Die zerstörte Mariensäule auf dem Altstädter Ring in Prag im November 1918 - Foto: Wikimedia Commons

Mehr als 100 Jahre nach ihrer Schleifung kehrt das Symbol der Habsburger Monarchie zurück – die Mariensäule auf dem Prager Altstädter Ring (Staroměstské náměstí). Dafür stimmte gestern eine Mehrheit der Prager Stadträte.

Mehrfach war eine Wiedererrichtung der umstrittenen Mariensäule in Form einer Replik auf dem Altstädter Ring gescheitert, zuletzt im Mai 2019, als die Polizei die schon begonnene Errichtung durch den Bildhauer Petr Váňa unterband. Nun widerriefen die Stadträte die damalige Entscheidung, dem Bildhauer eine endgültige Erlaubnis zum Aufstellen der Mariensäule zu verweigern.

Den entsprechenden Vorschlag brachte Stadtrat Jan Wolf (KDU-ČSL) zusammen mit Jiří Pospíšil und Jan Chabr (beide TOP 09) ein. Dafür stimmte eine große Mehrheit der „Vereinten Kräfte für Prag“ (TOP 09, STAN und KDU-ČSL, die im Herbst 2018 zusammen zur Wahl antraten), ODS und ANO. Dagegen stimmten die in Prag regierenden Piraten und einige Stadträte der Partei Praha Sobě. Der Beschluss wurde letztlich mit 36 Ja-Stimmen (von 64) verabschiedet. Gleichzeitig hoben die Stadträte ihre frühere Entscheidung auf, nach der Wolf als Kulturrat alle Verträge mit der „Gesellschaft für die Erneuerung der Mariensäule“ kündigen sollte (was er aber nie tat). Damit steht der Wiedererrichtung der Mariensäule im Grunde nichts mehr im Wege.

Die Mariensäule – ein Symbol der Habsburger Monarchie oder Meisterwerk des Barocks?

Fast Vierhundert Jahre lang waren Böhmen und Mähren Teil der Habsburger Monarchie. Die Mariensäule wurde 1650 von Kaiser Ferdinand III. gestiftet – als Dank für die Verteidigung Prags gegen das Heer der (protestantischen) Schweden, das 1648 gegen Prag anrückte. Die Säule war ein Ehrendenkmal für die „Maria Immaculata“, der Unbefleckten Empfängnis Mariens, was die Inschrift am Sockel der Säule zum Ausdruck brachte: „Der ohne Makel der Erbsünde empfangenen jungfräulichen Gottesmutter errichtete der Kaiser aus frommem und gerechtem Dank für die Verteidigung und Befreiung der Stadt dieses Standbild“. Diese habe demnach bei der Verteidigung Prags geholfen. Am 13. Juli 1652, dem 44. Geburtstag Kaiser Ferdinands III., wurde die Mariensäule feierlich eingeweiht.

Kaiser Ferdinand soll selbst die Gestalt des Denkmals und dessen Errichtung auf dem Prager Altstädter Ring festgelegt haben. Schöpfer der 14 Meter hohen Mariensäule war Johann Georg Bendl, führender Bildhauer der Rekatholisierung in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Prager Mariensäule wurde somit auch zu einem Symbol der Gegenreformation und stand damit ab 1915 in einem direkten Widerspruch zum Jan-Hus-Denkmal, das am 500. Jahrestags der Verbrennung des Reformators enthüllt wurde. Auch die eingesetzte Kopie der hochverehrten Muttergottes von Altbunzlau entsprach einer älteren, vorhussitischen und vorreformatorischen Kulturtradition.  

Zerstörung und Kontroverse um die Wiedererrichtung

Im Mai 2019 hatte Petr Váňa bereits mit Freiwilligen begonnen, das Pflaster auf dem Altstädter Ring aufzubrechen, als die Polizei den Vorgang unterband - Foto: Tomáš RandýsekNach der Loslösung der Tschechoslowakei aus dem Habsburger Reich und Gründung der Tschechoslowakischen Republik wurde die Mariensäule – die bis dahin das Stadtbild auf dem Altstädter Ring prägte – am 3. November 1918  von „aufgebrachten Bürgern“ geschleift und zerstört. Die Marianische Bruderschaft konnte Teile der zerstörten Säule bergen, welche bis heute erhalten sind, so vor allem der Torso der Marienfigur.

Mit der Samtenen Revolution und dem Ende der Kommunistischen Herrschaft vor 30 Jahren begann die Kontroverse um eine mögliche Wiedererrichtung der Mariensäule auf dem Altstädter Ring. Dazu wurde im April 1990 die „Gesellschaft für die Erneuerung der Mariensäule“ gegründet, was seinerseits zu scharfen Reaktionen in der tschechischen Tageszeitung „Lidové noviny“ führte. Im November 1993, am 75. Jahrestag der Schleifung, brachte die „Gesellschaft für die Erneuerung der Mariensäule“ im Pflaster des Altstädter Rings eine Gedenkplatte an, die die Aufschrift trug.: „Hier stand und wird wieder stehen die Mariensäule“. Die Wörter „und wird wieder stehen“ mussten auf Verlangen der damaligen Prager Stadtregierung wieder entfernt werden.

Zwischen 1997 und 2007 schuf der tschechische Bildhauer Petr Váňa aus Karlík eine Kopie der barocken Säule, deren Aufstellung zuletzt im Mai 2019 scheiterte. Petr Váňa hatte bereits mit Freiwilligen begonnen, das Pflaster auf dem Altstädter Ring aufzubrechen, als die Polizei den Vorgang unterband. Trotz gültiger Baugenehmigung aus dem Jahr 2017 sei der Bau nicht rechtmäßig, da der Magistrat die Wiedererrichtung abgelehnt habe.

Auch die gestrige Abstimmung verlief kontrovers. Der Vorsitzende der Prager Piraten, Viktor Mahrik, sei gegen die Wiedererrichtung der Mariensäule, da sie offensichtlich zur Spaltung der Gesellschaft beitrage. Ebenso äußerte sich der Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib (Piraten): „Meiner Meinung nach ist sie in gewisser Weise ein Symbol für die Niederlage der Toleranz“, sagte er.  

Kurz nach der gescheiterten Aufstellung der Mariensäule im letzten Jahr sagte Bildhauer und Schöpfer der Mariensäulen-Kopie, Petr Váňa, im tschechischen Fernsehen: „Es ist eine wunderschöne Statue, die erste Barockstatue in Böhmen und der Schlüssel zur böhmischen Barockkunst. Ich denke, dass, wenn es keine solche Statue im öffentlichen Raum gibt, der böhmischen Barockkunst viel fehlt. “

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