Wer mit dem Rübezahl Handel treibt, sollte sich auf Überraschungen gefasst machen. Zeichnung/ Radierung von Ludwig Richter. Credit: Goethezeitportal

Der 1. April gilt allgemein als Tag der Scherze. Und auch unsere Sagen aus dem Riesengebirge für diesen Monat sind wie ein kleiner Aprilscherz des Rübezahls.

Als wieder einmal die schlesischen Händler in einem Dorfe am Elbe-Ursprung im Riesengebirge erschienen, mischte sich auch Rübezahl als armer Bergmann unter die Zahl derer, die zu kaufen gedachten, und fragte einen Handelsmann, was er für Zeug mit sich führe und ob er Lust habe, Ware gegen Ware zu geben. „Wohl“, sagte dieser, „ich habe Strümpfe, Leinwand, Kopftücher und anderes mehr.“

„Und ich“, erwiderte der Bergmann, „habe hier guten Käse.“ Dabei nahm er eine Trage herunter und zeigte dem Händler den Ziegenkäse: Der Mann war darüber sehr erfreut, weil er seiner Frau schon lange versprochen hatte, ihr einmal Ziegenkäse heimzubringen. Der Handel wurde geschlossen, und jeder ging seinen Wegen. Als der Kaufmann seine Waren losgeschlagen hatte, machte er sich auf den Heimweg und malte sich dabei die Überraschung seiner Frau aus, wenn sie den begehrten Ziegenkäse erblickte.

Zu Hause angelangt, umarmte er sein Weib, zog die Schachtel hervor und rief: „Sieh, was ich dir mitgebracht habe! Es ist Ziegenkäse, wie du besseren noch nie gegessen hast!“ Damit nahm er den Deckel ab und fand lauter kleine hölzerne Schachtel drinnen, die die Form von Ziegenkäse hatten. Verblüfft öffnete er eine davon – da bildeten kleine runde Kieselsteine den Inhalt. Ärgerlich über den hinterlistigen Bergmann, der ihn um seine gute Ware betrogen, warf er alle Schachteln zur Tür hinaus, und die Kinder, die vor der Tür spielten, nahmen die Schachtel auf und trieben ihr Spiel damit.

Auch des Mannes Töchterlein, das unter den Kindern spielte, griff nach einer Schachtel und brachte sie dem Vater ins Haus. „Wirf den Plunder weg“, schalt der Weber unwillig, „das ist lauter Narretei!“

„Nein, gib her!“ rief die Mutter, „Ich will aufmachen und sehen, was da drin steckt.“ Dabei nahm sie die Schachtel und öffnete sie trotz des Wiederstrebens ihres Mannes. Gediegenes Gold und die schönsten Edelsteine war der Inhalt. Nun war es freilich kein Wunder, dass der Mann mit einem Satz bei der Tür draußen war und die anderen Schachteln suchte. Aber die waren fort und fanden sich nicht mehr.

Wer mit dem Rübezahl Handel treibt, sollte sich auf Überraschungen gefasst machen. Zeichnung/ Radierung von Ludwig Richter. Foto: Goethezeitportal

Rübezahl verliert seinen Mantel

Ein biederer Schlesier, der schon viel über Rübezahl erzählen gehört, reiste einmal mit seinem Herrn, einem Tuchhändler, über Gebirge. Der Händler wollte einen Jahrmarkt besuchen, der in einem Städtchen am Fuß des Riesengebirges abgehalten wurde. Die Geschäfte gingen gut, und Herr und Knecht traten nach einigen Tagen befriedigt die Rückreise an. Als sie über das Gebirge fuhren, meinte der Knecht: „Ach, Herr, wie schön wäre es, wenn wir hier Rübezahl zu Gesicht bekämen! Ich habe schon so viele Geschichten über den Berggeist gehört, dass ich ihn gern einmal wirklich sehen möchte.“

„Du Narr“, erboste sich sein Herr, „halt’s Maul, wie kann man einen so törichten Wunsch haben. Sei froh, wenn er sich nicht zeigt.“ Unterdessen fuhr der Wagen langsam bergan und dem Tuchhändler fielen bei dem gleichmäßigen Rütteln der Räder die Augen zu. Da kam ein Reiter auf der Straße daher gesprengt, ein Paar helle Augen blickten dem Knecht scharf ins Gesicht, silbern glänzten die wallenden Locken auf dem bloßen Haupt. Ein prächtiger scharlachroter Mantel, an dem reicher Goldschmuck und sprühende Edelsteine glitzerten, wallte von den Schultern des Reiters. Der Kutscherknecht sah alles genau, blickte dem vorbereitenden Fremden nach und gewahrte dabei, dass dem Ritter der prunkvolle Mantel von der Schulter glitt, während sein Besitzer, ohne den Verlust zu bemerken, hinter einer Wegbiegung verschwand.

„Holla!“, brummte der Wagenlenker, „Das ist etwas für mich.“ Er hielt den Wagen an, holte sich den Mantel und legte ihn neben sich, während er die Pferde wieder antrieb. Eine kurze Strecke ging die Fahrt ohne Stockung von sich. Plötzlich aber bemerkte der Knecht, dass die Pferde nicht mehr recht weiterkommen. Sie plagten sich, gerieten in Schweiß, schlugen um sich, und kein Schelten und Antrieben war imstande, ihre Gangart zu beschleunigen. Schließlich waren sie überhaupt nicht mehr von der Stelle zu bringen.

Das Schreien des Kutscherknechtes hatte den Herrn aus dem Schlummer geweckt. Unwillig fragte er, was das Getöse bedeuten solle und warum sie denn gar nicht vom Fleck kämen. Verlegen stotterte der Knecht herum, er wisse nicht, was die Ursache sei. Bei sich aber dachte er, an allem könne nur der gefundene Mantel schuld sein, der auf dem Wagen lag. Freilich war ihm nicht recht wohl bei der ganzen Sache.

Der Herr blickte den Knecht an und meinte dann: „Das geht nicht mit rechten Dingen zu“ – denn das Schnauben der Pferde wurde immer ärger – „was ist denn geschehen, während ich schlief? Heraus mit der Farbe, damit wir nicht noch mehr Schaden leiden!“ Kurz, er setzte seinem Begleiter hart zu, bis dieser mit der Wahrheit herausrückte und erzählte, es sei vor kurzem ein vornehmer Herr vorüber geritten, der habe nahe beim Wagen seinen Mantel verloren. Den habe er aufgehoben und auf den Wagen gelegt. Das sei alles.

Dem Tuchhändler aber wollte die ganze Geschichte nicht gefallen. „Nimm den Mantel“, befahl er, „und trag ihn gleich wieder hin, wo du ihn genommen hast.“ Der Knecht beeilte sich, diesen Auftrag zu vollziehen, so leid es ihm tat, den Mantel wieder herausgeben zu müssen. Nachdem der Mantel vom Wagen entfernt war, beruhigten sich die Pferde und standen still. Als dann der Fuhrmann das Gefährt wieder bestieg und die Gäule antrieb, zogen diese das Fuhrwerk ohne Anstrengung von der Stelle weg, und alles schien wieder in Ordnung.

Doch sie waren noch nicht weit gekommen, so lag der Mantel wieder am Weg. Dem Knecht tat das Herz weh, dass er das herrenlose Kleidungsstück hier im Wald liegen lassen soll. Doch sein Herr warnte ihn: „Rühr den Mantel nicht an, sieh dich auch nicht um, sondern fahr zu, was das Zeug hält, damit wir bald aus dem unheimlichen Wald herauskommen.“

Der Knecht befolgte den Befehl seines Herrn und war wie dieser froh, als sie nach einigen Stunden den Berg hinter sich hatten. Später freilich erzählte er stolz, dass er Rübezahl im Gebirge von Angesicht zu Angesicht gesehen und um ein Haar dessen Mantel erbeutet hätte.

Zusammengetragen von Irene Kunc

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Landesecho-Ausgabe Nr. 4/2023

Das neue LandesEcho 4/2023 ist da!

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