Die Einweihung des neuen Altars der Kirche Mariä Himmelfahrt und das Konzert der Königgrätzer (Hradec Králové) Philharmonie und des Spiritual-Quintetts sorgten vom 13. bis 14. August erneut für einen Zustrom der Pilger. Denn obwohl die Ortschaft Bärnwald hinter dem Adlergebirgskamm liegt, damit nicht einfach erreichbar ist und sich zusätzlich in einem Handysignalloch befindet, sind dieses Jahr fast zweitausend Besucher gekommen.
Das Mariä Himmelfahrtsfest in Bärnwald (Neratov) ist ein traditioneller Wallfahrtstermin für viele tschechische und internationale Pilger. Denn die Gemeinde im Tal der oberen Wilden Adler ist ein landesweit bekannter Wallfahrtsort. Der Sage nach ließ Blasius Bricke, Pfarrer von Rokitnitz 1661 nach einem Traum eine Gnadenstatuette der Heiligen Jungfrau Maria schnitzen. Nachdem diese nach Bärnwald gebracht wurde, schrieb man ihr und dem heilenden Wasser der Quelle im Ort viele Genesungen zu. Es entstand ein kleines Bad und immer mehr Pilger begannen, in den Ort zu kommen.
Voriges Jahr hatte es mich gestört, dass man die böhmische Tracht aus der Dobruška-Gegend für eine Adlergebirgische gehalten hat. Dieses Jahr konnten wir dem, dank der finanziellen Unterstützung der Landesversammlung, entgegen wirken. Die Ortsgruppe Rokinitz des Mährisch-Schönberger Vereins der Deutschen (Šumperk) besitzt mehrere Trachtensätze. Einen davon liehen wir aus. Ein schönes Mädchen damit eingekleidet, mieteten wir einen Stand, um das Buch „Die Geschichte von Neratov (Bärnwald)“ vorzustellen und Werbematerialien zu verteilen. Am Sonnabend, oder wie ein Adlergebirgler gesagt hätte „Sennowert“ ging es los. Hätte ich nur gewusst, was auf uns zukommen würde.
Diesmal wurde die Tracht zwar nicht mit einer böhmischen verwechselt, dafür von einem jungen Mädchen mit einer bayerischen Tracht. „Nein. Diese hatten die hiesigen Deutschen getragen. Sie ist eher mit der braunauer oder tesstaler Tracht verwandt. Bayern ist doch mehr als 500 Kilometer von hier“, versuchte ich zu erklären. „Was, Deutsche? Gab es hier viele?“, fragte sie zurück.
Tatsächlich wurde Bärnwald, als es Mitte des 16. Jahrhunderts gegründet wurde, ausschließlich mit Deutschen besiedelt. Erst als diese nach Ende des zweiten Weltkrieges vertrieben wurden, entwickelte sich der Ort zum heutigen Erholungsort für viele Tschechen. „Es gab in Bärnwald nur Deutsche“, erklärte ich ihr deshalb.
Einer der Gründe, warum sich Bärnwald nach der Samtenen Revolution wieder zu einem bekannten Wallfahrtsort entwickelte, ist die Kirche Mariä Himmelfahrt. Der Grundstein für den barocken Bau wurde, nach dem stetig zuwachsenden Zustrom von Pilgern, im Jahr 1723 gelegt. Nach der Fertigstellung wurde Bärnwald endgültig zu einem bedeutenden Wallfahrtsziel. Das Einzigartige an der Kirche: sie ist in Nord-Süd-Ausrichtung gebaut. Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie von der Roten Armee zerstört und brannte aus. Die Ruine verfiel zusehends in den Jahren danach. Erst nach der Wende begann der Wiederaufbau durch finanzielle Unterstützung aus Deutschland.
Den ganzen Nachmittag wurden wir von Hausbesitzern, Pilgern und Touristen mit Fragen über die Bärnwalder Geschichte bestürmt. „Bis wann gehörte Glatz (heute: Kłodzko) zur böhmischen Krone?“, oder „Was ist das für eine einsame Kirche drei Kilometer vor Bärnwald?“ Es blieb kaum Zeit zum Essen.
Während der Mittagszeit erschien eine sichtlich erschöpfte Radfahrerin am Stand und erzählte, sie sei auf ihrer Tour im viel tiefer gelegenen Grulich (Králíky) gestartet. „Ich möchte das Buch für meine Schwester kaufen.“ Auf meine Frage, wohin ihre Tour denn gehe, erwiderte sie, sie sei ins 80 Kilometer entfernte Chrudim unterwegs. „Und Sie schleppen das im Rucksack bis nach Chrudim?“, war meine schockierte Reaktion. „Umso mehr wird sie das Geschenk schätzen“, antworte sie darauf. Eine überraschende und ungewöhnliche Wertschätzung meiner Literatur.
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