Über einer Tür in Jauernig prangt noch eine Erinnerung an vergangene Zeiten - Foto: Bohemia Troppau

Karel Jiřík besitzt ein Haus am Unterring in Troppau (Opava). Besucht man ihn dort, sieht man überall SudetikaKarel Jiřík besitzt ein Haus am Unterring in Troppau (Opava). Besucht man ihn dort, sieht man überall Sudetika– Bücher, Bilder, alte Zeitungen über ehemals deutsch geprägte Gegenden Tschechiens. Egal welchen Abschnitt des letzten Jahrhunderts man erwähnt, sofort spürt man, dass Herr Jiřík sich damit befasst hat.

 

Vor Kurzem hat er eine Hausruine am Marktplatz in Jauernig (Javorník) gekauft, die er nun restauriert. Dafür hat er einen Kredit von der Bohemia Troppau bekommen. Für das LandesEcho schildert er seine Motivation für dieses Projekt.

Die Restaurierung eines Hauses erfordert viel Arbeit - Foto: Bohemia Troppau

LE: Herr Jiřík, sind Sie deutscher Herkunft?

Was für eine Frage! Meine Mutter ist aus Kuchelna (Chuchelná), mein Vater aus Bolatitz (Bolatice), beides Hultschiner Ländchen (Hlučínsko). Ich bin 1952 geboren und absolvierte eine Lehre zum Schlosser und Schiff smaschinisten in Bodenbach (Podmokly/Děčín). Ich versuchte, hier in Nordmähren ordentlich zu arbeiten. Es war aber schwierig. Ich war den Kommunisten gegenüber zu offen und habe es abgelehnt, mit der Stasi zusammenzuarbeiten. Viele Deutsche und Tschechen wurden dazu gezwungen, sonst durften sie nicht in den Westen reisen. Wenn jemand mehrere Male in den Westen fahren durfte war das ein Zeichen dafür, dass er ‚mitarbeitete‘.

LE: Wie haben Sie das gelöst?

Zuerst ging ich 1973 in die Urangruben nach Pribram (Příbram). Dort brauchte man Arbeitskräfte und fragte nicht nach Herkunft oder Begleitpapieren. Im Frühjahr 1974 ist es mir dann gelungen, als Schiffer bei der „Československá plavba Labsko-Oderská“, also an der volkseigenen tschechoslowakischen Elbeschifffahrt, angenommen zu werden. Wir haben Schwarzkohle, Blech oder auch Maschinen bis nach Hamburg gefahren. Die Maschinen waren aber nicht für den Westen, sondern für Kuba oder andere Entwicklungsländer bestimmt. Manche sind bis heute nicht bezahlt.

LE: Warum sind Sie ausgewandert?

Im September 1981 wanderte ich nach Westdeutschland aus, weil ich damals wieder ablehnte mit der Geheimpolizei zusammenzuarbeiten. Damit wurde meine Lage in der Tschechoslowakei immer schwieriger.

LE: Wie war Ihr Berufsleben im ‚Westen‘?

Ich war zufrieden, da ich die Freiheit genießen konnte. Ich arbeitete zuerst als Schweißer bei der SAG (Stromanlagen-Gesellschaft), einer Tochter der RWE. Nach einem Autounfall, ein Geisterfahrer kam mir an der A 661 Richtung Frankfurter Kreuz entgegen, wurde ich zum Taxifahrer. Meine Verwandtschaft litt aber natürlich wegen meiner Flucht.

LE: Schließlich konnten Sie endlich in die ‚befreite Heimat‘!

Ich kehrte 1990 zurück in die Tschechoslowakei. Mit der Freiheit ging es nicht so schnell. Für die meisten Leute hat sich nichts verändert. Jeder von uns hat sein Päckchen zu tragen. Die ältere Generation kann sich kaum umstellen, ich setze auf die junge.

LE: Wo haben Sie gearbeitet?

Ich betrieb mit meiner Ehefrau einen Importhandel. Ich fuhr aus Thailand verschiedene Verbrauchsgüter, Textilstoffe aus Baumwolle, Silber und Ähnliches ein. Ich war insgesamt mehr als achtzigmal dort. Aber irgendwann muss man ansässig werden. Wir kauften also ein geschichtsträchtiges Haus am Unterring in Troppau. Keiner kann sich vorstellen, wieviel Geld, Mühe, Ärger und Zeit es kostete, bis das Haus einigermaßen instand gesetzt war. Die meisten Leute hätten lieber das Leben genossen. Heute ist das Haus schuldenfrei, ich bin ein erfahrener Baumeister und die Erträge hätten eine ruhige Rente sicher können, wenn …

LE: …wenn Sie die Hausruine in Jauernig nicht gekauft hätten.

Jauernig hat so eine schöne Architektur und interessante Geschichte. Stellen Sie es sich vor: An den vielen Bächen und Flüssen standen früher Mühlen, manche schon vor dem Krieg mit einer Stromturbine. Alles konnte hier nur durch unvorstellbar harte Arbeit erreicht werden. Die nach 1945 gekommenen Neusiedler waren nicht bereit, diese zu leisten. Ohne die Vertreibung wäre es eine blühende Landschaft geworden. Überall waren Stromanlagen an den Mühlen. Und wenn man sich die Wälder anschaut, ist es einem wegen dem Schaden durch den Borkenkäfer bange. Früher wusste noch jeder Waldbesitzer, dass man um den befallenen Baum eine einige Meter breite Schutzzone anlegen muss. Weiß die staatliche Forstwirtschaft České lesy das nicht? Sie besitzt die Wälder 70, ja 90 Jahre!

jauernig1Aber zum Haus. Es befindet sich direkt am Marktplatz. Es gehörte Karl-Heinz Lang. Unten war ein Versicherungsbüro und ein Laden, im ersten Stock die Wohnungen. Nach 1945 wurde Familie Robotka zum sogenannten nationalen Verwalter, jedoch nur bis 1948. Dann wurde es wieder verstaatlicht. Ich habe es 2016 als eine völlige Ruine gekauft. Das Ziel ist, das Haus zu retten und entweder selber zu betreiben, oder zu verkaufen.

LE: Wie ist die Einstellung der dortigen Bevölkerung?

Typisch „sudetisch“ negativ. Nichts ist möglich, alles ist zwecklos. Nach der Wende sind einige Nachkommen der ehemaligen nationalen Verwalter zurückgekehrt. Daraufhin antworte ich: Schaut euch das Hultschiner Ländchen an. Es würde hier genauso gut aussehen, hätte man die einheimische Bevölkerung dagelassen. Andererseits, als ich erzählt habe, dass ich ein Deutscher bin, sagten Manche: „Meine Oma war auch eine Deutsche.“

LE: Gibt es also wenig Hoffnung?

Ich bin optimistisch. Der Stadtrat ist positiv. Einiges ist schon passiert, wie das Wellnesshotel Rychlebský oder die Radwege um Alt Rothwasser (Stará Červená Voda) herum. Das zieht Touristen aus ganz Tschechien oder auch Polen an. Manche jungen Leute kommen zurück. Die Preise in Prag sind hoch und die ‚IT-Nomaden‘ können heute von einem beliebigen Ort aus arbeiten. Einige entdecken aufs Neue ihre eigenen Wurzeln und können die Schönheit der Landschaft und die Ruhe genießen. Ich träume davon, dass aus Jauernig mal ein Reisezentrum wird, wie man es aus Österreich oder der Schweiz kennt. Es wäre toll, wenn man etwas für die Touristen bauen könnte, zum Beispiel einen Aquapark.

LE: Was bleibt aber vom deutschen Erbe?

Wenn etwas vom deutschen Erbe zu retten ist, sind es die Objekte, die Häuser. Es ist doch ein Bestandteil unserer Geschichte. Wie vielerorts war auch in Jauernig die Liquidation des historischen Stadtkerns schon vorbereitet. Die Stadt ist dem Untergang nur knapp entgangen. Aber denken Sie an Brüx (Most), Jägerndorf (Krnov), Aussig (Ústí nad Labem). Wenn ich nach Jauernig komme, zünde ich eine Kerze für alle die Deutschen an, die hier gelebt haben.

Das Gespräch führte Richard Neugebauer.

Alle Informationen zur Restauration des Hauses in Jauernig kann man auf www.facebook.com/dumjavornik finden.


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