Graffiti mit dem Porträt Karel Gotts in einer Unterführung unweit des Nationalmuseums. Foto: Jonas Klimm
Graffiti mit dem Porträt Karel Gotts. Foto: LE Archiv/ Jonas Klimm

Er ist eine tschechische Ikone, geliebt von Jung und Alt – vor zwei Jahren hat Karel Gott die Bühne des Lebens verlassen. Die Erinnerung an den Sänger ist nicht verblasst.

Um die emotionale Bedeutung Karel Gotts für Tschechien und die Tschechen nachvollziehen zu können, reicht die Betrachtung der Zahlen, die eine Umfrage des Meinungsforschungs-instituts CVVM im November 2019 hervorgebracht hat. Gefragt wurde damals nach den wichtigsten Persönlichkeiten Tschechiens. Die ersten drei Plätze waren – wenig überraschend – den „Großen Drei“ vorbehalten: Karl IV., Tomáš Garrigue Masaryk und Václav Havel, drei Herrscher beziehungsweise Präsidenten, deren Antlitz etliche Kneipen des Landes schmückt.

Den vierten Platz belegte nicht, wie bei Betrachtung der historischen Bedeutung zu erwarten gewesen wäre, der Reformator Jan Hus, nein, es war Karel Gott, der „Meister“ oder „božský Kája“ (göttlicher Karel), wie viele Tschechen ihn ehrfurchtsvoll nennen, der sich direkt hinter den großen geschichtlichen Persönlichkeiten einordnen konnte. Sechzehn Prozent der Befragten nannten den Sänger, damit rangierte er nur vier Prozentpunkte hinter dem Erstplatzierten Karl IV., dem späteren römisch-deutschen Kaiser, dem Prag nicht nur seine berühmteste Brücke, sondern auch die erste Universität auf mitteleuropäischem Boden zu verdanken hatte.

Karel Gotts Villa im Prager Viertel Bertramka, in der der Sänger bis zu seinem Tod lebte. Foto: Jonas Klimm

Karel Gotts Villa im Prager Viertel Bertramka, in der der Sänger bis zu seinem Tod lebte. Foto: Jonas Klimm

Tschechische Identifikationsfigur

Freilich, diese Umfrage ist mit Vorsicht zu genießen, schließlich war Karel Gott erst kurze Zeit zuvor verschieden, die Erinnerung an ihn präsent. Trotzdem lässt sie einen Einblick in das Seelenleben einer Nation zu. Karel Gott war und ist für viele Tschechen eine Identifikationsfigur.

Viele seiner Fans lassen ihm bis heute götzenhafte Verehrung angedeihen, so auch Kateřina Valentová. Als Zehnjährige nahm ihre Mutter sie 1984 mit ins Palais Lucerna. Es war ihr erstes Konzert von Karel Gott. Seitdem ist er der Fixpunkt ihres Lebens. Wie viele Konzerte sie in den 35 Jahren bis zu seinem Tod noch besuchte, sie könne es nicht mehr zählen, es waren zu viele. „Diese Erfahrungen, die Emotionen, die ich mit ihm verbinde, ich kann es kaum in Worte fassen“, beschreibt Valentová ihre Gefühlslage.

In ihrem Zuhause ist der Sänger dauerpräsent. Sie besitzt Schallplatten, Bettwäsche mit Karel-Gott-Aufdruck, Weine aus der Karel-Gott-Serie, Parfüm, signierte Fotografien, Münzprägungen zu Jubiläen und viele persönliche Erinnerungen mehr. Sie verspüre Liebe für Karel Gott, was sie damit aber eher meine, sei Bewunderung und Respekt für seine Lebensleistung. Dass ihre spezielle Verbindung zu Karel Gott für das familiäre Zusammenleben nicht immer leicht war, gesteht Valentová durchaus ein: „Leider musste auch meine Familie, insbesondere mein Mann, damit auskommen.“

Kateřina Valentová mit einem Weihnachtsgeschenk ihrer Kinder: Karel-Gott-Bettwäsche. Foto: Kateřina Valentová

Kateřina Valentová mit einem Weihnachtsgeschenk ihrer Kinder: Karel-Gott-Bettwäsche. Foto: Kateřina Valentová

Prag – die große Liebe

Tourneen machte Karel Gott weltweit, bereits zu Beginn seiner Karriere war er für sechs Monate in Las Vegas. Dort wurde ihm der Spitzname „Sinatra des Ostens“ zuteil. Seine Heimat blieb jedoch immer Prag. Dort lebte der gebürtige Pilsner seit seinen Jugendjahren, sie nannte er stets liebevoll „seine geliebte Stadt“. Im deutschen Fernsehen äußerte er sich in späteren Jahren über seine Gefühlslage, wenn er nach mehrmonatigen Auslandstourneen wieder nach Prag zurückkehrte: „Wie schön es doch ist, mein Zuhause zu haben, hier, wo für mich alles angefangen hat.“

Und die Liebe war nicht einseitig, auch die Prager verehrten ihren „Meister“ und machten ihm keinen Vorwurf, dass er 1977 formal seine Loyalität gegenüber dem kommunistischen Regime erklärte, indem er mit Tausenden anderen Künstlern die vorformulierte Anticharta unterschrieb. Mit diesem Zeichen hoffte die kommunistische Partei der Reformbewegung in der Tschechoslowakei rund um die Protagonisten der Charta 77 den Garaus zu machen. Gott unterschrieb widerwillig und durfte danach weiter im westlichen Ausland auftreten. Die Transformationsjahre überstand Gott ebenfalls unbeschadet, auch im demokratischen Tschechien blieb er der allseits verehrte Star.

Schwere Erkrankungen

Privat frönte Karel Gott über viele Jahrzehnte einem unsteten Lebensstil. Unzählige Liebschaften zeugen davon. Erst die 2008 eingegangene Ehe mit der 36 Jahre jüngeren tschechischen Krankenschwester und späteren Moderatorin Ivana Macháčková sorgte für Stabilität. 2015 dann die erste große Erschütterung: Karel Gott war an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Doch er überstand die aggressive Krankheit und begab sich wieder voller Elan auf die nationalen und internationalen Bühnen.

Im Frühjahr 2019, kurz vor seinem 80. Geburtstag, sorgte er für einen letzten emotionalen Moment. Zusammen mit seiner 13-jährigen Tochter Charlotte nahm er das Lied „Srdce nehasnou“ auf, was ins Deutsche übersetzt „Herzen erlöschen nicht“ bedeutet. Auf YouTube verzeichnet das Video 64 Millionen Aufrufe (Stand 27. September), für ein Lied in tschechischer Sprache eine außergewöhnliche Reichweite. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits in Behandlung wegen einer akuten Leukämie, die er der Öffentlichkeit jedoch zunächst verheimlicht hatte. Erst im September machte er die schwere Erkrankung öffentlich. „Ich wollte euch nicht mit meinen Problemen belästigen“, teilte er seinen Fans damals mit. Drei Wochen später war er tot. Karel Gott starb am 1. Oktober 2019 im Alter von 80 Jahren in seiner Villa in der Bertramka.



Ein Tattoo als Erinnerung

Für Kateřina Valentová war die Nachricht vom Tod Karel Gotts ein Schock. Sie habe seine schwere Krankheit verdrängt: „Ich dachte, Karel Gott ist unsterblich.“ Sie sagt: „Es war einfach schrecklich für mich. Immer wenn es mir schlecht ging, ging ich auf seine Konzerte, hörte seine Lieder.“ Das war nun vorbei. Die Leute um sie herum könnten ihre emotionale Verbindung zum Sänger nicht nachvollziehen. „Nur wer es in sich hat, so wie ich, wird es verstehen. Ich kann mich immer noch nicht mit seinem Tod abfinden, und ich werde mich wohl nie damit abfinden können.“

Trotz des Schmerzes ist Valentová überzeugt, dass Karel Gott weiterleben wird, durch seine Musik und durch all das, was er an Erinnerungen hinterlassen habe. Außerdem hat sie noch eine besondere Idee, wie sie den „Meister“ für sich verewigen kann. Valentová möchte sich ein Tattoo stechen lassen – mit Bezug zu Karel Gott. Kein kitschiges, geschmackloses soll es sein, so wie es viele andere Fans hätten. Vielmehr neige sie zu einem Motiv, welches ihn für sie am meisten symbolisiere. Augenzwinkernd fügt Valentová noch hinzu. „Es braucht Zeit. Aber ich arbeite daran.“ Über so viel Hingabe hätte sich Karel Gott sicher gefreut.

Seine Fans gedenken des „Meisters“ auch noch zwei Jahre nach seinem Tod. Foto: Jonas Klimm

Seine Fans gedenken des „Meisters“ auch noch zwei Jahre nach seinem Tod. Foto: Jonas Klimm

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