Neben böhmischem Bier und einem Besuch der Karlsbrücke gehört für unseren Autor zu einem Wochenende in Prag vor allem ein Streifzug durch die Prager Fußball-Landschaft.
London, die Hauptstadt des so genannten Fußball-Mutterlandes England gilt ja gemeinhin als die Stadt mit den meisten hochklassigen Fußballvereinen. Derzeit sind es in der ersten Liga sieben, in der zweiten noch fünf Vereine. Vergleichbar mit London sind in Europa nur noch die Zentren des Donaufußballs, also die alten Hauptstädte der alten k.u.k.-Monarchie Wien, Budapest und Prag. Was man sich heute kaum noch vorstellen kann, traf für den Zeitraum zwischen den Kriegen durchaus zu: Dieser technisch feine Fußball dominierte Europa. Die Grundlagen dafür lagen auch in der Einführung des Profitums in den 20er Jahren. Nach England und Österreich war die Tschechoslowakei das dritte Land in Europa, dass eine Profiliga einführte. Während Wien noch bis in die 60er Jahre vier Großvereine hatte – First Vienna, Sportclub, Austria und Rapid – spielen heute nur noch die beiden letztgenannten oben mit. In Prag dagegen halten sich derzeit drei Vereine oben: Slavia, Sparta und Bohemians. In der zweiten Liga sind es nochmals drei: Dukla, Viktoria Žižkov und Slavoj Vyšehrad. Noch vor ein paar Jahren gab es sogar fünf Erstligamannschaften, als Žižkov und Dukla auch im Oberhaus mitwirken durften.
Im Sommer 2019 aber stieg Dukla ab. Das Stadion Juliska in Prag 6 ist die schmucke Heimstatt von Dukla seit 1960. Man erreicht es von der Metrostation Hradčanská mit dem Bus 131. Es geht steil bergan, die Haupttribüne liegt am Hang. Von dieser riesigen Tribüne, deren Blick nach Osten geht, hat man einen schönen Blick bis nach Holeschowitz. Rechts kann man von den oberen Rängen die Türme des Veitsdomes sehen. Immobilienmenschen würden von einer Bestlage sprechen. Aus fußballerischer Sicht stimmt das nicht ganz: Denn das Stadion ist eine Leichtathletikarena, das Feld also ziemlich weit weg. Die Anlage gehört der Armee, so wie Dukla ja ein Armeeklub war. Nach dem Krieg nach sowjetischem Vorbild gegründet, dominierte Dukla die tschechoslowakische Liga vor allem Ende der 50er und Anfang der 60er Jahre. Insgesamt elfmal war man Meister, achtmal Pokalsieger. Und der größte tschechische Fußballer aller Zeiten, Josef Masopust, wirkte eben hier. Ein kleines Denkmal von ihm ist ein beliebtes Fotomotiv am Eingang zum Stadion. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus sah es schlecht aus, der Klub wurde nach Pribram verkauft. Und erst in den Nuller Jahren kam er auf Umwegen zurück. Das aber führt hier zu weit. Sollte Dukla wieder aufsteigen, wird diese Geschichte gern erzählt.
Das Dukla des Jahres 2019 ist eine eher flaue Angelegenheit. Immerhin spielen sie um den direkten Wiederaufstieg mit. Aber atmosphärisch war Dukla schon immer schwach. Es hat kaum Anhänger. Selbst in der ersten Liga gab es Spiele mit weniger als 1000 Zuschauern. Auch dies gründet natürlich in der Geschichte, denn Dukla war ein von der Obrigkeit befohlener Retortenklub. Die Prager aber hatten ihre Herzen längst den alten Vereinen geschenkt. Und so was kriegt man mit der Muttermilch, die erste Prägung bleibt lebenslänglich.
Dennoch gehören die Besuche des Juliska zu einem Prager Wochenende wie die Karlsbrücke und das gute böhmische Bier. Apropos: Bei Dukla gibt es manchmal sogar jenes aus Aunjetitz (Unětice), eines der besten Biere derzeit. Eine kleine Brauerei, eher Handwerk, als Industrie. Aunjetitz ist ein kleines Dorf nördlich von Prag, vom Siegesplatz fährt ein Bus hinaus. Die dortige Braugaststätte ist ebenfalls eine Empfehlung.
Ein Vorteil der 2. tschechischen Liga ist die für andere Europäer ungewöhnliche Anstoßzeit von 10.15 Uhr. Samstags wie sonntags! Denn das heißt: Nach dem Match begibt man sich gewöhnlich zum Mittagessen. Bei Dukla zum Beispiel nimmt man den 131er Bus eine Station bergauf weiter nach U Matěje. Wahlweise kann man das auch laufen, man saß ja schließlich grade lang genug. Dort hat in diesem Sommer die Gastwirtschaft U Matěje eröffnet, gleich hinter dem hässlichen Albert-Supermarkt an der Haltestelle, U Matěje 1. Hier kocht ein Könner! Der Mann heißt Jan Punčochář und seine Restaurants bekamen regelmäßig Michelin-Sterne. Zwar ist das Preisniveau für tschechische Verhältnisse relativ hoch, aber man bekommt dafür Spitzenhandwerk! Das Pilsner Urquell vom Tank ist wie überall gut, aber eben auch etwas langweilig. Das Essen aber ist großartig. Hier habe ich schon so manche Stunde verbracht. Und wenn man dann um 15.00 Uhr Anstoß im Ďolíček hat: Dies hier ist die ideale Überbrückung!
Der Autor ist Herausgeber des Leipziger Stadtmagazins Kreuzer.