Der Advent ist da! Diese Zeit in Erwartung des Weihnachtsfests ist voller Gedenktage, Traditionen und Bräuche. Einige davon, die teilweise auch heute noch von der deutschen Minderheit in Tschechien gepflegt werden, hat Irene Kunc vom Verband der Deutschen in Mährisch Trübau (Moravská Třebová) zusammengetragen.
Früher, als in den nebligen Novembertagen plötzlich der Winter eintrat, trieben die Winterhexen in den Lüften ihr tolles Spiel. Der Windsturm brauste über das Dorf und im großen Kachelofen der Bauernstube knatterte das Feuer. An den langen Winterabenden erzählten die Großmütter ihren lauschenden Enkeln von verborgenen Schätzen, verschwundenen Prinzessinnen, Feuermanndln und Raubrittern, Gespenstern und feurigen Drachen und überlieferten so diese Volksschätze der Nachwelt.
Der November bietet uns aber auch noch seine Gedenktage und Bräuche bis in die Vorweihnachtszeit, die wir nicht vergessen sollten. Der November sollte eine Zeit der Besinnung sein: Das Jahr neigt sich seinem Ende zu, die Ernte ist eingebracht, die Natur schließt ab und alles bereitet sich auf den Winterschlaf vor. Das Leben nimmt einen ruhigeren Verlauf und so haben die Menschen etwas mehr Zeit. Wer aber meint, dass der Mensch auch kürzertritt, der irrt sich stark.
Der November war ein bevorzugter Heiratsmonat und ist es auch heute noch. Aus Erzählungen und von Bildern wird deutlich, dass die Hochzeitskleider in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht unbedingt weiß waren. Weiß als dominierende Farbe dürfte sich erst um die Jahrhundertwende eingebürgert haben. An alte Hochzeitssprüche, wie sie mancherorts noch erhalten geblieben sind, erinnert man sich kaum noch. Der „Ehrentanz“, das „Entführen“ von Braut und Bräutigam wie auch das „Kranzlabtanzen“ werden an manchen Orten abernoch heute praktiziert.
„Kathrein sperrt die Geige ein“ – der Kathreintanz schließt das fröhliche Treiben vor dem Advent ab. Früher, an kalten Tagen fuhren die Männer in den Wald Holz schneiden. Bei Schlechtwetter standen die Männer auf der Tenne, um den Getreidedrusch mit den Dreschflegeln fertig zu bringen. Das Vieh im Stall musste versorgt werden.
Mit Kerzen und Petroleumlampen ging man damals auch sparsam um. Letztere zu putzen und nachzufüllen, gehörte zu den wichtigen Betätigungen vor dem Hereinbrechen der Dunkelheit. Für die langen Abende setzte man sich zum Federnschleißen zusammen, der Federnzipf mit Bäckereien und Tee war der Abschluss. Die Spinnräder surrten, um die geschorene und gereinigte Schafwolle oder den Flachs zu Fäden zu spinnen. Das Material konnte man beim Dorfweber verarbeiten lassen. Aber schon lange vor dem Ersten Weltkrieg waren diese Arbeiten aus dem Dorf verschwunden. Selbst die Ältesten Frauen erinnern sich nicht mehr an diese Zeit. Es musste aber bei all diesen Arbeiten sehr lustig gewesen sein, es wurde viel gesungen und erzählt, Lustiges und Gruseliges. Häufig war von Hexen und Zauber die Rede. Über das Unwesen von Hexen und die Abwehrmittel dagegen konnte man Abende lang berichten. Der November war auch der Monat, wo man dem Christkind mit den Geschenken helfen musste, es wurde genäht, gestrickt und gehäkelt. So konnte das Christkind zu Weihnachten Kleider, Pullis, Mützen, Schalen und Handschuhe verschenken.
Adventkranz und Adventkalender gewannen erst nach dem Zweiten Weltkrieg in unserer Gegend an Boden.
Traditionell werden im Begegnungszentrum Pilsen Adventskränze gebastelt. Hier ein Foto aus 2018. Foto: BGZ Pilsen/ Terezie Jindřichová
Der 30. November kündigte den Winter an: „Andre bringt Schnee“ und es beginnt die geheimnisvolle Adventszeit mit Andreastag.
St. Andreas war Fischer, er verkündete nach dem Tode Christi nördlich vom Schwarzen Meer das Christentum und wurde deshalb in Griechenland gekreuzigt. Er ist Schutzpatron der Fischer, Schnitzer und Fleischer.
Die dem Andreastag vorausgehende Nacht ist eine „Losnacht“, in der man die Zukunft erforschen kann. Am St. Andreastag selbst flochten die ledigen Mädchen aus Stroh kleine Kränze. Die Mädchen stellten sich mit dem Rücken gegen einen Apfelbaum und warften ihr Kränzlein über den Kopf auf den Baum. Blieb es beim ersten Wurf in den Zweigen hängen, dann war die Hochzeit im nächsten Jahr zu erwarten. Blieb das Kränzlein nicht auf dem Baum hängen, so bedeutete das, das Mädchen wird niemals Braut.
Am Andreastag waren die Zauber genau so wirksam wie in der Christnacht. In den Bauernstuben wurde allerlei Orakelspiel getrieben, z.B. geschmolzenes Blei in kaltes Wasser gegossen. Die Form der erstarrten Bleistücke ließ den Beruf des zukünftigen Mannes erkennen. Oder man legte Brot, Myrte und Erde in drei gleiche verschlossene Schachteln und der Inhalt der gewählten Schachtel verkündigte dem Mädchen Kummer, baldige Hochzeit oder einen frühen Tod. Ein anderes Heiratsorakel stellte das „Schuhwerfen“ dar. Das Mädchen zog den rechten Schuh aus, stellte sich in die Mitte der Stube mit dem Rücken zur Tür und warf den Schuh über ihren Kopf gegen die Tür. Zeigte er mit Spitze zur Tür, so heiratete die Werferin im nächsten Jahr.
Am Vorabend der Hl. Barbara gingen verkleidete Mädchen und Frauen mit einem Korb durch die Dörfer, aus dem sie an die braven Kinder Obst und Süßigkeiten verteilten. In der anderen Hand hielten sie einen Besen, mit dem sie die schlimmen Kinder „ auszahlen“ konnten. Am Barbara Tag wurde für jede Person im Haus ein Kirschenbaumzweig geschnitten, wessen Zweig am Heiligen Abend nicht aufblühte, hatte einen frühen Tod zu erwarten. Aber ein blühender Zweig kündete eine Heirat vor.
Im Advent begann aber noch ein anderes ganz und gar an die Jahreszeit gebundenes Brauchtum. Dieses Brauchtum, ebenso alt wie die anderen Bräuche, beruhte auf dem Gebot der Liebe und auf dem Willen zu tätigen Hilfe. Der Winter war für die Kinder der armen Leute und für die armen Leute selbst eine harte Zeit. In dieser uralten Form vollzog sich im Brauchtum das Bitten und Geben, in einer Weise, wie sie schöner und edler nicht gedacht werden kann. Dieses sinnige Brauchtum des „ sozialen Ausgleichs“ währte den ganzen Winter hindurch, es begann am Vorabend des St. Nikolaustages.
Im nördlichen Böhmerwald, aber auch im ganzen schlesischen Sprachraum und im Schönhengstgau trat der Heilige höchst persönlich am 5. Dezember im schimmernden bischöflichen Ornat in die Stuben. In der rechten Hand hielt er den Bischofsstab, mit der anderen Hand umfasste er den zusammengeknoteten Zipfel eines großen Sackes, den er über den Rücken geschwungen hatte. Ein weißer Bart umgab den Mund.
St. Nikolaus grüßte sehr fromm und dann fragte er die Eltern ob die Kinder das ganze Jahr hindurch brav gewesen sind. Wenn die Eltern diese Fragen zur Zufriedenheit des Heiligen beantwortet hatten, wandte er sich an die Kinder und befahl ihnen zu beten. Sobald die Kinder ihre Gebete hervorgestottert hatten, kramte Hl. Nikolaus seine Geschenke: rotbäckige Äpfel, braune Hasel-und Walnüsse, Kuchenkränzlein, Lebkuchenreiter, Holzpferde, Puppen, Handschuhe, Pelzkappen und weitere Geschenke aus dem Sack.
Manchmal begleitete „ein Schwarzer“ den Hl. Nikolaus, der draußen vor den Fenstern oder im Hausflur mit den Ketten rasselte. Dieser Knecht wurde „Zempa“ oder „Zember“, auch Ruprecht oder Rupprich genannt. Oder es kamem mit ihm Teufel und Engel.
Oft aber erfolgte die Bescherung in der Weise, dass die Kinder Teller in die Fenster stellten, die am Morgen mit Äpfeln, Nüssen und Backwerk gefüllt waren.
Nikolausfeier der deutschen Minderheit in Havířov 2019. Foto: Hana Slížová
An St. Lucia, den Tag der Schutzpatronin der Näherinnen, Spinnerinnen und aller Schneider durfte man nicht nähen und spinnen. Weiß verkleidete Frauen gingen durch das Dorf mit einem großen Messer und mahnten die Kinder an den Advent und die Fastenzeit. Wer nicht fastet, den mussten sie bestrafen und ihm den Bauch aufschneiden.
In dieser heiligen Zeit des Schenkens führte der Weg weiter zum hochheiligen Weihnachtsfest, dem schönsten Familienfest des ganzen Jahres. Gewöhnlich wurde geschlachtet und das besonders dann, wenn nicht genug Gänse und Enten für den Festbraten vorhanden waren. Es wurden Kuchen, die Christstriezel / Weihnachtstriezel / und Kleingebäck gebacken. Die Häuser dufteten nach Vanille, Zimt, Anis und Rum. Es wurden Zimtsterne, Pfefferkuchen, Ingwergebäck, Vanillekipferln, Mandelnüsse, Kokosbusserln, Weihnachtsplätzchen, Christbaumkranzel und viele andere Plätzchen gebacken, zusammengeklebt und verziert.
In den Advent fällt auch das Fest des hl. Apostels Thomas (21. Dez.). Am Vorabend, um 11 Uhr, stellt man einen Schemel vors Bett, steigt darauf und spricht:
Schamal i tritt‘ di‘ ,Thomas i bitt’di‘
Gib uns an Schein, wer mei Mann wird sein.
oder
Peitschtot i tritt ‚di‘ ,Hailicha Thomas i bitt‘ di‘
Los mi erschein , mein Herzallerliebsten mein.
Man soll am Thomasabend von einer Bürteltrist’n einen Prügel ziehen: Wenn dieser krumm ist, kriegt man einen buckeligen Mann.