Zeichnung: Jiří Bernard

Um die Burgen und Schlösser in Mähren – im Mährischen Karst, den Pollauer Bergen und anderswo – ranken sich zahlreiche Sagen und Erzählungen. In Schloss Frain, so heißt es, trauert noch immer der Geist des einstigen Inhabers um seine ermordete Frau.

Das erste Adelsgeschlecht, das Schloss Frain (Vranov nad Dyjí) besaß, waren die Lichtenburger. Die Burg kam im 15. Jahrhundert in den Besitz der Familie Lichtenburg und blieb zwei Jahrhunderte lang in ihren Händen.

Fortuna, die Waldfee

Damals lebte die Waldfee Fortuna in der Nähe des Schlosses. Eines Tages erlegte der Burgherr bei der Jagd einen weißen Hirsch. Doch das verwundete Tier entkam und der Ritter konnte es nicht mehr einholen. Bis er zu einem Brunnen kam, wo ein schönes Mädchen saß, und die blutende Wunde des Hirsches versorgte. Der Ritter wollte das Tier töten und die Trophäe zurück ins Schloss bringen. Aber das Mädchen flehte ihn an, es zu verschonen. Im Gegenzug versprach sie, eine schützende Hand über ihn zu halten. Der Ritter willigte ein, und das Mädchen sagte ihm, dass er und seine Dame bald auf die Burg Znaim (Znojemský hrad) eingeladen würden. Sie warnte ihn, er solle seine Frau besser zu Hause lassen, sonst würde ihr auf dem Weg dorthin etwas Schlimmes passieren.

Das Schicksal nimmt seinen Lauf

Wie die Fee sagte, so geschah es. Bald kam ein Bote aus Znaim (Znojmo) mit einer Einladung zu den großen fürstlichen Feierlichkeiten. Die Burgherrin begann sich zu freuen und vorzubereiten, und so verschwieg der Ritter ihr, was ihm im Wald widerfahren war – bestimmt hätte sie ihn ausgelacht. Am Tag des Festes in Znaim ließ er eine Kutsche kommen und rief drei Waffenknechte, die ihn begleiten sollten. Sie machten sich alle auf den Weg. Kaum waren sie in den tiefen Wald eingetaucht, wurden sie von einer Horde bewaffneter Räuber überfallen. Die Frau wartete nicht ab, bestieg ihr Pferd und ritt aus dem Wald hinaus. Das Pferd stolperte jedoch über eine Baumwurzel, und die Frau stürzte und brach sich das Genick.

Der Geist von Schloss Frain

Der Burgherr und seine Männer kämpften tapfer, bis die Räuber besiegt waren. Dann machte sich der Ritter auf die Suche nach seiner Frau. Er fand sie an dem Brunnen, an dem er einst den weißen Hirschen gefunden hatte. Er nahm seine Frau in die Arme, aber sie öffnete ihre Augen nur leicht und hauchte ihr Leben aus. In diesem Augenblick erschien Fortuna erneut. Der Burgherr flehte sie an, seiner Frau das Leben zurückzugeben, wie sie es dem weißen Hirsch gegeben hatte. Aber die Fee schüttelte nur stumm den Kopf und verschwand wieder. Der Ritter begriff, dass seine Frau vielleicht noch am Leben wäre, wenn er auf Fortuna gehört hätte. Er kümmerte sich nicht mehr um sein Schloss und vernachlässigte seine Pflichten. Schließlich verließ er seinen Sitz und begann, durch die Wälder zu wandern. Er hoffte, die Fee zu finden, um sie vielleicht doch noch zu überzeugen, seine Frau zurückzuholen, aber er suchte vergeblich. Nach seinem Tod kehrte er als Geist ins Schloss Frain zurück. So wandert er auch heute noch in den Gewölben des Schlosses umher. Er tut niemandem etwas zuleide, aber jeder, den er trifft, ist von Trauer überwältigt.

Quelle: „Geschichten aus dem südmährischen Raum“ von Margarete Kubelka
Zusammengetragen von Irene Kunc

Dieser beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 3/2025

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