Der Deutsche Fußballclub Prag feiert in diesem Jahr sein 125. Jubiläum. Alles fing einmal mit einem Ruderverein an.
Die Gärtner wollten gegen die Studenten spielen, doch die hatten Prag über die Feiertage den Rücken gekehrt. Mit dieser Episode beginnt die Geschichte des Deutschen Fußballclubs Prag. 1893 war es, dass ein Sohn der Fürsten Thurn und Taxis vom Schloss in Lautschin (Loučeň), inspiriert durch einen Englandaufenthalt, aus britischen Gärtnern eine Mannschaft zusammenstellte, die sich kurz danach in Prag mit einer Studentenauswahl messen wollte. Als Ersatz für die abgereisten Hochschüler fanden sich die Ruderer des Prager Vereins Regatta. Und so fand in jenem Jahr das erste Fußballspiel in den Böhmischen Ländern überhaupt statt.
Erster deutscher Vizemeister
Drei Jahre später, 1896, gründeten die kickenden Ruderer einen eigenen Verein, den Deutschen Fußballclub Prag, der recht schnell respektable Ergebnisse erzielte. Der DFC war von Anfang an der Klub des deutschsprachigen jüdischen Bürgertums Prags. Sein Beitritt zum Deutschen Fußballbund muss somit auch als Ausdruck eines deutsch-nationalen Selbstbewusstseins im überwiegend tschechischen Prag gesehen werden. Mit dem Universitätsprofessor Ferdinand Hueppe stellte der DFC den ersten DFB-Präsidenten. Er hat sich aber nicht nur bei der Gründung des Verbandes in die Annalen des deutschen Fußballs eingetragen, sondern auch drei Jahre später, als er kampflos in das Finale der ersten Deutschen Meisterschaft in Hamburg-Altona einzog und hier dem VfB Leipzig mit 2:7 unterlag. Der DFC Prag ist somit der erste deutsche Vizemeister.
Nach einer Regeländerung durch die FIFA musste sich der Klub fortan jedoch auf böhmische und österreichische Wettbewerbe konzentrieren. Im Vordergrund standen aber Begegnungen mit renommierten Klubs aus ganz Europa. Auch ohne einen eigentlichen Europapokal gab es zu dieser Zeit bereits einen regen innereuropäischen fußballerischen Austausch, der erst durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde.
Ruhm und Defizite
Nach Gründung der Tschechoslowakei setzte der Klub seine Erfolgsgeschichte fort. Heimspiele bestritt er in seinem Stadion auf dem Prager Letná, dort, wo heute das Landwirtschaftsmuseum steht. Öfter schickte der Klub aber seine Profimannschaft auf Spieltourneen ins Ausland, was zu Protesten in der Prager Anhängerschaft führte, die sich mit den Spielen einer DFC-Amateurmannschaft begnügen sollte. Die Profis sorgten für den großen Ruhm des Klubs, spielten zum Beispiel bei der Eröffnung der Krefelder Grotenburg oder des Mailänder Meazza-Stadions und qualifizierten sich durch ihre Leistungen für Berufungen in die tschechoslowakische Nationalmannschaft.
Noch heute firmiert der DFC unter den Klubs mit den meisten Berufungen für das tschechoslowakische Team. Ab Mitte der 1920er Jahre nahm der Klub auch wieder Spiele gegen die großen Prager Klubs Sparta und Slavia auf. Spielerisch konnte der DFC sicher mithalten, finanziell allerdings nicht, war er doch längst nicht solch ein Zuschauermagnet. Es kann von daher nicht verwundern, dass dem DFC oft der Beiname „DeFiCit“ verliehen wurde. Finanzielle Probleme führten 1927 zur Auflösung der Profimannschaft. Zwar konnte der Klub in den 1930er Jahren spielerisch durchaus wieder mithalten, seine wirklich großen Zeiten waren aber vorbei. Als Klub des jüdischen Bürgertums wurde er zum Gegner des Nationalsozialismus und der Sudetendeutschen Partei. Bei den bürgerkriegsähnlichen Unruhen im Sudetenland im September 1938 stellte der DFC seine Spieltätigkeit ein und löste sich in der Folge nach 42 Jahren auf, worauf die Streichung aus dem Vereinsregister durch die Protektoratsbehörden folgte. Den jüdischen Kickern, denen die Flucht nicht gelang, drohte die Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Tatsächlich wurden einige wie der langjährige Kapitän Paul Mahrer nach Theresienstadt deportiert, wo sie in der dortigen Ghetto-Liga spielten. Der DFC hat auch Opfer des Holocausts zu beklagen.
Neuanfang nach 1989
Eine Neugründung des Klubs durch die verbliebenen und zurückgekehrten Mitglieder war nach Kriegsende nicht mehr möglich. Der DFC geriet in Vergessenheit und die Fußballgeschichte wurde ohne ihn weitergeschrieben. Erst nach 1989 brachte das große Interesse an der gemeinsamen Geschichte von Deutschen, Tschechen und Juden in den Böhmischen Ländern den Klub wieder zum Vorschein. Anlass zur Neugründung des DFC war eine Wiederholung des ersten deutschen Finales von 1903, die 2015 in Prag ausgetragen wurde. Nach einer Idee der deutschen Initiative 1903, die sich in der Tradition des VfB Leipzig der Erinnerung an diese erste Meisterschaft widmet, wurde ein Team zusammengestellt, in dem Tschechen, Deutsche, ein Österreicher und ein Holländer die stolzen Farben des DFC trugen. Das Spiel endete wie das historische Finale mit einem 7:2-Sieg der Leipziger. Für den DFC war dieses erste Spiel nach 77 Jahren aber ein Sieg, denn es wurde eine Entwicklung losgetreten, die dazu führte, dass sich eine Gruppe Begeisterter fand, um den Klub zu erneuern. In Zusammenarbeit mit den drei deutschen Schulen Prags konzentrierte man sich zunächst auf den Jugendfußball und konnte bereits ein Jahr nach der offiziellen Gründung und Aufnahme in den Tschechischen Fußballverband eine Jugendmannschaft zu Ligaspielen melden.
Die Mannschaft des DFC heute. Foto: Thomas Oellermann
Doku und Jugendturnier zum Jubiläum
Es ist noch ein weiter Weg, um den DFC dauerhaft im Prager Fußball zu etablieren und es wird noch einiges an Arbeit und Geld erfordern, um den Klub zur alten Größe zurückführen zu können. Zunächst einmal kann es aber nichts anderes geben als die große Freude, dass der DFC wieder spielt. 125 Jahre nach seiner Gründung gibt es diesen großartigen Klub wieder. Und alles hatte begonnen mit der Fußballbegeisterung der Prager Ruderer, damals, an jenem 28. Mai 1896.
In Zusammenarbeit mit der Landesversammlung der deutschen Vereine ist zur Feier des 125. Gründungstags des Deutschen Fußballclubs Prag für das Jahr 2021 die Premiere einer deutsch-tschechischen Filmdokumentation vorgesehen sowie ein Jugendturnier, benannt nach einem der großen DFCler: Emmerich-Rath-Cup.