Man muss es ein Desaster nennen! Der 15. August wird als der Tag der europäischen Katastrophe in die Geschichte des tschechischen Fußballs eingehen.

An einem einzigen Abend endeten gleich drei tschechische Europaträume: Sparta unterlag Trabzonspor aus der Türkei, der FC Jungbunzlau fing in der Nachspielzeit das 0:1 gegen Steaua Bukarest und die wackeren Pilsner, die schon wie die Sieger aussahen nach dem 2:0 in der Verlängerung, mussten dann aber sechs Minuten vor Abpfiff das tödliche Auswärtsgegentor hinnehmen, das Royal Antwerpen in die nächste Runde brachte. Der FC Gablonz war schon eine Runde zuvor ziemlich überraschend an Pjunik Jerewan gescheitert. Allein Slavia hat noch die Chance auf die Gruppenphase der Champions League. Nach dem 1:0 beim rumänischen CFR Klausenburg ist noch alles möglich. Das ändert aber grundsätzlich nichts an dem katastrophalen Gesamtbild. Vielleicht war es doch nicht die beste Idee, die Saison schon am 12. Julei zu eröffnen? Der Gedanke, dass die Kollektive dadurch schon einigermaßen eingespielt sind für die sommerlichen Qualifikationen, lag ja nahe und schien erstmal gar nicht abwegig. Aber nur sechs Wochen Pause, für die von der Relegation betroffenen Mannschaften noch weniger: Das ist wohl doch zu wenig. Wenn dann noch Teilnahmen der Nationalmannschaft an großen Turnieren winken, wird es erst recht zu eng. Der Verband sollte darauf reagieren.

Das Känguru, auf Tschechisch Klokan, das Wappentier der Bohemians. Zeichnung: Jiří Bernard

Und was machen die Klokany? Sie sind rasant in die neue Saison gestartet! Daheim nach drei Spielen ungeschlagen bei zwei Siegen mit jeweils drei selbst geschossenen Toren! Wann hat es das zuletzt gegeben? Und selbst das 0:0 gegen Pilsen war eins der unterhaltsameren Sorte mit guten eigenen Chancen. Am Ende ein gerechtes Remis und wer hätte unter uns Klokanys gegen Pilsen einen Punkt erwartet? Dabei sah es zum Ende der letzten Saison noch ganz anders aus. Nur mit Schrecken erinnern wir uns an den letzten Spieltag der Abstiegsrunde. Es war der 25. Mai, ein heißer Samstag, wir empfingen den Schlesischen FC Troppau und brauchten mindestens einen Punkt, um die Relegation gegen Brünn zu vermeiden. Und was passiert? Der Gast geht Anfang der 2. Halbzeit in Führung, das Spiel ein von Nervosität überlagerter Grottenkick, aber wir sind ja Leid gewöhnt. Und als sich alle schon mit dem Unvermeidlichen abgefunden hatten, kam es in der 4. Minute der Nachspielzeit zu einer Art Auferstehung: Josef Jindřišek, unser großartiger 38-jähriger Mittelfeldregisseur und Kapitän, setzte sich halblinks durch und vollendete wuchtig ins lange Eck. Was für eine Freude! Die Erlösung! Unbeschreiblicher Jubel legte sich übers Ďolíček. Es ist daher überhaupt nicht überraschend, dass unsere Ultras einen sehr schönen Sticker herstellten: Neben dem Bildnis unseres Pepa vor der Prager Burg steht der Slogan: Pepa na hrad! Recht haben sie mit dieser weltlichen Heiligsprechung! Noch nie sah ich so viele vor Glück weinende alte Männer, wie an jenem Abend im Tollhaus Ďolíček! Obwohl, das stimmt nicht: Als Union Berlin im Olympiastadion das Berliner Derby gegen Hertha gewonnen hatte, waren es noch mehr. Das war vor ein paar Jahren in der 2. Liga. Um so schöner, dass es dieses Derby nun erstmals in der ersten Bundesliga geben wird! Und außerdem lag das vor allem daran, dass das Berliner Olympiastadion 75 000 Zuschauer fasst, das Ďolíček aber nur 5000. Ab dieser Saison sind es wieder 6300 – es geht voran!

Apropos Derby: Nur noch drei Prager Mannschaften zieren die erste tschechische Liga! Das gab es lange nicht. Nach Žižkov hat es dieses Jahr auch Dukla erwischt. Und, siehe oben, fast wären nur noch Sparta und Slavia übrig geblieben! Křetinsky gegen die Volksrepublik China, wie langweilig!* Das Wirschowitzer Derby, das so genannte V-Derby, ist doch viel aufregender! Am 24.08. im Eden ist es wieder soweit!

 

*Sparta Prag gehört dem Unternehmer Daniel Křetinský und Slavia Prag einem chinesischen Staatskonzern.

Egbert Pietsch ist Herausgeber des Leipziger Stadtmagazins „Kreuzer“ und schreibt im LandesEcho seine regelmäßige Kolumne „Im Zeichen des Kängurus“.


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