Ein frisch gezapftes Bier in Gesellschaft guter Freunde – nicht nur für die meisten Tschechinnen und Tschechen zurzeit der sehnlichste Wunsch. Foto: Pilsner Urquell

Am Montag dürfen in Tschechien erstmals seit fast fünf Monaten die Gaststätten öffnen. Allerdings nur draußen. Aber auf Terassen und in Biergärten wird dann wieder ausgeschenkt. Unsere Kolumnistin sehnt das wie viele endlich herbei.

Der Gartenzwerg der Kneipe „Zur Chefin“ in meinem Pilsener Wohnviertel hält unbeirrt die Stellung. Das ist die gute Nachricht. Noch immer beteuert Jarmila, die Chefin: „Ich freue mich auf euch“ auf der schwarzen Tafel  neben dem Schaufenster. Darunter das Wort: „Wann“ mit drei Fragezeichen.  Geschrieben vor über drei Monaten. Das ist die schlechte Nachricht. Kein Wunder, dass inzwischen die Kreideschrift verwischt ist. Trübselig streckt der Gartenzwerg  hinter der Scheibe Passanten die Zunge raus.

Bar auf dem Fenstersims

Trotzdem tut sich wieder was in meiner Straße. Das liegt am Wegfall der Ausgangssperre, dem Impffortschritt und dem Wetter. Mein Nachbar Honza, der als starker Raucher alle zehn Minuten mit einer Zigarette vor der Haustür zu finden ist, ist zum Beispiel geimpft worden. Seitdem trägt er die medizinische Maske betont lässig unter dem Kinn. Er hat sich mit einem neu zugezogenen Paar angefreundet, das seine zwei kleinen Kinder, blass nach den langen Wintermonaten zu Hause, nach Feierabend auf der Straße spielen lässt. Unter Aufsicht selbstverständlich. Neuerdings hat die kleine Gruppe die Straßenseite gewechselt und plauscht mit weiteren Nachbarn aus dem Haus gegenüber. Vielleicht deshalb, weil man auf ihrem Fenstersims  bequem Biergläser oder -flaschen oder auch Aschenbecher abstellen kann. Auf diese Weise ist eine Art Freiluft-Stammtisch entstanden, der die üblichen Themen beackert (Wetter, Politik, wer mit wem?). Da der Gartenzwerg nichts ausschenken kann, muss man sich eben anders behelfen.

Gartenzwerg Franck web

Der Gartenzwerg hält zwar die Stellung, die Tür zu seiner Kneipe ist jedoch weiter zu. Foto: Beate Franck

Ich selbst habe inzwischen mein Fahrrad aus dem Winterschlaf geholt. Es gilt in Pilsen als „deutsches Modell“, weshalb sich die einheimischen Fahrradwerkstätten zu einer Reparatur außerstande sehen. Ich habe deshalb gelernt, mein Fahrrad in meiner Küche auseinander zu legen, mit Hilfe eines Schraubenziehers und einer Nagelfeile. Dann bringe ich zum Beispiel meinen Hinterreifen, der öfter mal platt ist, als Einzelstück in die Werkstatt. Den Schlauch zu wechseln ist dann kein Problem mehr.

In Pilsen erfüllen sich häufig Wünsche

Mit dem frisch aufgepumpten Rad bin ich in einen anderen Stadtteil gefahren, mein zweites Lieblingsviertel in Pilsen. Es war herrliches Wetter, die Sonne brannte schon. Wie schön wäre es jetzt, in einem Biergarten Rast zu machen! Allerdings sind noch sämtliche Restaurants samt Außenbereich geschlossen. In Pilsen erfüllen sich jedoch häufig Wünsche, besonders solche, die man nicht dem Glücksengel am Gitter der Bartholomäus-Kathedrale auf dem Platz der Republik vorträgt. Der mag sie nämlich nur in komplizierten Ausnahmefällen erfüllen.

Nein, manchmal erfüllen sich Wünsche einfach so.  Als ich so dahin radelte, sah ich auf der anderen Seite der Straße Menschen mit Biergläsern in der Hand in der Sonne stehen. Eine Kneipe hatte dort ein Verkaufsfenster geöffnet, seine Chefin reichte kühles Schankbier hinaus. Zur Freude der gesamten Nachbarschaft und meiner auch. Zwei Herren der Schöpfung ließen sich sogar mit dem Taxi vorfahren und stiegen aus, den eigenen Bierkrug füllbereit in der Hand.

Verfrühter Biergarten

Manche Biergärten hatten also auf diese Weise schon vor der offiziellen Eröffnung der gastronomischen Außenbereiche am Montag geöffnet, auch wenn niemand auf den Bänken saß. Das ist den Reportern des Pilsener Lokalblattes aufgefallen. Es hat sogleich eine Fotoserie mit Schnappschüssen „aus der Umgebung von geöffneten Verkaufsfenstern und Wirtshaus-Biergärten“ auf seiner Webseite veröffentlicht. Vielleicht, um Polizei wie inkognito ermittelnden städtischen Kontrolleuren die Arbeit zu erleichtern. Die Polizei konnte nämlich bislang eine derartige Umgehung der Vorschriften gleich vor Ort mit Geldstrafen von bis zu 10.000 Kronen ahnden.

Rückendeckung erhalten die nach Gerstensaft und Gesellschaft dürstenden Pilsner indes von ihrer Hausbrauerei. Bei zwei Dritteln der Tschechen sei ein Treffen mit Freunden mit einem frisch gezapften Bier in der Lieblingskneipe derzeit der sehnlichste Wunsch, bekräftigt Handelsdirektor Tomáš Mráz von der Urquell-Brauerei in einer Anzeige. Für sie sei nicht nur das Bier allein wichtig, sondern auch die gesamte Atmosphäre, die man im Wirtshaus erlebe. Der Applaus sämtlicher Stammtische ist ihm da gewiss.

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