Teilnehmer einer Diskussion im oberschlesischen Oppeln suchten Wege für eine gute Jugendarbeit der deutschen Minderheit.
2022 wurde von der Europäischen Kommission als das „Europäische Jahr der Jugend“ ausgerufen. Junge Menschen sollen in den Fokus gerückt werden und gute Perspektiven für ihr Leben bekommen. Doch wie sieht eigentlich die Jugendarbeit der deutschen Minderheiten aus und wie lassen sich mehr Jugendliche für zivilgesellschaftliches Engagement und für die Interessen der deutschen Minderheit gewinnen? Wie können sie sich beteiligen und sich, auch in politischen Prozessen, besser einbringen?
Zum Thema „Das europäische Jahr der Jugend: Die Jugend der deutschen Minderheit als Impulsgeber für eine proaktive, moderne und internationale Zivilgesellschaft?“ diskutierten am Mittwochabend, den 16. März, Birgit Fisel-Rösle, Leiterin des Deutschen Konsulats in Oppeln, Rafał Bartek, Vorsitzender der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien und Vorsitzender des Woiwodschaftstags der Woiwodschaft Oppeln, mit Vertretern der Jugendorganisationen der deutschen Minderheit in Polen und Tschechien, Oskar Zgonina und Michal Urban. Die Diskussion moderierte Lucjan Dzumla vom Haus der deutsch-polnischen Zusammenarbeit.
Herausforderung für Vereinsstrukturen
Es ist ein Problem, mit dem die organisierte deutsche Minderheit in Tschechien und Polen, aber sicher auch in weiteren Ländern gleichermaßen zu kämpfen hat: Die Vereine altern, Nachwuchs lässt sich nur schwer zum Mitmachen motivieren. Wie kann man die Vereinsstrukturen öffnen und die Aktivitäten auch für die jüngere Generation attraktiver gestalten, aber auf eine Weise, damit auch die Älteren damit leben können? Rafał Bartek, der die deutsche Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln politisch vertritt, verwies darauf, dass das Thema der Jugendarbeit und die Frage der nächsten Generation, bei der deutschen Minderheit dauerpräsent seien. Die Herausforderungen seien in den letzten Jahrzehnten im Grunde gleichgeblieben, verändern müssten sich aber vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt die Methoden und Ansätze, mit denen man die Jugendlichen erreichen und für die Anliegen der deutschen Minderheit interessieren wolle.
Neue Strategien in Polen
Beim Bund der Jugend der deutschen Minderheit in Polen (BJDM) hat man sich dazu schon konkrete Gedanken gemacht und für die kommenden Jahre ein Strategiepapier entwickelt, wie der BJDM-Vorsitzende Oskar Zgonina berichtete. „Damit zeigen wir genau, was die Jugendlichen wollen und was ihnen zu kitschig ist“, erklärte er. Man wolle offen sein für die Mehrheitsgesellschaft und modern, aber gleichzeitig die Werte der Heimat und der deutschen Sprache aufrechterhalten. Das Singen von Volksliedern sei zwar bei der älteren Generation der deutschen Minderheit sehr beliebt, aber man solle es anerkennen, wenn die Jüngeren dazu keine Lust hätten. Mit ihren Ansätzen scheint die Jugend der deutschen Minderheit in Polen schon erfolgreich zu sein. „Die Mitgliederzahlen sind in den letzten vier Jahren gestiegen“, teilte Zgonina mit. Demnächst soll das Strategiepapier veröffentlicht werden und kann so auch den deutschen Minderheiten in anderen Regionen als Inspiration dienen.
Maximale Offenheit in Tschechien
Michal Urban, der die Jugendorganisation der deutschen Minderheit in Tschechien (JUKON) vertrat, berichtete von erfolgreichen Projekten in seinem Land. Dabei machte Urban seinen Eindruck deutlich, dass die heutigen Jugendlichen sich oft als Europäer identifizieren und damit „eine Ebene höher denken“, wie er sich ausdrückte. Somit sei es schwierig, allein mit der ethnischen Komponente die jüngere Generation zu erreichen. In Tschechien kommen spezifische Probleme, etwa eine starke geografische Zerstreutheit oder eine in der Vergangenheit starke Assimilation der deutschen Minderheit dazu. Deren Spuren gebe es aber überall in Tschechien, man müsse sie nur sehen wollen, so Urban. Letztlich könne die deutsche Minderheit den Jugendlichen viel anbieten, dazu gehören auch die Vermittlung der deutschen Sprache oder der Kulturtransfer. Aber man erreiche die Jugendlichen oft erst „auf Umwegen“. Als ein gelungenes Jugendprojekt erwähnte Urban ein internationales Workcamp, das letzten Sommer im Erzgebirge stattfand, bei dem die Jugendlichen viel über die gemeinsame Geschichte erfuhren. „Geschichte muss keine Last sein“, ist Urban überzeugt. Dabei versuche man in Tschechien, die Projekte so offen wie möglich zu gestalten, etwa auch durch Zweisprachigkeit, um möglichst viele Jugendliche zu erreichen.
Erwachsene in der Pflicht
Im letzten Teil der Diskussion, bei dem auch Gäste Fragen stellen konnten, beschäftigten sich die Diskutierenden viel mit dem Verhältnis zwischen den Generationen, vor allem auch mit der Frage, wie sich junge Menschen in politische Prozesse einbringen können. So kam unter anderem die Frage auf, ob man das Wahlalter nicht schon auf 16 Jahre herabsetzen sollte, worüber sich eine hitzige Debatte entfaltete. Rafał Bartek und Michal Urban standen diesem Vorschlag eher skeptisch gegenüber und begründeten ihre Haltung mit einer nur schwachen politischen Bildung in Polen und Tschechien. Einig waren sich die Diskutierenden aber, dass bei der Jugendarbeit der deutschen Minderheit auch der Anschluss an die Erwachsenenverbände von großer Wichtigkeit ist. „Die Jugend muss abgeholt werden“, mahnte Birgit Fisel-Rösle. Vor dem Hintergrund der theoretischen Diskussion plädierte Oskar Zgonina vom BJDM aber dafür, weniger über gute Jugendarbeit zu reden, sondern sie einfach umzusetzen.
Die Ergebnisse und Gedankenanstöße aus der Diskussion nutzten die Teilnehmenden im Anschluss, um in einem Planspiel ein „visionäres Projekt“ zu entwickeln, das bei einer fiktiven Zukunftskonferenz mit einem Preis ausgezeichnet wurde.
Die Veranstaltung war ein Teil der ifa-Regionalwoche im oberschlesischen Oppeln vom 14. bis 18. März 2022. Die ifa-Kulturmanager sowie -Redakteure aus Polen, Tschechien und der Slowakei kamen in dieser Woche zusammen, um sich untereinander über ihre Arbeit auszutauschen und sich mit lokalen Akteuren zu vernetzen.