Auf einem Hügel südlich der Prager Burg und auf der gegenüberliegenden Seite der Moldau liegt die „andere“ Prager Hochburg Vyšehrad. Unsere Landesbloggerin Elena kann dieses ruhige Fleckchen Prags nur wärmstens empfehlen.
Als ich bei einem Spaziergang zum ersten Mal die Festungsanlage betrat, kam es mir vor, als hätte ich Prag verlassen und wäre geradewegs in ein kleines Dorf gestolpert. Umschlossen von den historischen Ringmauern scheinen hier die Uhren langsamer zu schlagen. Die weitläufigen Parks und der einzigartige Ausblick auf Prag lassen ebenfalls den Trubel der Stadt verschwinden.
Entstehung und Überbleibsel
Der Vyšehrad wurde bereits im 11. Jahrhundert begründet, als Vratislav II., der erste König Böhmens aus dem Geschlecht der Přemysliden, seinen Herrschersitz von der Prager Burg hierher verlegte. In dieser Zeit entstand ebenfalls das Kollegiatkapitel St. Peter und Paul, welches zu einem wichtigen Bildungszentrum heranwuchs sowie die historische Sankt-Martins-Rotunde – die älteste Rotunde Prags.
Nachdem die Nachfahren des Königs ihren Wohnsitz nach rund 70 Jahren wieder auf die Prager Burg verlegten, verfiel der Vyšehrad zunehmend. Erst im 14. Jahrhundert unter Karl IV. sollte der Berg neues Ansehen erhalten, als der römische Kaiser sich auf das Herrschergeschlecht der Přemysliden berief und die Festungsanlage neu errichtete. Der Vyšehrad erhielt eine Anbindung an die Befestigung der Prager Neustadt und einen neunen Mauerring. Ebenfalls wurde in dieser Zeit ein neuer Palast errichtet und die Stiftskirche St. Peter und Paul zu einer dreischiffigen Kirche umkonstruiert.
Anschließend diente der Vyšehrad hauptsächlich als Priesterstadt, bis die Festung durch die Hussitenkriege fast vollständig zerstört wurde. Erst ein Jahrhundert später errichteten freie Handwerker die „Freistadt auf dem Berge Vyšehrad“ – vielleicht erweckt dieser Ort deshalb das Gefühl, nicht länger in Prag zu sein. Im 17. Jahrhundert wurde die mittlerweile wieder an das Kollegiat übergebene Anlage zu einer Barockfestung umgebaut. Seit 1883 ist Vyšehrad ein Stadtteil Prags und die Festung außer Betrieb. Heute ist die Anlage eine Gedenkstätte für rumreiche Zeiten der Geschichte Prags und als nationales Kulturdenkmal gekennzeichnet.
Insgesamt gibt es vier Tore in den Burgwällen des Vyšehrad. Durch das Leopolds-Tor gelangt man von der Metro-Station „Vyšehrad“ aus in die Festungsanlage. Foto: Elena Hormann
Die St.-Peter-und-Paul-Kirche
Seit ihrer Gründung als Kollegiatstiftskirche durch Vratislav II. hat die Kirche St. Peter und Paul (Kostel sv. Petra a Pavla) zahlreiche Erweiterungen und Umbauten durch romantische, hochgotische bis hin zu barocken Einflüssen erfahren. Ihre heutige Gestalt ist größtenteils auf die neogotische Umgestaltung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert zurückzuführen. Seit 1903 wurden keine Änderungen mehr vorgenommen.
Seit 2003 gilt die Kirche St. Peter und Paul als päpstliche „Basilika minor“, erhoben von Papst Johannes Paul II. Die beiden gotischen Kirchtürme, die schon aus weiter Ferne sichtbar sind, beherbergen ein Glockenspiel aus insgesamt 17 Glocken und vier weiteren großen Glocken. Zu jeder vollen Stunde zwischen 11.00-21.00 Uhr ertönt eine von 50 gespeicherten Melodien, die je nach Festlichkeit des Anlasses ausgewählt wird. Die Glocken spielen etwa die tschechische Nationalhymne, Volkslieder, Kirchenlieder, Weihnachtslieder oder Musikstücke wie Bedřich Smetanas „Vltava“ (Die Moldau).
Der Vyšehrader Friedhof
Der direkt neben der Kirche gelegene Vyšehrader Friedhof ist Ruhestätte für mehr als 600 namhafte tschechische Persönlichkeiten und gilt als der bedeutendste Friedhof Prags. Unter anderem haben hier der Komponist Bedřich Smetana oder der Nobelpreisträger Jaroslav Heyrovský ihre letzte Ruhe gefunden. Das Slavín-Denkmal aus den späten 1880er Jahren bildet das Herzstück des Friedhofs und erinnert an die ersten 15 Persönlichkeiten, die auf diesem Friedhof beigesetzt wurden.
Der Eingang des Vyšehrader Friedhofs von Seiten der Kirche St. Peter und Paul. Foto: Elena Hormann
Idyllische Parkanlagen
Hauptsächlich genieße ich einen Aufenthalt innerhalb der Vyšehrad Anlage wegen seiner weitläufigen Parks und Grünflächen. Die auf dem Gelände verstreuten architektonischen Schätze lassen sich bei einem Spaziergang durch die Parks bequem erkunden. Die Gedenkstätte ist für mich in meiner Zeit in Prag ein friedlicher Rückzugsort geworden, immer dann, wenn ich mich nach etwas Ruhe und Natur sehnte, ohne mich zu weit vom Zentrum zu entfernen.
Das Gelände ist frei zugänglich und besonders ab den frühen Abendstunden nahezu ausgestorben, was einen ungestörten Spaziergang ermöglicht. Es werden aber auch geführte Touren durch die Sehenswürdigkeiten angeboten, beispielsweise hinunter in die unterirdischen Kasematten, welche während der französischen Besatzung ausgehoben wurden und heute eine Skulptur-Galerie mit sechs Originalen von der Karlsbrücke beherbergt. Die „unbekanntere“ Prager Burg vereint Natur mit einem Schauplatz wahrer tschechischer Geschichte und ist damit für mich ein echter Geheimtipp in Prag.
Aussicht vom östlichen Burgwall. Foto: Elena Hormann
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Dobrý den an alle Leserinnen und Leser,
mein Name ist Elena Hormann und ich darf die Redaktion des LandesEcho von Anfang Oktober bis zum Jahresende unterstützen. Als Bachelorabsolventin der Germanistik schlägt mein Herz besonders für Literatur und Wörter im Allgemeinen. Darüber hinaus beschäftige ich mich gerne mit Kunst und Fotografie. Ich sehe meine Zeit beim LandesEcho als einmalige Gelegenheit, um vertiefende Einblicke in den Journalismus zu erhalten und praktische Erfahrungen zu sammeln. Darüber hinaus bin ich gespannt darauf, die Stadt in den nächsten Monaten auch fernab des Tourismus zu erkunden und mehr über die deutsch-tschechischen Verbindungen und die Kultur des Landes zu erfahren. Die Erlebnisse meines ersten Aufenthalts in der tschechischen Metropole werde ich unter anderem im „LandesBlog“ verarbeiten. Ich freue mich auf alle Herausforderungen und unerzählten Geschichten, die die Stadt für mich bereithält.