Während Lukáš Dulíček nach München ging, verbringt Johanna Lüffe ein Jahr in Prag. / Fotos: privat

Während Lukáš Dulíček nach München ging, verbringt Johanna Lüffe ein Jahr in Prag. Die beiden Jungen der Ackermann-Vereine erzählen von ihren Eindrücken im Nachbarland.

„Plasto Fantaso“ – so nennt sich grenzüberschreitender Austausch für die Kleinsten. Früher war Johanna Lüffe jeden Sommer in Haidmühle im Bayerischen Wald, wo diese Begegnungswoche für 8- bis 15-Jährige aus Deutschland und Tschechien stattfindet. Wie es der schwungvolle Name schon andeutet, sind nicht hochfliegende Debatten, sondern eher spielerische Zugänge gefragt. Hinter dieser Initiative steht das Jugendbildungsreferat der seit Jahrzehnten in der deutsch-tschechischen christlichen Verständigung engagierten Ackermann-Gemeinde. Als sie „Plasto Fantasto“ entwachsen war, wechselte Johanna zur Jungen Aktion, die sich als eigenständiger Jugendverband der Ackermann-Gemeinde sieht. Seit vier Jahren fährt sie zu den alljährlichen Silvester- und Osterbegegnungen. Diese widmen sich oft politischen Fragen. Demnächst diskutieren die tschechischen, deutschen und slowakischen Jugendlichen im bayerischen Kloster Niederaltaich über „Demokratie ohne Demokraten“. Das ist gerade in Mitteleuropa ein sehr aktuelles Thema.

Inzwischen ist Johanna 19 Jahre alt. Seit September leistet sie ihren Freiwilligendienst in der Geschäftsstelle der Sdružení Ackermann-Gemeinde in Prag. Ein Jahr dauert ihr Aufenthalt. Danach will sie studieren. Bei der tschechischen „Schwester“ der Ackermann-Gemeinde arbeitet Johanna unter anderem an einer Geschichtswebsite, bereitet Tagungen vor und sucht nach ihrer eigenen Nachfolge. Das mache besonders Spaß, sagt sie. Bevor sie ihre Heimatstadt Essingen bei Aalen verlassen hatte, befürchtete sie, dass sie in der Fremde allein sein würde. Heute lacht sie darüber. Johanna hat viele Freunde gefunden und unternimmt mit ihnen oft Ausflüge – zum Beispiel zum Skifahren ins Adlergebirge. Und sie engagiert sich nicht nur bei der Sdružení Ackermann-Gemeinde: Einen Nachmittag in der Woche engagiert sie sich beim gemeinnützigen Verein Bilingualis. Als Lehrerassistentin hilft sie dabei, sechs- bis neunjährige Kinder in deutscher Sprache zu unterrichten.  

Vielseitig aktiv ist auch Lukáš Dulíček. Sein Hobby ist die Nachstellung historischer Schlachten. Der heute 28-Jährige aus Königgrätz (Hradec Králové) kaufte sich vor sieben Jahren seine erste Ausrüstung als österreichischer Trommler-Soldat. Das ist nicht ganz billig. Welch glückliche Fügung war es, dass Lukáš kurz davor den Essaywettbewerb der Ackermann-Gemeinde und damit ein Preisgeld gewann. Er schrieb über das Thema „Deutschland, unser großer Nachbar“. Danach ließen die Leute aus der Jungen Aktion nichts unversucht, ihn als neuen Mitstreiter zu gewinnen. Mit Erfolg: Lukáš nahm im Sommer 2012 erstmals an einer großen Jugendbegegnung im Kloster St. Marienthal teil. Dort gefiel es ihm gut und aus ihm wurde ein junger „Ackermann“. Die Junge Aktion motivierte ihn auch, sich für den Freiwilligendienst in ihrer Zentrale in München zu bewerben. Lukáš war erfolgreich und er begann im September 2014 sein Jahr in der Bayernmetropole.

Zu Beginn war sich auch Lukáš unsicher, was ihn erwartet. Er kannte die „erwachsene“ Ackermann-Gemeinde noch sehr wenig. Die Kollegen in der Münchener Geschäftsstelle empfingen ihn jedoch herzlich. Schon am ersten Tag ging‘s zum Abendessen ins Hofbräuhaus. Im Arbeitsalltag war er meist für die Junge Aktion tätig. Lukáš half aber auch bei der Ackermann-Gemeinde aus. Vor allem ein Mitarbeiter freute sich, dass ihn der Freiwillige beim Tragen der schweren gelben Postkisten unterstützte. Neben körperlicher Arbeit konnte Lukáš aber auch seine redaktionelle Neigung ausspielen. Er plante und redigierte das Heft der Jungen Aktion. Vom Schreiben hatte er auch nach Dienstschluss nicht genug: Oft setzte sich Lukáš bis in die späten Abendstunden in die Bayerische Staatsbibliothek und forschte zur österreichischen Militärgeschichte. In München schaffte er es auch, seine Magisterarbeit zu einem Buch auszubauen und zu veröffentlichen.

Vor einem Monat feierte die tschechische Sdružení Ackermann-Gemeinde ihren 20. Geburtstag. An der Feier im Kloster Břevnov fielen oft die Begriffe Versöhnung, Verständigung und Begegnung. Wie stehen Johanna und Lukáš – junge Vertreter der nach 1989 Geborenen – zu diesen Schlagworten? „Wir sind schon versöhnt“, sagt Lukáš. Harte Diskussionen stünden bei den jüngeren tschechischen und deutschen Christen nicht mehr an. Es bleibt die Begegnung. In ihr sieht Lukáš die große Stärke der deutschen und tschechischen Ackermann-Gemeinde. Bei den Treffen werden nicht nur Themen diskutiert, sondern auch Freundschaften geschlossen.

Auch Johanna mag die ungezwungen Barabende besonders. Bei der Versöhnung sieht sie aber manches anders: „Es ist so eine Sache“, sagt Johanna nachdenklich. Ihre sudetendeutschen Großeltern fänden es zum Beispiel nicht gut, dass sie nach Prag ging. Man kommt nicht um den Eindruck umhin: Die deutsch-tschechische Verständigung ist noch nicht abgeschlossen. Neben allem erfrischenden Zukunftsoptimismus braucht es auch den Mut, Vergangenes anzusprechen.


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