1924 nahm der deutsch-jüdische Fußballer Paul Mahrer für die Tschechoslowakei an den Olympischen Spielen teil. Dessen Nachkommen brachten sein Trikot nun zurück nach Prag, wo es ab sofort im Nationalmuseum zu sehen ist.

In einem Raum des vor kurzem renovierten Nationalmuseums in Prag fand am Freitag, den 31. Mai, eine besondere Übergabe statt. Die Enkel des berühmten tschechoslowakischen Fußballers Paul Mahrer reisten mit ihren Familien aus New York und Kalifornien nach Prag, um dem Nationalmuseum ein bedeutendes Erbstück auszuleihen: das Trikot, das Paul Mahrer während der Olympischen Sommerspiele 1924 in Paris trug.

Der am 23. Mai 1900 in Teplitz (Teplice) geborene Paul Mahrer galt als einer der besten Spieler seiner Zeit. Seine Fußballkarriere begann der Mittelfeldspieler aus einer jüdischen Familie im örtlichen Verein FK Teplitz, bevor er 1923 zum Deutschen Fußball-Club Prag (DFC) wechselte. In dieser Zeit wurde er auch in die tschechoslowakische Nationalmannschaft berufen, mit der er 1924 zu den Olympischen Spielen nach Paris fuhr. Im weiteren Verlauf seiner Karriere spielte er für die US-amerikanischen Teams Brooklyn Wanderers und Hakoah-Allstars, bevor er 1933 zum DFC Prag zurückkehrte.  

Das Fußball-Trikot von Paul Mahrer von den Olympischen Sommerspielen in Paris 1924 neben dem T-Shirt der aktuellen olympischen Kollektion für die Sommerspiele 2024, die genau 100 Jahre später wieder in die Hauptstadt Frankreichs zurückkehren. Foto: Eliška Kordová
Das Fußball-Trikot von Paul Mahrer von den Olympischen Sommerspielen in Paris 1924 neben dem T-Shirt der aktuellen olympischen Kollektion für die Sommerspiele 2024, die genau 100 Jahre später wieder in die Hauptstadt Frankreichs zurückkehren. Foto: Eliška Kordová

Schwierige Kriegszeit für Mahrer 

Nach seiner Rückkehr nach Prag war Mahrer noch drei weitere Jahre als Profifußballer aktiv, bis er seine Karriere schließlich 1936 beendete und in der Vězeňská 859 in der Altstadt ein Bekleidungsgeschäft eröffnete. Als die Tschechoslowakei im März 1939 von den Nationalsozialisten besetzt wurde, verhaftete man Paul Mahrer. Am 9. Juni 1943 wurde er schließlich in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Seine Frau und seine Söhne wurden hingegen in Internierungslager in Bayern gebracht.

Im Ghetto Theresienstadt spielte Mahrer gelegentlich in den Fußball-Lagermannschaften der damaligen Dresdner Kasernen. Dem Judenrat war es gelungen, zwischen dem Frühjahr 1943 und August 1944 eine Genehmigung für Fußballspiele als Freizeitbeschäftigung zu erhalten. So wurden Spiele in der ersten und zweiten Fußballliga sowie Pokalwettbewerbe und Jugendspiele organisiert. Mahrer fungierte dort als Spielertrainer im Team der Fleischer, das den Pokalwettbewerb gewann. Während seine Frau und seine Söhne bereits vor Kriegsende den Amerikanern übergeben wurden und in die USA ausreisen konnten, blieb Paul Mahrer bis zum Kriegsende in Theresienstadt. Von dort kehrte er zunächst zurück nach Prag, bevor auch er 1946 zu seiner Familie in die USA reiste.

Die Enkel von Paul Mahrer, Alec (links) und Thomas im blauen Hemd in der Mitte, reisten mit ihren Familien aus den Vereinigten Staaten nach Prag, um dem Nationalmuseum das Trikot ihres Großvaters auszuleihen. Foto: Eliška Kordová

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Eine Ehre für die Familie 

„Aus persönlicher Sicht ehrt es einen Mann, der ein Vermächtnis hinterlassen hat, auf das wir als Familie sehr stolz sein können”, äußerte sich Paul Mahrers Enkel Thomas Mahrer gegenüber dem LandesEcho über die Bedeutung dieser Geste für die Familie. „Er war ein internationaler Fußballspieler, aber für uns war er ein liebevoller Großvater, der ein ganz anderes Leben führte, das wir jetzt wiederentdecken. Jetzt haben wir die Möglichkeit, dies mit viel mehr Menschen zu teilen.“

Das Trikot und andere Erinnerungsstücke überdauerten den Krieg und die nachfolgenden Jahrzehnte. „Wir hatten jemanden, der in der Lage war, Gegenstände aus ihrer alten Wohnung im jüdischen Viertel in Prag aufzubewahren. Dazu gehörten Fotos, Briefe und das Trikot. Es ist ein Privileg, diese Erinnerungen zu haben“, freute sich Thomas Mahrer und fügte hinzu: „Dank der Bemühungen von Alecs Mutter, meiner Tante, sind diese Gegenstände jetzt nicht mehr in einem Schrank verstaut, sondern können mit der breiten Öffentlichkeit geteilt werden. Es ist uns eine Ehre, das tschechische Erbe unseres Großvaters 100 Jahre später wieder aufleben zu lassen.“

Olympische Geschichten im Nationalmuseum

Mahrers Trikot wird Teil der geplanten Ausstellung „Olympijské příběhy” (Olympische Geschichten) sein, die Anfang Oktober eröffnen und fast ein Jahr lang im neuen Gebäude des Nationalmuseums zu sehen sein wird. Die Olympischen Sommerspiele von 1924 bilden zusammen mit den diesjährigen Sommerspielen in Paris eines der sieben Hauptthemen der Ausstellung. Zu den Exponaten gehören unter anderem olympische Kleidung, Maskottchen, Medaillen, Archivmaterialien wie Ausweise, Diplome und Programme sowie weitere Gegenstände, die mit den Olympischen Spielen und der tschechoslowakischen Teilnahme daran in Verbindung stehen. 

Dieser beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 7/2024

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