Zweimal Endstation seit 75 Jahren: Moldau (Moldava) und Holzhau. Zwischen den beiden Stationen klaff t eine rund acht Kilometer lange Lücke des einstigen Schienenweges. Die Gleisenden sind mit roter Halt-Tafel markiert Foto: Jürgen Barteld

Zum Abschluss unserer Serie wagen wir einen Blick voraus – welche Lücken könnten sich noch schließen, welche werden vielleicht sogar neu aufgerissen? Unsere Lückenschluss-Autoren kommentieren aktuelle Entwicklungen.

17 Eisenbahn-Grenzübergänge haben wir in unserer Serie „Lückenschluss“ besucht. Dazu gehörten dem regionalen Verkehr dienende, wie Breitenbach (Potůčky) – Johanngeorgenstadt, und solche mit internationaler Bedeutung, wie Taus (Domažlice) – Furth im Wald. Über Jahrzehnte ruhte der Schienenverkehr zwischen Niedereinsiedel (Dolní Poustevna) und Sebnitz. Und bis heute sind die rund acht Kilometer Bahntrasse von Moldau (Moldava) nach Holzhau oben am Erzgebirgskamm bloßer Wanderweg bzw. Ski-Loipe. Allesamt haben die böhmisch-deutschen Passagen ihre eigene, ganz besondere Geschichte. Daran erinnern etwa die 150 Meter lange Böhmerwald-Südbahn (Pošumavská jižní dráha) am Grenzübergang Neuthal (Nové Údolí ) – Haidmühle oder der wiederbelebte Gemeinschaftsbahnhof Železna Ruda/Alžbětin-Bayerisch Eisenstein.

In Fahrt: Tunnelbahn Dresden – Prag

Die Neubaustrecke durch das Osterzgebirge, das bedeutendste Zukunftsprojekt im deutsch-tschechischen Schienenverkehr, soll die wichtige Nord-Süd-Magistrale am Grenzübergang im Elbtal, Dresden – Bad Schandau – Děčín – Prag entlasten und die Fahrzeiten deutlich reduzieren. Diese wird derzeit von der Deutschen Bahn und dem Betreiber der tschechischen Eisenbahninfrastruktur „Správa železnic“ gemeinsam geplant. Von Dresden kommende Güter- und Fernzüge nehmen künftig nahe Heidenau ihren Laufweg auf der neuen Trasse, tauchen in die unterirdische Röhre ein, die dann mit knapp 26 Kilometern einer der längsten Tunnel Deutschlands und Tschechiens werden könnte. Das Tageslicht erscheint unweit Teplitz (Teplice) wieder, bevor wenig später der neu zu errichtende Hauptbahnhof von Aussig (Ústí nad Labem) erreicht wird. Während es schon auf diesem Abschnitt mit bis zu 200 Kilometer pro Stunde im wahrsten Sinne des Wortes zügig vorangeht, soll sich weiter in Richtung Prag eine echte Hochgeschwindigkeitsstrecke für bis zu 350 Kilometer pro Stunde schnelle Züge anschließen. Von Dresden nach Prag in unter einer Stunde ist das Ziel. Derzeit benötigt man auf der Schiene noch rund zweieinhalb Stunden. Ob es allerdings wirklich sinnvoll ist, in Zeiten von Klimawandel und Energiewende auf solch hohe und damit energieintensive Geschwindigkeiten zu setzen, sei dahingestellt. Fraglich bleibt auch das Datum der Inbetriebnahme der neuen Verbindung: Bereits jetzt bringen sich allerorts Initiativen gegen die neue Strecke in Position. Jede einzelne Planungsphase wird damit von langwierigen Streitigkeiten begleitet werden, die wohl eine Fertigstellung in weite Ferne rücken und die Kosten explodieren lassen. Dass das Elbtal aber nicht bis 2040 oder gar 2050 auf eine Entlastung warten kann, bleibt außen vor.

Gebotenes und Geträumtes

Zwei weitere Großprojekte mit Lückenschlussfunktion werden aktuell von tschechischer Seite vorangetrieben: eine zeitgemäße Verbindung des Industriezentrums um Reichenberg (Liberec) mit der tschechischen Hauptstadt sowie eine Schnellstrecke Prag – München.

Ersteres, ein in großen Teilen als Neubaustrecke projektiertes Vorhaben, soll in nördliche Richtung gen Görlitz fortgeführt werden, um dort dereinst den Anschluss an die geplante deutsche ICE-Verbindung nach Berlin herzustellen. Bis es soweit sein könnte, wird sicher noch viel Wasser die Neiße herabfließen. In der Zittauer Region träumt man bereits von einer Neubaustrecke parallel zum Neißetal, eine mehrfach die deutsch-polnische Grenze querende Strecke sei im Gegensatz dazu nicht ausbaufähig. Dass eine Neubautrasse durch den bergigen südlichen Kreis Görlitz vom Aufwand her aber in keinem Verhältnis zum Nutzen steht, wird dabei gern übersehen. Am Ende könnte Zittau mit leeren Händen dastehen, wenn womöglich die direkte Bahnverbindung zwischen Zittau und Görlitz über Friedland (Frýdlant) und Zawidów (Seidenberg, Polen) wiederbelebt werden sollte.

Aber nicht nur in Ostsachsen, sondern auch in der Further Senke droht dem deutschen Eisenbahnwesen eine Peinlichkeit. Für die rund 440 Kilometer zwischen München und Prag benötigt man derzeit per Bahn knapp sechs Stunden, das Auto schafft die Strecke in zwei Stunden weniger. Selbst die Deutsche Bahn kapitulierte angesichts dieses Reisezeitnachteils und stellte den Fernverkehr zwischen der tschechischen und der bayerischen Hauptstadt ein. Der private, aber mit Mitteln des Freistaats Bayern bezuschusste „Länderbahn-ALEX“ übernahm 2007 und stellt bis heute eine durchgehende höherwertige Bahnverbindung sicher. Schneller wurde der Zug aber nur in Tschechien, zunächst zwischen Prag und Pilsen (Plzeň), inzwischen läuft der Ausbau – der in Teilen einem Neubau gleichkommt – weiter in Richtung Taus (Domažlice). Und in Bayern? Außer Lippenbekenntnissen tut sich wenig. Selbst eine Elektrifizierung scheint noch in weiter Ferne, sodass die angestrebte und bei weitem nicht ambitionierte Fahrtzeit von vier Stunden und 15 Minuten noch sehr lange ein Traum der Bahnbefürworter bleiben wird. Sieger im Wettstreit der Verkehrsträger ist auch hier die Straße.

„Bitte einsteigen“

Eines bleibt: Auch wenn die große Zeit der Eisenbahn als feste Verbindung zwischen Böhmen und Sachsen sowie Bayern lange vergangen scheint, so schafft sie es auch heute, die Bewohner der Länder auf angenehm-entspannte Weise zusammenzubringen – sei es beim gemeinsamen Bier im Speisewagen des Eurocity zwischen Prag und Dresden oder im Ausflugszug über die Höhen des Erzgebirges. So funktioniert der Lückenschluss. Ob es diesen aber zwischen Moldau (Moldava) und Holzhau – Ausgangspunkt und Fragestellung unserer Serie – real per Schiene (wieder) geben wird? Mit Blick auf die von deutscher Seite quantitativ heruntergefahrenen Verkehre der benachbarten sächsischen grenzüberschreitenden Linien, sowie auf das anhaltende Zögern und Blockieren des Freitstaates Sachsen beim gebotenen Reaktiveren von Strecken, wäre ein Erfolg der lokalen Streiter für den Neuaufbau des Gleises von und nach Holzhau ein Wunder. Also, liebe deutsche Leser: Wandern Sie rüber nach Moldau und steigen Sie in den Zug, der hinunter nach Brüx (Most) führt! Einfach faszinierend, diese Gebirgsbahn, die ganz zu Recht vom tschechischen Staat denkmalgeschützt erhalten wird.


 Dieser Beitrag erschien im LandesEcho 6/2021.

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