Als Maßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Tschechien beschloss die Regierung vor knapp zwei Wochen eine Mundschutzpflicht in der Öffentlichkeit. Da es Schutzmasken aber nirgends zu kaufen gibt, griffen Tschechen in einer Welle der Solidarität selbst zu den Nähmaschinen, so auch in Reichenberg.

Alte Unterhosen, Nachthemden oder Staubsaugerbeutel. Das alles findet Verwendung bei der Schutzmaskenproduktion, die Tschechen in ihren Haushalten gestartetet haben.  Der erste Impuls kam vom Bezirk Liberec. Wegen des Mangels an Schutzmitteln, der bis heute herrscht, appellierte der Bezirkshauptmann Martin Půta an Freiwillige. Die Welle der Solidarität mit ungeschütztem Personal im Gesundheitswesen, Fahrern im ÖPNV oder Kassierern war stark.

Seit 19. März ist das Tragen eines Mundschutzes in Tschechien Pflicht. In der Reichenberger Region galt die Maßnahme schon zuvor. Es darf aber improvisiert werden, auch daher blieben Textilläden, die Stoffe verkaufen, von den angeordneten Geschäftsschließungen ausgenommen. „Benutzen Sie einen Mundschutz, einen Schal oder ein Tuch, besser etwas als nichts“, betonte der Hauptmann Martin Půta.

Die erste Werkstatt zur Maskenproduktion wurde an der Gewerbeschule für Textil in Reichenberg gegründet. Sechzehn Pädagogen und Schüler besorgten sich Material für 10 000 Masken. Auch die Näherinnen des F.X.-Šalda-Theaters befassen sich nun anstatt mit Theaterkostümen mit einem ganz anderen Sortiment. Täglich produzieren sie bis zu 500 Masken. Der größte Schutzmasken-Lieferant aber ist die Technische Universität. Die Region gab der dortigen Manufaktur, die über Nacht entstanden ist, einen Auftrag für 150 000 Masken und 40 000 Respiratoren, bestätigte Kreishauptmann Martin Půta.

„Gerade konnte ich nicht einschlafen, als von dem Professor David Lukáš die tolle Nachricht kam, dass die Wirkungskraft des Nanomaterials gegen das Coranavirus rund 90 Prozent beträgt“, schreibt Půta auf seiner Facebook Seite. Das Material wird mit einer speziellen Maschine produziert.

Ein „Schutzmaskenbaum“

An den Nähmaschinen in der Uni-Werkstatt in dem ehemaligen Sitzungsraum wechseln sich rund zwei Dutzend Hochschulmitarbeiter ab. „Aus Sicherheits- und Gesundheitsgründen schauen wir, dass wir nicht zu viele im Raum sind“, erklärt Jana Melicheríková, die an der Schule als Labortechnikerin beschäftig ist. Im Labor werden die Schutzmasken mit Ozon oder Heißluft sterilisiert.

Eine weitere Frage lautet, wie die Masken in der Bevölkerung verteilt werden sollen. In Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou) wurde eine besondere „Ausgabestelle“ eröffnet. Die Masken werden auf einen Baum vor dem Haus der Kinder und Jugend aufgehängt. Wer eine Maske braucht, kann sich dort gratis selbst bedienen. Der Baum heißt nun „Rouškovník“, von dem tschechischen Wort für Schutzmaske – rouška. Ins Deutsche übertragen wäre das ein „Schutzmaskenbaum“.

Die Zahl der Coronavirus-Infektionen in Tschechien überstieg am Dienstagmorgen die Marke von 3000 Fällen. 24 Menschen mit COVID-19 sind verstorben. Als geheilt gelten 25 Patienten.

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.