Am 20. März vor 630 Jahren starb der böhmische Priester Johannes Nepomuk, nachdem er gefoltert und von der Prager Karlsbrücke in die Moldau gestürzt wurde. Heute wird er als Märtyrer verehrt und gilt als Brückenheiliger sowie Schutzpatron des Beichtgeheimnisses. Um seinen Tod ranken sich bis heute Mythen und Legenden.
Ruhig und schwarz fließt das Wasser der Moldau des Nachts unter der Karlsbrücke dahin. Nur schwer kann man sich vorstellen, dass der Fluss jemals wieder freigibt, was einmal in seinen Tiefen verschwunden ist. In der Nacht vom 20. auf den 21. März des Jahres 1396 stürzt ein 43-jähriger Mann, geknebelt und von Folter verstümmelt, über die Brüstung der noch jungen steinernen Brücke in die Moldau. Bei dem vermeintlichen Delinquenten handelt es sich um Johannes Welflin aus dem westböhmischen Ort Pomuk (heute Nepomuk), der bis zu seinem gewaltsamen und unfreiwilligen Ableben als Generalvikar des Prager Erzbischofes Johann von Jenstein diente. Ob der zum Tode durch Ertränken Verurteilte – eine im Mittelalter übliche Todesstrafe für Geistliche – während seines metertiefen Sturzes ins Wasser noch lebte, ist nicht genau überliefert. Der Legende nach soll sein im Wasser treibender Leichnam von fünf Flammen umsäumt gewesen sein – ein eindeutiges Zeichen seines göttlichen Beistands – weshalb er auch häufig mit Sternenkranz dargestellt wird.
Wahrer des Beichtgeheimnisses?
Doch warum musste Johannes Nepomuk sterben? Weit verbreitet ist die Legende, dass der böhmische Priester, der zugleich Beichtvater der böhmischen Königin Sophia von Bayern gewesen sein soll, sich geweigert habe, dem König zu verraten, was dessen Gemahlin ihm in der Beichte anvertraute. König Wenzel IV., Sohn von Kaiser Karl IV. (u.a. Gründer der Karlsuniversität und Erbauer der Karlsbrücke), war zutiefst misstrauisch und verdächtigte seine Gattin des Ehebruchs. Deshalb habe Wenzel, der für seine Grausamkeiten bekannt war, Nepomuk foltern und von der Karlsbrücke werfen lassen. So erzählt es die Martyriumsgeschichte in dem um 1450 entstandenen Liber Augustalis („Kaiserchronik“) des Wiener Chronisten Thomas Ebendorfer. Dieser Interpretation der Geschehnisse im Jahr 1393 folgte schließlich auch die Katholische Kirche. 1721 wurde der böhmische Priester selig- und 1729 von Papst Benedikt XIII. heiliggesprochen.
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In der Folge entstand ein regelrechter Kult um den Märtyrer: Neben Kreuzen und Mariendarstellungen sind Skulpturen des heiligen Nepomuk in katholischen Gebieten Süddeutschlands, Böhmens, Mährens und Österreichs heutzutage die häufigsten christlichen Steinfiguren, die man außerhalb von Kirchenbauwerken in freier Landschaft antreffen kann. Häufig steht Nepomuk auf oder neben Brücken. Die bekannteste Nepomuk-Statue steht natürlich auf der Prager Karlsbrücke, und zwar genau an der Stelle, an welcher der böhmische Priester in die Moldau gestürzt wurde. Geschaffen hat sie Johann Brokoff 1683, genau 300 Jahre nach Nepomuks Tod.
Johannes von Pomuk zwischen den Fronten
Doch entspricht die Legende vom standhaften Beichtvater auch den historischen Tatsachen? Ein anderer wahrscheinlicher Grund für den Justizmord liegt wohl in machtpolitischen Auseinandersetzungen zwischen König Wenzel und dem Prager Erzbischof. In einem jahrelangen Zwist über den weltlichen und kirchlichen Machtbereich war ein Günstling des Königs 1392 unter den Kirchenbann geraten. Johannes von Pomuk hatte das Verfahren als Vertreter des Erzbischofs geleitet. Geriet er bereits hier ins Visier des unbarmherzigen Monarchen?
Etwa zur gleichen Zeit verfasste der Prager Erzbischof Johann von Jenstein einen Beschwerdebrief an den König: Wenzel unterdrücke den Klerus und die Kirche. Daraufhin versuchte König Wenzel wiederum, den Einfluss der Kirche zu schmälern und beabsichtigte, ein neues Bistum Kladrau (Kladruby) zu errichten, womit das Prager Erzbistum verkleinert worden wäre. Als der Abt des Benediktinerklosters Kladrau gestorben war und die Wahl eines neuen Abts anstand, wählten die Mönche nicht den königlichen Kandidaten, sondern einen Mitbruder zum neuen Vorsteher des Klosters. Auf Weisung des Erzbischofs bestätigte Johannes von Pomuk diese Wahl zügig innerhalb von drei Tagen, sodass König Wenzel, der sich wie so oft auf seine Burg Pürglitz (Křivoklát) zum Jagen zurückgezogen hatte, keinen Einspruch mehr einlegen konnte. Im Verlauf der weiteren Auseinandersetzung wurde Johannes von Pomuk zusammen mit anderen erzbischöflichen Beamten verhaftet und gefoltert. Der Erzbischof selbst konnte entkommen.
Tödlich für Johannes von Pomuk sollte sich aber letztendlich seine niedere Herkunft erweisen. Dass man einen Erzbischof hinrichten ließ, war im Mitteleuropa des 14. Jahrhunderts undenkbar (abgesehen von England). Um dem Erzbischof eins „auszuwischen“, traf es nun Johannes von Pomuk als zwar ranghöchstem, aber der Herkunft nach unbedeutendstem Vertreter des Erzbischofs.
Kein Platz für Jan Hus
Möglicherweise sind aber beide Geschichten wahr. Zeitweise wurde zwischen zwei Personen unterschieden, die beide den Namen Jan Nepomuk trugen. Die Katholische Kirche des 18. Jahrhunderts beschränkte die Kanonisation schließlich auf die mit der Wahrung des Beichtgeheimnisses in Verbindung gebrachte Gestalt. Möglicherweise spielt auch die Rekatholisierung Böhmens nach der Schlacht am Weißen Berg eine Rolle. Mit dem Kult um Johannes Nepomuk dürfte die Katholische Kirche versucht haben, einen anderen verehrten Geistlichen zu verdrängen: Jan Hus. Der tschechische Reformator wirkte etwa zur gleichen Zeit wie Johannes von Pomuk in Prag und war tatsächlich Beichtvater der Königin.