Das Landart-Festival in Königsmühle bietet neben Kunst auch Theaterstücke und Workshops an. Foto: Ilyas Zivana

Vom 4. bis 6. August fand im Erzgebirge das Landart-Festival Königsmühle statt. Mit einer Lesung sorgte unter anderem die Landesversammlung der deutschen Vereine für ein vielfältiges Kulturprogramm.

Wer das Landart Festival “Königsmühle” besuchen will und dem Navi bis zur Landstraße bei Böhmisch Wiesenthal (Loučná pod Klínovcem) gefolgt ist, wird sich hier erst einmal umsehen müssen, bis er den unscheinbaren Stichweg zwischen Ferienhaus und Pension gefunden hat. Kleine Grüppchen von Menschen verschiedenen Alters pilgern einen steinigen Pfad hinauf, über Bergwiesen geht es dem Wald entgegen. Nach gut 20 Minuten des Weges werden am Waldrand in der Ferne alte Gemäuer sichtbar. Musik schallt über die Wiesen, Kinder spielen am Bach. Bunte Zelte und Pavillons lassen keinen Zweifel: Hier muss das  Landart-Festival stattfinden.

Seit dem ersten Landart-Festival Königsmühle im Jahr 2012 ist die Fangemeinde stetig gewachsen. „Landart“ bezeichnet eine Kunstströmung, bei der Kunstwerke in der Landschaft platziert oder aus ihr erschaffen werden, mit ihr interagieren und so das Erleben von Raum und Umwelt verändern. 

Petr Mikšíček, Gründer und Leiter des Festivals, huscht emsig von einem Ort zum anderen, dirigiert die Künstler, plauscht mit Besuchern und sieht an den Ständen nach dem Rechten. Immer wieder richtet sich sein Blick gen Himmel. „Dieses Jahr können wir sehr zufrieden sein“, sagt er. „Am gestrigen Samstag hatten wir rund 300 Besucher.“ Zwar werden die Besucherzahlen des Rekordjahres 2019, als 600 Besucher kamen, wohl nicht mehr erreicht werden, dennoch ist das Interesse trotz der unbeständigen Wetterlage in diesem Jahr groß. „Neben unseren Hauptsponsoren – dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und dem Bezirk Aussig – ist unser größter Unterstützer Petrus“, sagt Mikšíček und lacht, während sich der Himmel über ihm wieder bedrohlich zuzieht. Aber sicherlich ist es auch das raue Klima, das zum Genius Loci dieses Ortes beiträgt.

Petr Mikšíček, Gründer und Leiter des Festivals in Königsmühle. Foto: Ilyas Zivana

Der verschwundene Ort Königsmühle 

An diesem vergleichsweise ungemütlichen Augustwochenende scheint es unvorstellbar, dass die Gegend früher das ganze Jahr über besiedelt war. Einst bestand der Ort Königsmühle aus sieben Gebäuden – fünf Wohnhäusern, in denen stets um die 50 Personen wohnten, und zwei Mühlen. Hier wurde Getreide, das über die nahe gelegene Handelsstraße von Böhmen nach Sachsen transportiert wurde, gemahlen und abgefüllt. Im Winter war der in einer Höhe von 915 Metern gelegene Ort gänzlich von der Außenwelt abgeschnitten. 

Das Ende der Siedlung kam im Herbst 1946, als die Bewohner im Zuge der Vertreibung der deutschen Bevölkerung die Tschechoslowakei verlassen mussten. Ihre Häuser dienten den Menschen aus umliegenden Ortschaften bald als Quelle für Baumaterial. So blieb von den ursprünglich sieben Gebäuden nichts als Ruinen übrig. Der Ort Königsmühle verschwand. Ein ähnliches Schicksal ereilte hunderte deutsche Ortschaften in Böhmen, Mähren und Schlesien. Nachdem etwa drei Millionen Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben wurden, fanden sich nur 1,7 Millionen tschechische Neusiedler. Zu wenig, um die entvölkerten Landstriche wieder in Gänze zu besiedeln. Vor allem kleinere Ortschaften wurden geplündert, verkamen oder wurden von der tschechoslowakischen Armee bald planmäßig dem Erdboden gleichgemacht.

Kunst, Kultur und deutsche Geschichte

Königsmühle aber blieb zumindest Letzteres erspart und so bilden die Ruinen seit nunmehr elf Jahren die Kulisse für das Landart-Festival. Auf diesem sind nicht nur bildende Künste vertreten. Es gibt Theater, Konzerte, Lichtshows, Workshops und vieles mehr – natürlich immer auf Deutsch und Tschechisch. „Unsere Besucher kommen zu gleichen Teilen aus Deutschland und aus Tschechien“, erklärt Mikšíček. Ein besonderes Highlight ist der Besuch der letzten noch lebenden gebürtigen Königsmühlerin Rosemarie Ernst, die jedes Jahr am Festival teilnimmt.

Auch die Landesversammlung der deutschen Vereine beteiligte sich am reichhaltigen kulturellen Programm und stellte gemeinsam mit der Autorin Lucie Römer ihr zweisprachiges Märchenbuch “In der Welt von Rübezahl und den Wassermännern” vor, welches Märchen und Sagen der Deutschen aus Böhmen, Mähren und Schlesien enthält. Der Lesung am Sonntagnachmittag lauschten nicht nur kleine Gäste. Die mitgebrachten Exemplare waren schnell vergriffen. Das Interesse an der Kultur der ehemaligen deutschen Bevölkerung ist nach wie vor groß.

Die Autorin Lucie Römer las aus ihrem zweisprachigem Märchen- und Sagenbuch “In der Welt von Rübezahl und den Wassermännern” vor Foto: Ilyas Zivana

Dies bestätigen auch die Studenten Jakub, Jana und Daniela aus Falkenau (Sokolov). Sie helfen ehrenamtlich mit der Organisation und arbeiten an der Kasse. „Das Interesse an der deutsch-tschechischen Geschichte ist auch bei uns Jüngeren auf jeden Fall da“, erzählt Daniela. „Bei uns in der Schule gab es Arbeitskreise zum Thema der deutschen Geschichte in der Region. Das ist irgendwie auch klar, wenn man von hier kommt.“ Dem pflichtet Mikšíček bei: „Der Umgang mit der deutschen Geschichte ist in Tschechien in den letzten Jahren immer offener geworden, kritische Stimmen sind mehr und mehr verstummt.“ Und in Königsmühle sowieso, ergänzt er: „Bei uns herrscht so eine deutsch-tschechische Harmonie.“

Werden Sie noch heute LandesECHO-Leser.

Mit einem Abo des LandesECHO sind Sie immer auf dem Laufenden, was sich in den deutsch-tschechischen Beziehungen tut - in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft oder Kultur. Sie unterstützen eine unabhängige, nichtkommerzielle und meinungsfreudige Zeitschrift. Außerdem erfahren Sie mehr über die deutsche Minderheit, ihre Geschichte und ihr Leben in der Tschechischen Republik. Für weitere Informationen klicken Sie hier.