Kürzlich haben die Dreharbeiten zum Dokumentarfilm „Eine Reise gegen das Vergessen“ begonnen, der an das 100. Jubiläum des jüdischen Leipziger Sportvereins „SK Bar Kochba“ erinnert. Einen Auftritt im Film haben auch tschechische Fußballclubs und die deutsche Minderheit.
In diesem Jahr ist es genau 100 Jahre her, dass die beiden Leipziger Brüder Leopold („Leo“) und Max Bartfeld zusammen mit anderen jüdischen Sportlern einen Sportverein gründeten – den SK Bar Kochba Leipzig. Die beiden spielten selbst in der 1. Fußball-Herrenmannschaft und beteiligten sich auch an anderen Sportarten. Max Bartfeld war außerdem ein erfolgreicher Leichtathlet und Zehnkämpfer. 1939 endete die Geschichte des Vereins: Der SK Bar Kochba wurde zwangsaufgelöst und ein Teil der Leipziger und auch deutschen Sportkultur ging unwiederbringlich verloren. Die meisten Vereinsmitglieder überlebten das NS-Regime nicht. Leo und Max Bartfeld konnten zwar zunächst mit ihren Familien ins Ausland flüchten, doch der deutsche Angriffskrieg erfasste bald ganz Europa und holte sie wieder ein. In Brüssel wurden einige Familienmitglieder schließlich von der Gestapo verhaftet, zur Zwangsarbeit verpflichtet und in Vernichtungslager verschleppt. Leo Bartfeld starb im Februar 1945 an den Folgen des „Todesmarsches“ aus dem KZ Auschwitz.
Gedenken, das die Menschen zusammenbringt
In Leipzig erinnert heute nur noch wenig an den jüdischen Sportverein. Im Jahr 2016 wurden die letzten Überreste des Vereinssportplatzes beim Bau eines Autohauses entfernt. Doch es ist Bewegung gekommen in die Erinnerung an den SK Bar Kochba und die Brüder Bartfeld. Bereits fünf Mal hat der Leipziger Verein Tüpfelhausen e.V. mit dem „Max-und-Leo-Bartfeld-Pokal“ ein Fußballbegegnungsfest ausgerichtet. Inzwischen ist es mit mehr als 5000 Teilnehmern und Besuchern die größte internationale Jugendbegegnung in Ostdeutschland, an der Fußballteams aus Deutschland, Tschechien, Polen und Israel teilnehmen. Das diesjährige Fest hätte eigentlich im Juni stattfinden sollen – aufgrund der Corona-Pandemie mussten die Organisatoren Christoph David Schumacher und Sebastian Rudolph die Veranstaltung auf Ende des Jahres verschieben.
Doch nicht nur das Fußballfest war von der Pandemie betroffen, sondern auch der von ihnen zum 100. Jubiläum von SK Bar Kochba geplante Dokumentarfilm „Eine Reise gegen das Vergessen“. „Der Film hat zwei Schwerpunkte. Zum einen geht es um Aussöhnung für ein friedliches Europa und zum anderen um die Vergangenheit. Dafür sprechen wir auch mit den Nachkommen der Familie Bartfeld“, erklärt Schumacher. Dabei verfolgen die Macher des Films den Ansatz, nicht nur um des Erinnerns Willens einen Film zu drehen, sondern eine Perspektive für die Zukunft zu geben. „Ich habe mit vielen Überlebenden der Shoa gesprochen. Eine der wichtigsten Dinge, die die Menschen mir mitgeteilt haben, ist, dass wir nach vorne schauen müssen. Deshalb wollen wir eine Form des Gedenkens schaffen, die die Menschen zusammenbringt“, so Schumacher.
Tschechien wichtiger Partner
Was Menschen heute zusammenbringt, das ist zweifelsohne der Fußball. Nicht nur durch die Begeisterung für ihn, sondern auch, weil Fußball eine universale Sprache spricht. Die Regeln sind für jeden verständlich und auf der ganzen Welt die gleichen. Das zeigt sich laut Schumacher und Rudolph auch jedes Jahr aufs Neue beim Fußballbegegnungsfest, wo viele junge Menschen aus verschiedenen Ländern aufeinandertreffen und Freundschaften schließen. Um Fußball wird es deshalb auch im Film gehen, in dem Teilnehmer und Projektpartner des Fußballbegegnungsfests zu Wort kommen und über ihre Sicht auf Europa sprechen. „Jeder kann in dem Film aussprechen, was ihm wichtig ist“, sagt Schumacher. „Für mich ist wichtig, dass wir uns als Europäer sehen. Deshalb soll auch im Film der europäische Gedanke nach vorne gestellt werden“, fügt er hinzu.
Das ist auch der Grund, warum der Dokumentarfilm neben Deutschland auch in Tschechien, den USA und Israel gedreht wird, was wegen Corona zunächst nicht möglich war. „Als wir gehört haben, dass Tschechien die Grenzen wieder aufmacht, sind wir sofort losgefahren“, erzählt Rudolph. Die erste Station ihrer Drehreise führte sie nach Prag, wo Schumacher und Rudolph mit dem Deutschen Fußballclub Prag und auch mit der Landesversammlung der deutschen Vereine sprachen. Neben der Station in Prag führten Schumacher und Rudolph Gespräche mit tschechischen Vereinen in Aussig (Ústí nad Labem) und Ostrau (Ostrava), bei denen Jugendliche aus der Roma-Minderheit mitspielen.
„Sag Nein zu Rassismus“ ist der Anspruch der Mongaguá-Teams in Aussig (Ústí nad Labem) und Ostrau (Ostrava). Foto: Tüpfelhausen – Das Familienportal e.V.
Der Drehplan führt die beiden – insofern es die Pandemie zulässt – weiter nach Israel, wo Schumacher und Rudolph mit verschiedenen Vereinen, darunter einer Fanauswahl des Borussia Dortmund, sowie mit Überlebenden der Shoa sprechen wollen. Ursprünglich waren auch Drehs in den USA geplant. Doch das scheint aufgrund der Corona-Pandemie im Moment schwierig umsetzbar. „Vielleicht können wir einiges über Online-Formate abdecken“, sagt Rudolph.
Die Premiere des Films soll am 19. Dezember in Leipzig stattfinden. Anschließend wird der Film im Rahmen eines Demokratieprojekts auch an sächsischen Schulen aufgeführt. Wenn alles klappt, so Schumacher und Rudolph, kommt er sogar ins Fernsehen.