Durch eine Spendensammlung soll das Grab des vergessenen Brünner Schriftstellers Guido Glück restauriert werden.
Wilde Gräser und Sträucher überdecken das Grab, es scheint, als würden sie es regelrecht verschlingen wollen. Nur mit Mühe ist unter dem Gestrüpp noch ein Grabstein zu entdecken – Wind und Wetter der letzten Jahrzehnte haben ihre Spuren hinterlassen. In diesem Zustand befand sich bis letzten Herbst die Grabstätte des Brünner Pädagogen, Dramatikers und Schriftstellers Guido Glück auf dem Brünner Zentralfriedhof. Es ist ein Schicksal, wie es hunderttausende Gräber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Vertreibung der deutschen Bevölkerung ereilte.
Glücks Grab im Juni 2021. Foto: Jana Urbanovská
Letzten Sommer wurde Jana Urbanovská (1983) auf Guido Glück und dessen verfallendes Grab aufmerksam. Sie übernahm eine Patenschaft für das Grab und startete eine Spendensammlung, um Glücks letzte Ruhestätte wieder in einen würdevollen Zustand zu bringen. „Mit der Nichtregierungsorganisation ‚Paměť národa‘ (dt. „Gedächtnis der Nation“) habe ich mich mehrmals an freiwilligen Arbeiten auf dem Brünner Zentralfriedhof und neulich auch auf dem Brünner Jüdischen Friedhof beteiligt, wo wir Gräber von bedeutsamen Brünner – meistens deutschen – Familien gepflegt haben. Dabei wurde mir klar, dass es tausende deutsche Gräber gibt, die eine Pflege verdienen, und dafür wollte ich mich engagieren“, berichtet die Mitarbeiterin der Masaryk-Universität, die sich wissenschaftlich vor allem mit den deutsch-tschechischen Beziehungen beschäftigt. Auf Guido Glück sei sie letztendlich durch einen Freund aufmerksam geworden, der sich mit der Geschichte der Stadt Brünn beschäftigt, erzählt Urbanovská. Außerdem richtete sie eine Webseite ein, auf der man sich über Guido Glück informieren kann.
Jana Urbanovská.
Theaterkritiker, Dramaturg, Autor
In den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gehörte Guido Glück zu den bedeutendsten deutschsprachigen Kulturschaffenden der Mährischen Metropole. Geboren wurde er 1882 zu Barco in Italien als Sohn einer Tschechin aus einem Brünner Vorort und eines Deutschen aus Znaim (Znojmo). Als Glück drei Jahre alt war, zog die Familie zurück nach Mähren, der junge Guido besuchte die Volksschule in Grillowitz (Křídlovice), später ging er auf das erste deutsche Gymnasium Brünns. Bereits zu dieser Zeit unternahm er seine ersten literarischen Gehversuche. Es folgte ein Studium der Germanistik in Wien und Graz. Ab 1910 lehrte Glück als Professor an seiner alten Schule.
Nach der Entstehung der Tschechoslowakei setzte sich Glück für die Förderung der deutschen Theater- und Musikpflege ein, für mehrere Zeitungen war er als Kritiker tätig. Nicht zuletzt gründete Glück die Theaterzeitschrift – „Die Rampe“. Bis 1932 arbeitete er zudem als Theaterdramaturg und Regisseur und war auch als Autor von Gedichten, Romanen und Theaterstücken sehr produktiv. „Das Werk von Guido Glück ist ziemlich umfangreich. Er schrieb Gedichte, Opernlibretti, Romane. Genauso wie viele andere deutsche Schriftsteller aus Brünn ist Guido Glück nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit geraten“, weiß der Brünner Germanist Jiří Skoupý, der sich in seiner Magisterarbeit intensiv mit Glücks Schaffen auseinandersetzte. Vor allem beschäftigte sich Glück in seinem Werk mit der Frage der „gespaltenen Loyalität“ der deutschen Autoren gegenüber der damaligen Tschechoslowakei, zum Beispiel in seinem gesellschaftlich-politischen Heimatroman „Der goldene Boden“ (1912). Darin behandelt Glück das Leben der Mittelschicht und die „Gefahr“ der Tschechisierung Südmährens. „Manche Autoren waren am Anfang der Republik unglücklich, dass die Deutschen in Mähren ihren Einfluss verloren. Viele dieser Autoren, auch Guido Glück, haben dann aber nach dem Aufstieg Hitlers verstanden, dass er gefährlich ist und man vom Deutschtum nichts Gutes erwarten kann“, so Skoupý.
Rettung vor dem KZ
Im Titel der Arbeit bezeichnete Skoupý Guido Glück als „Schutzgeist“, da Glück ihn an den Engel „Guido“, eine Figur in einem Drama des Schriftstellers Kotzebue erinnerte – aufgrund des Namens und der italienischen Abstammung. Nicht zuletzt wirkte Glück – bekennender Sozialdemokrat – in den 30er Jahren selbst als ein „Schutzgeist“. Er rettete den jüdischen Jungen Jaromír Fuchs – den Sohn seiner Partnerin Zdenka Fuchs – vor dem Konzentrationslager, indem er vor Gericht seine biologische Vaterschaft bezeugte. Nach 1933 zog sich Glück zwar zunehmend aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Aber auch nach der Errichtung des Protektorats wirkte er noch als Deutschlehrer und wagte es, das NS-Regime zu kritisieren, wie einige seiner Schüler später berichten sollten.
Nach dem Krieg galt Glück als „Antifaschist“ und durfte in der Tschechoslowakei verbleiben. 1954 starb er einsam und ohne Nachkommen in Brünn. Seine deutschen Freunde waren nicht mehr da, die Brünner Bohème verlorengegangen. Folglich gab es niemanden, der sich um sein Grab kümmerte.
Das Grab nach einer Aufräumaktion im September 2021. Foto: Jana Urbanovská
Inzwischen hat sich der optische Zustand der Grabstätte aber schon deutlich verbessert. Im vergangenen September wurde bereits der Wildwuchs entfernt und der Grabstein wieder freigelegt. Mit dem Geld aus der Spendensammlung möchte Urbanovská als Nächstes einen Steinmetz damit beauftragen, einen neuen Grabstein anzufertigen. Insgesamt sind 107 000 Tschechische Kronen nötig, etwas mehr als 20 000 Kronen fehlen noch.
„Für mich ist Guido Glück das Symbol eines Kapitels unserer Geschichte, die nicht vergessen oder übersehen werden sollte. Das deutsch-tschechische Zusammenleben war nicht nur von Konflikten, sondern auch von fruchtbringender Einflussnahme und Kooperation gekennzeichnet“, resümiert Urbanovská.
Geldspenden sind möglich über www.donio.cz/obnovahrobu