Vergangenes Wochenende veranstalteten die Magazine der deutschen Minderheiten in Tschechien und der Slowakei eine Medienwerkstatt in Brünn (Brno) zum Thema Flucht, Migration und Vertreibung.
“Ihr müsst auf die Details achten”, erklärt die Referentin Bára Procházková nachdrücklich. “Betrachtet die Person, die euch gegenüber sitzt, und sucht das Einzigartige, das Besondere an ihr.” Die Teilnehmer lauschen konzentriert dem Vortrag und schauen gebannt auf die Präsentation an der Wand des Begegnungszentrums des Deutschen Kulturvereins Region Brünn, während draußen der Regen gegen die Fenster prasselt. Diese Aufgabe war Teil der Medienwerkstatt der Magazine LandesEcho und Karpatenblatt am vergangenen Wochenende vom 4. bis 6. August. Unter dem Titel: “Geschichten vom Gehen und Bleiben” setzten sich die Autoren mit den Themen Flucht, Migration und Vertreibung auseinander.
Das Schreiben eines Porträts
Am Freitag konnten sich alle Teilnehmer zunächst bei einem Abendessen näher kennenlernen. Am Samstag war es Zeit für die Arbeit: Die Aufgabe des Tages bestand darin, ein Porträt zu verfassen. Am Anfang erklärte Bára Procházková, worauf es dabei ankommt. Dazu gab es verschiedene Übungen, bei denen man sich an die Art und Weise herantasten konnte, wie diese Texte formuliert werden. Außerdem versuchten die Teilnehmer, an verschiedenen Orten ein ideales Foto für solch einen Beitrag zu machen.
Gespräche mit Zeitzeugen
Im Anschluss wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen eingeteilt, um je einen Zeitzeugen zum Thema zu interviewen und anschließend ein Porträt über sie zu schreiben. Die erste Zeitzeugin Lieselotte Procházková, genannt Lotte, hat als Kind die Vertreibung der Deutschen aus dem Egerland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 miterlebt. Dabei durfte ihre Familie bleiben, weil ihr Vater als Bergmann im Ort gebraucht wurde. Sie erzählte, wie sie dafür gekämpft haben, dass ihre Großmutter ebenfalls bei ihrer Familie bleiben durfte. Dazu zeigte sie Dokumente, in denen ihre Großmutter zugestimmt hatte, im Gegenzug auf ihre Rente zu verzichten. Heute ist die 79-Jährige ein engagiertes Mitglied im Deutschen Kulturverein Region Brünn.
Die zweite Zeitzeugin, Olga Vaganova-Golovko, hat zu Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine vergangenes Jahr ihr Zuhause in Kiew verlassen. Zunächst floh die 48-Jährige Mutter mit ihrem Mann und Sohn eine Zeit lang nach Lemberg (Lviv) am westlichen Rand der Ukraine. Als die russischen Truppen auch Lviv angriffen, kam sie mit ihrem Sohn nach Tschechien. Seitdem ist sie von ihrem Mann getrennt. Dieser darf die Ukraine aufgrund des Krieges nicht verlassen. Heute arbeitet sie bei einer NGO in Brünn. Im Gespräch erzählte sie von ihrer Flucht und davon, wie ihr erstes Jahr in Tschechien verlief.
Am Sonntag wurden die ersten Textentwürfe fertiggestellt und mit der Referentin besprochen. Die Porträts erscheinen in den nächsten Printausgaben des LandesEcho und des Karpatenblatts.
Das Projekt wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland durch das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) gefördert.
Ein besonderer Dank gilt dem BGZ Brünn für den herzlichen Empfang und die Möglichkeit, die Medienwerkstatt in dessen Räumlichkeiten durchzuführen.