Am Mittwoch versammelten sich zehntausende Menschen auf dem Wenzelsplatz in Prag. Die Demonstration stand unter dem Motto „Tschechien zuerst“.
In Prag kam es am Mittwoch auf dem Wenzelsplatz zu einer großen Demonstration. Die Teilnehmer versammelten sich aber nicht, um am Feiertag des Heiligen Wenzel den Nationalheiligen zu ehren, sondern um ihren Unmut über die aktuelle Regierungspolitik zum Ausdruck zu bringen. Die Polizei gab die Teilnehmerzahl mit mehreren Zehntausend an. Damit demonstrierten binnen weniger Wochen erneut Regierungsgegner, auch wenn ihre Zahl Anfang September mit 70.000 deutlich höher war.
Das Motto „Tschechien zuerst“ war dem „America first“ aus der Ära des früheren US-Präsidenten Donald Trump entlehnt. Die Demonstranten forderten Gaslieferverträge mit Russland, den Austritt Tschechiens aus der EU, NATO und UN sowie ein Ende der Unterstützungen für die Ukraine. Dabei griffen die Redner auf scharfe nationalistische und verschwörungsideologische Rhetorik zurück, so sprachen sie zum Beispiel von einer angeblich von langer Hand geplanten Verwässerung der tschechischen Nation durch ukrainische Geflüchtete.
An erster Stelle stand für die Teilnehmer ihre Opposition zur Regierung. In Sprechchören forderten sie „Rücktritt! Rücktritt!“ und in den Reden kündigten sie an, den Präsidenten Miloš Zeman aufzufordern, die Regierung aufzulösen. Neben Prag wurde auch in Brünn (Brno), Pilsen (Plzeň) und Reichenberg (Liberec) demonstriert. In Ostrau (Ostrava) organisierte die rechtspopulistische Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (FDD, Svoboda a přímá demokracie) ebenfalls eine Kundgebung. Deren Vorsitzender Tomio Okamura warf der Regierung vor, die Preise absichtlich hoch zu halten und den Krieg in der Ukraine aus Profitgründen zu unterstützen.
Unterstützung durch die deutsche AfD
Auf der Bühne in Prag sprachen Mitglieder mehrerer nationalistischer Parteien. Vertreter von Svobodní (Die Freien), Trikolora und FDD sprachen vor der wütenden Menge. Auch die Kommunistische Partei KSČM hatte zu der nationalistischen Kundgebung aufgerufen und sprach zu den Demonstranten. Auf der Bühne versammelten sich allerdings nicht nur Politiker aus Tschechien.
Auch die Alternative für Deutschland war dort vertreten und solidarisierte sich mit den Anwesenden. Die AfD-Abgeordnete des Europaparlaments Christine Anderson hielt eine Rede und auch Petr Bystroň (AfD) erklärte seine Solidarität mit den Demonstranten. Dieser Auftritt sorgte in der tschechischen Presse für Empörung. Die AfD gilt in Tschechien als besonders Putin nahe Partei und steht daher scharf in der Kritik. Der Journalist Jan Stránsky erinnerte auf dem Nachrichtenserver „Seznam Zprávy“ daran, dass die AfD vor kurzem noch scharf gegen tschechische Arbeitskräfte hetzte und in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet werde. Er forderte, „nicht gemeinsam mit deutschen Rassisten zu demonstrieren und sich nicht von Idioten täuschen zu lassen.“
Experten sehen widersprüchliche Forderungen und raten, die Existenzängste nicht zu ignorieren
Der Prager Politologe Jan Charvát erklärte gegenüber „Seznam Zpravý“, dass die Demonstration vor allem von Wut getragen werden. Ihre Rhetorik sei geprägt von antiamerikanischen und antieuropäischen Ansichten. „Interessant ist, dass ihrer Meinung nach diese Regierung für alle von den Organisatoren erwähnten Schwierigkeiten verantwortlich ist. Aber es wurde nie erwähnt, dass viele der Dinge, die jetzt passieren, von der vorherigen Regierung verursacht wurden“, so Charvát.
Patrik Eichler von der sozialdemokratischen Masaryk-Akademie „Masarykova demokratická Akademie“ rief die Regierung auf, die Demonstrationen nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Sie seien nicht nur regierungskritisch, sondern systemfeindlich. Die Regierung müsse einen Weg finden, einen großen Teil der Gesellschaft wieder in die gesellschaftlichen Debatten einzubeziehen. Momentan gelänge es den Organisatoren der Proteste, die Angst der Menschen vor der Energiekrise und steigenden Preisen auszunutzen. „Diese Leute haben Angst um ihre Existenz, deshalb gehen sie auf die Straße“, erklärte er im tschechischen Fernsehen (Česká televize).