Im langjährigen Restitutionsverfahren um den Nachlass der Adelsfamilie Walderode hat das Kreisgericht im nordböhmischen Semil (Semily) ein weiteres Urteil gesprochen. Es entschied, dass ein Grundstück in Turnau-Dalimerschitz (Turnov-Daliměřice) an Johanna Kammerlander, die Witwe von Karl Des Fours Walderode, zurückgegeben werden muss.

Das Grundstück umfasst rund 1554 Quadratmeter. Mit dem Teilurteil bestätigte das Gericht den Anspruch der Klägerin auf Rückgabe, der auf einem früheren Beschluss des Verfassungsgerichts beruht. Dieses hatte festgestellt, dass Kammerlander als berechtigte Person im Sinne der tschechischen Restitutionsgesetze gilt.

Für etwa 60 weitere Grundstücke wies das Gericht die Klage jedoch ab. Diese Flächen befanden sich nach Angaben des Gerichts nicht im Besitz des Staates, sondern waren im Laufe der Jahrzehnte an Privatpersonen übergegangen. In solchen Fällen ist nach geltendem Recht keine Rückgabe möglich; die Klägerin muss stattdessen eine finanzielle Entschädigung beim Grundstücksfonds beantragen.

Das aktuelle Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann also durch Berufungen oder Revisionen angefochten werden. Damit bleibt die jahrzehntelange juristische Auseinandersetzung um den Besitz der Familie Walderode weiter offen.

Kammerlander bestreitet Vorwürfe gegenüber verstorbenem Mann

Der Rechtsvertreter der Stadt Turnau, František Jaroš, kritisierte die Entscheidung als verfrüht: „Da wir die Frage der Berechtigung nach wie vor als ungelöst ansehen, kann ich nur sagen, dass die Entscheidung über konkrete Immobilien verfrüht ist. Zuerst muss die Berechtigung geklärt werden.“ Zudem würden Dokumente existieren, die auf eine Mitgliedschaft von Karel des Fours Walderode in der Sudetendeutschen Partei hindeuten würden, so Jaroš. Bislang seien diese Dokumente noch nicht als Beweismittel herangezogen worden.

Kammerlander zeigte sich wenig beeindruckt von den erneuten Einwänden der Gegenseite. Die immer wiederkehrenden Zweifel an der Staatsbürgerschaft und am Verhalten ihres verstorbenen Mannes wies sie entschieden zurück: „Es ist lächerlich, weil alle nur wiederholen, worüber das Verfassungsgericht bereits entschieden hat. Es ist überflüssig“, sagte sie gegenüber Journalisten. Auch den Vorwurf, ihr Mann sei ein Nationalsozialist gewesen, wies sie strikt zurück: „Absolut nicht. Er war gegen sie, wenn auch nicht auf auffällige Weise.“

Ihr Anwalt Roman Heyduk bewertete das Urteil als einen weiteren Schritt in einem Verfahren, das bereits seit drei Jahrzehnten andauert: „Es bedeutet nichts, weil das Ganze noch mindestens zehn Jahre dauern wird.“

Enteignung im Rahmen der Beneš-Dekrete

Die Familie Walderode verlor nach dem Zweiten Weltkrieg große Teile ihres Vermögens – darunter Wälder, Ländereien und ein Schloss – infolge der Beneš-Dekrete. Diese führten zur Enteignung von Personen, die als Deutsche galten oder der Kollaboration mit dem NS-Regime verdächtigt wurden.

Seit den 1990er Jahren bemüht sich die Familie beziehungsweise ihre Rechtsnachfolger um Restitution. Der Fall entwickelte sich zu einem der bekanntesten und kontroversesten Restitutionsverfahren in Tschechien, das nicht nur juristische, sondern auch politische und gesellschaftliche Debatten ausgelöst hat.

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