Das Ende Prags im Radsattel. Am Stadtrand klappt es mit den Radwegen schon sehr gut. Foto: Mathis Brinkmann

Als begeisterter Rennrad-Fahrer schreibt sich unser Landesblogger zum Abschluss seines siebenmonatigen Prag-Aufenthaltes den (Rad-)Frust von der Seele. Doch trotz Kopfsteinpflaster und Tram-Schienen: Mit der richtigen Taktik lässt sich Prag auch auf zwei Rädern erkunden.

Corona hat uns zu Altbewährten zurückgebracht. Zumindest was die Fortbewegung angeht. Seit Ausbruch der Pandemie sind alle auf einmal zu Spaziergängern geworden und schwingen sich freiwillig aufs Rad, um zur Teststation, zum Supermarkt oder einfach mal raus aus den eigenen vier Wänden zu kommen. In manchen europäischen Großstädten hat man diesen Trend erkannt und beispielsweise Pop-Up-Radwege aus dem Boden gestampft, um der gestiegenen Nachfrage auch ein passendes Angebot zu bieten. In Prag sucht man solche Maßnahmen jedoch vergebens. Gut, seit Anfang März darf die Stadt gerichtlich bestätigt Beer-Bikes in der Innenstadt verbieten. Das dürfte so manchen Anwohner, der noch nicht dem AirBnB-Markt zum Opfer wurde, freuen. Schließlich sorgen die Gefährte gleich in doppelter Weise für einen erhöhten Pegel: bei Lärm und bei Alkohol. Das erleichtert den Prager Rad-Verkehr aber eher weniger.

Prag und seine Radfahrer – das ist keine Liebesgeschichte: Kopfsteinpflaster-Ritzen und Straßenbahn-Gleise werden zum Endgegner für manchen dünnen Fahrrad-Reifen, ungeduldige Autofahrer drängeln auf engen Straßen, plötzlich hört der Radweg auf. Ganz zu schweigen von den Prager Hügeln, die man erst zu bemerken scheint, wenn man sie einmal durch eigene Pedalkraft erstrampeln musste. Kurzum: Wer sein Fahrrad liebt, der fährt es eher selten in Prag. Das zeigen auch Untersuchungen zu dem Thema: Im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten ist die Zahl der Fahrradfahrer verschwindend gering. Dafür steigen die Pragerinnen und Prager rekordverdächtig oft in ihr Auto, um von A nach B zu kommen. Wer kann es ihnen verübeln?

Von Kolumbien lernen

Zu sagen, die Tschechen würden ihre Zweiräder nicht lieben, wäre aber auch falsch. Das Gegenteil ist der Fall: Am Wochenende zieht es die Menschen förmlich auf den Sattel, bloß nicht in der Stadt. Deswegen sieht man an Wochenenden so manchen Nachbarn sein Auto-Dach mit den Fahrrädern der restlichen Familienmitglieder bespannen – Fahrräder gelten also mehr als Freizeitvergnügen denn als tägliches Fortbewegungsmittel. Und auch für die begeisterten Rennrädler gilt das Motto „Je weiter entfernt vom Zentrum, desto besser“. Denn nur so kann man dem Kopfsteinpflaster entkommen und findet teilweise wunderbare Fahrradwege. Wie die „Hauptader des Fahrradverkehrs“ in Prag, die A2. Sie führt entlang der Moldau einmal vom Norden der Stadt bis in den Süden und ist – bis auf einen Abschnitt im Zentrum (na klar) – durchweg gut befahrbar. Erst kürzlich wurde ein weiterer Abschnitt im Süden kurz vor Wran (Vrané nad Vltavou) fertiggestellt.

Radweg A2 Süden Prags Rennrad Baustelle Prag Bildrechte Mathis Brinkmann

Gut fürs Rennrad – im Süden Prags wurde kürzlich ein weiterer Abschnitt des zentralen Radwegs A2 fertiggestellt. Foto: Mathis Brinkmann

Nicht alles am Prager Fahrrad-Netz ist schlecht. Die gelbfarbenen Schilder sind im Straßenverkehr meistens gut zu erkennen und auch vielfach vorhanden. Über 100 Kilometer ist das Netz inzwischen lang. Das ist gut, aber immer noch zu wenig. Zum Vergleich: In einer der Fahrradhauptstädte Europas in Kopenhagen sind es viermal so viele Kilometer Fahrradweg – und das obwohl die dänische Hauptstadt weniger als die Hälfte der Einwohner Prags hat. In Tschechien könnte man sich also fahrradpolitisch an anderen Großstädten Europas und der Welt ein Beispiel nehmen, wie an Bogotá in Kolumbien. Dort sind laut der spanischen Zeitung El País aufgrund der Pandemie in den letzten Monaten 80 Kilometer neue Fahrradwege entstanden. Ähnlich sieht es in Madrid, Berlin und Paris aus.

Mountainbikes in der Innenstadt

Bis es so weit ist, muss man sich in Prag eben mit anderen Mitteln behelfen. Wunderbar lässt sich nämlich der Fahrrad-Ausflug mit anderen Transportmitteln kombinieren. In der Metro etwa lässt sich das Zweirad kostenlos in gekennzeichneten Bereichen (meist im hinteren Teil eines Wagens) mitnehmen. So kann man bis zur Endstation fahren, umgeht das Kopfsteinpflaster und erweitert gleich seinen Radius zum Entdecken um das Prager Umland. Und für diejenigen, die trotzdem gerne in der Innenstadt fahren wollen: Kauft euch ein Mountainbike. Die Reifen verfangen sich nicht in den Kopfsteinpflaster-Ritzen der Altstadt, abseits von Asphalt ist man problemlos unterwegs und die Prager Hügel, naja, dafür sind Mountainbikes ja ursprünglich geschaffen worden.

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