es sich aushalten lässt.
Eine Kleinstadt am Rande des Adlergebirges
Die 25.000-Einwohner-Stadt in der Region Olmütz (Olomoucký kraj) liegt am Fluss der Desná am Fuße des Altvatergebirges (Jeseník) und ist besonders für Wintersport- und Wanderbegeisterte geeignet. Die Region gehört zum ehemaligen Sudetenland und war bis zur Vertreibung der Deutschen 1945/46 primär deutschsprachig. Spuren der deutschen Geschichte lassen sich jedoch bis heute in der Stadt finden. So wurde der Namensgeber für den Johnny-Klein-Preis, Hans “Johnny” Klein, 1931 in Mährisch Schönberg geboren und wuchs deutschsprachig auf. Seine alte Schule, welche sich praktischerweise direkt gegenüber dem Hotel Perk befindet, wird auch heute noch als Handelsakademie genutzt. Ebenfalls in der katholischen Klosterkirche Mariä Verkündigung, welche das erste Mal 1287 erwähnt wurde und nach einem Stadtbrand 1669 im Jahre 1686 barockisiert wurde, finden sich Plaketten und Schilder auf deutsch. Zudem befindet sich ein deutsch-tschechisches Begegnungszentrum (BGZ) in der Stadt, welches regelmäßig Veranstaltungen in deutscher Sprache organisiert.
Die Reise nach Mährisch Schönberg war nicht mein erster Ausflug nach Mähren, ich durfte schon einige Zeit sowohl in Brünn (Brno) als auch in Olmütz (Olomouc) verbringen. Jedoch sind das beides doch eher größere Städte, Brünn ist sogar die zweitgrößte Stadt Tschechiens, und ich war sehr gespannt, wie sich das Stadtbild und vielleicht auch die Menschen in der Kleinstadt von den größeren Städten unterscheiden.
Schönberg kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, das Dorf Schönberg (Šumperk) war um 1180 im Besitz des Zdeněk Ralsko von Waldstein, unter dessen Söhnen es zur Stadt erhoben wurde. Zum wirtschaftlichen Aufschwung kam es im 18. Jahrhundert durch das Leineweberhandwerk, aus dem sich später die Leinen- und Textilindustrie entwickelte. Im frühen 20. Jahrhundert erklärten sich Deutsche des Österreich-Ungarischen Kronrates als Deutschböhmen unabhängig, da sie die Gründung der Tschechoslowakei 1918 nicht akzeptierten, dies beinhaltete Mährisch Schönberg unter dem Namen Sudetenland.
Zwischen Barockgebäuden und Plattenbau
Das Erste, was mir auffiel, war die hübsche Innenstadt, es reihten sich verschiedene Restaurants und kleine Cafés in historischen Gebäuden einander und sogar eine schicke Bar entdeckten wir. Im Gegensatz zu Prag, wo man an jeder Straßenecke eine andere Bar findet, ist das natürlich eine magere Auswahl, erspart einem aber auch lange Diskussionen, wer warum wohin möchte. Am Abend spazierten wir dann etwas durch die Außenbezirke der Stadt und schnell merkte ich, dass die hübschen Barock- und Jugendstilgebäude nur das Zentrum schmücken. Nach kurzen fünf Minuten Fußweg bewegten wir uns fast ausschließlich zwischen Plattenbauten und die Stadt fühlte sich auf einmal nicht mehr so märchenhaft an wie noch vor einigen Stunden.
Nach dieser kurzen Entdeckungstour entschlossen wir uns, in die Bar zu gehen, welche wir früher am Morgen gesehen hatten. Mein Großstadtherz freute sich über die große Auswahl an Specialty-Cocktails, aber auch Bier und Wein konnte getrunken werden. Um uns herum ertönte ein fröhliches Samstagabendgeplauder auf Tschechisch, unterlegt von amerikanischer und britischer Popmusik. Den Rest des Abends verbrachten wir mit guten Gesprächen, Witzen und leckeren Cocktails, so wie Tausend andere Menschen in verschiedenen Teilen des Landes.
Am nächsten Morgen ging es dann auch schon wieder zurück in die Hauptstadt. Während der Fahrt über die schneebedeckten Berge dachte ich noch daran, wie schön es ist, auch andere Teile des Landes kennenzulernen und dass ich das nächste Mal unbedingt das Adlergebirge besuchen muss.
Ahoj všem! Ich bin Lena Pierskalla und absolviere für drei Monate ein Praktikum beim LandesEcho im Herzen von Prag. In den kommenden Monaten hoffe ich, die deutsche Minderheit in Tschechien besser kennenzulernen und die vielfältige Kultur der Landeshauptstadt zu entdecken. Ich selbst komme aus dem grünen Bielefeld (das gibt’s doch gar nicht!). Für mein Bachelorstudium verschlug es mich dann aber auf die andere Seite Deutschlands nach Leipzig. Dort fing ich an, Tschechisch zu lernen und während eines Auslandsjahrs an der Karls-Universität verliebte ich mich vollkommen in die goldene Stadt an der Moldau. Nun habe ich die Möglichkeit, meine Begeisterung für Tschechien mit meiner Liebe zum Schreiben zu verbinden. Ich interessiere mich vor allem für gesellschaftliche Themen, Politik und Kultur und freue mich, dass ich diese Themen den Leserinnen und Leser des LandesEchos näherbringen darf. Bis dahin, zatím!