Im Schloss in Lundenburg wohnte einst eines der schönsten Mädchen, dass die Welt je gesehen hatte. Doch nur einer konnte ihr Herz erobern.
Zu Beginn des 11. Jahrhunderts wurde Mähren dem böhmischen Fürstentum angegliedert und der Sohn von Fürst Oldřich, der junge Fürst Břetislav, wurde Verwalter von Mähren. Er war bereits durch die Entführung seiner Frau Jitka, alias Judith von Schweinfurt, aus dem Schweinfurter Benediktinerkloster berühmt geworden. Ebenjener Fürst Břetislav ließ an der neu gebildeten Landesgrenze, am Flusse Dyje (Thaya), eine Wachburg gegen Österreich und Ungarn errichten. Die Burg ward vom umliegenden Sumpf gut geschützt. Im 16. Jahrhundert wurde die Burg in ein Renaissanceschloss umgewandelt – die Befestigungsanlagen jedoch blieben bestehen. Zu diesem Zeitpunkt – um die Burg herum hatte sich längst die Stadt Lundenburg (Břeclav) ausgebreitet – lebte dort ein Herr mit einer bildhübschen Tochter.
Verprellte Freier
Jeder, der sie sah, ward ihr verfallen. Die Menschen konnten nicht herausfinden, woher ihre Schönheit kam. Schließlich kam es ans Licht: Es lag daran, dass sie bei Mondschein in Milch badete. Doch dieses Schlossmädchen war nicht nur schön, sondern auch sehr stolz. Viele, viele edle Freier machten ihr den Hof, aber sie wies sie alle ab. Zu allem Überdruss machte sie sich auch noch über die Ritter und Herren lächerlich. Einer sei klein wie ein Knirps, der andere dünn wie eine Bohnenstange, der nächste sei ein Trampeltier, und der übernächste nur Haut und Knochen: An jedem hatte sie etwas auszusetzen. Die Herren verließen die Burg mit geballten Fäusten und zusammengepressten Lippen, verfluchten sie und schworen Rache.
Stunde der Vergeltung?
Ein Jahr verging, und der Vater des Mädchens musste an der Seite seines Herrschers kämpfen. Was für eine seltene Gelegenheit für einen abgewiesenen Bräutigam! Sie alle hatten sich auf die Seite der Feinde des Burgherrn geschlagen und freuten sich darauf, das stolze Mädchen gedemütigt zu sehen, wenn sie kämen, die Burg eroberten und sie zu ihrer Gefangenen machten. Doch bevor er ins Feld zog, rief der Schlossherr seine Tochter zu sich, verabschiedete sich von ihr und führte sie schließlich in ein geheimes Zimmer. Dort zeigte er ihr eine verborgene Tür und sagte: „Wenn du dich in Gefahr befindest, fliehe hier entlang. Nimm die Treppe zum unterirdischen Gang, der dich weit in den Wald führt.“
Ein Herz, geschnitzt in Holz…
Der Kampf begann, und das Kriegsglück wogte hin und her. Die feindlichen Truppen umstellten das Schloss, darunter alle beleidigten Freier. Mit Jubel bereiteten sie sich schon darauf vor, dass das Burgfräulein in ihre Hände fiel. Aber es gab einen unter ihnen, der weiterhin eine große Liebe für das Mädchen hegte. Zitternd vor Angst betrat er verkleidet das Schloss, um sie zu warnen und ihr zur Flucht zu verhelfen. Plötzlich zerbrach etwas in dem Mädchen. Sie zeigte dem Ritter den Geheimgang, sagte ihm auch, wo er sich im Wald befand, und bat ihn, dort auf sie zu warten, wenn sie aus der Burg floh. Das Zeichen, wann dies geschehen würde, wäre das Herz, das sie in die Wand unter dem Fenster ihrer Kammer ritzen würde.
Die Liebe siegt
Und so geschah es. Als das Mädchen sah, dass die Burg dem Ansturm nicht standhalten konnte, gab sie dem Ritter das vereinbarte Zeichen und floh in den Wald. Dort wartete der treue Ritter auf sie und brachte sie in Sicherheit. Bald darauf endeten die Kämpfe und es wurde Frieden geschlossen. Die Burgherrin kehrte mit ihrem Bräutigam schnell nach Hause zurück. Sie feierten eine rauschende Hochzeit und lebten danach noch viele Jahre glücklich verheiratet. In Erinnerung an die Ereignisse ließ die Burgherrin das Herz an der Burgmauer fortan Jahr für Jahr erneuern.
Zusammengetragen von Irene Kunc
Dieser beitrag erschien zuerst in der landesecho-ausgabe 7/2025
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