Als in früherer Zeit bei uns noch viel Flachs angebaut wurde, da versammelten sich die Mädchen an langen Winterabenden bald in dieser, bald in jener Bauernstube und spannen fleißig. Beim Eintreten in die Spinnstube galt es als Scherz, den Mädchen die dem Flachse entfallenen Stengelsplitterreste – „Oene“ genannt – von der Schürze abzuschütteln.
Einmal saßen auch wieder zwölf Mädchen hinter´m Rocken, emsig spinnend. Auch Oeneabschüttler hatten sich eingefunden, jedoch nur elf, so dass ein Mädchen allein dasitzen musste. Niemand kümmerte sich um sie und verärgert verließ sie nach dem Spinnen die Stube. Auf dem Heimweg sprach sie zu sich: „Wenn ich doch auch einen Oeneabschüttler hätte! Jeder wäre mir recht, selbst der Teufel.“ Am nächsten Abend, als die Mädchen wieder beim Spinnen saßen, trat ein vornehmer Herr in die Stube und gesellte sich zu der Spinnerin, die tags zuvor keinen Oeneabschüttler gehabt hatte, und scherzte und schäkerte mit ihr. Zufällig fiel der Nachbarin die Spindel aus der Hand. Als sie sich nach ihr bückte, gewahrte sie, dass der fremde Herr Pferdefüße habe. Verstohlen teilte sie sogleich den anderen Spinnerinnen mit, dass der Teufel unter ihnen weile. Daraufhin nahm eine nach der anderen den Rocken und verließ die Spinnstube. Der vornehme Herr, der wirklich der Böse war, forderte das Mädchen auf, ihre Kleider zusammenzunehmen und ihm zu folgen. Wie unter einem Zwange gehorchte sie. Da sie aber sehr fromm war, unterließ sie nicht, den Rosenkranz mitzunehmen. Der Teufel führte sie auf den Friedhof, auf dem sich gerade ein offenes Grab befand. Nun suchte er sie zu überreden, das Bündel und den Rosenkranz in die Grube zu werfen. Das Mädchen aber warf nur das Bündel mit den Kleidern hinein, den Rosenkranz behielt sie bei sich. Mittlerweile schlug es auf dem nahen Kirchturme ein Uhr. Da war die Macht des Bösen gebrochen. Unter Heulen und Zischen verwandelte er sich in einen Haufen Pech. Das Mädchen stand vor Schreck wie versteinert da. Als sie wieder zu sich kam, dankte sie Gott, dass er sie vor Unheil bewahrt hatte.
Der Teufel und die Magd
Februar ist auch die Faschingszeit, eine recht lustige Zeit mit Masken, Musik, Tanz und Scherz. Aber es war in der früheren Zeit nicht alles so, wie es schien. Eine sehr tanzlustige Magd war zur Musik gegangen, hatte aber die ganze Zeit sitzen müssen: Nicht ein einziges Mal war sie zum Tanze aufgefordert worden. Zu Hause angelangt weinte sie darüber, ging aber am nächsten Tag wieder in das Gasthaus, um nochmals ihr Glück zu versuchen. Lange war sie dagesessen, als ein fremder Jäger hereintrat und sie zum Tanze aufforderte. Bereitwillig folgte sie und das Paar drehte sich lustig im Kreise. Von nun an musste sie fortwährend mit dem unermüdlichen Jäger tanzen. Seit dieser Zeit war er allabendlich bis Mitternacht ihr Gesellschafter. Bald aber bekam sie Ursache, ihr Treiben zu bereuen: Sie hatte den Jäger – es war der Teufel – erkannt. Niemand wusste ihr anzugeben, wie sie ihn loswerden könnte. Nur ein altes Mütterlein riet ihr, einen sehr langen Faden zu spinnen, diesen in einen Knäuel zu winden und dem Teufel, wenn er wiederkäme, um den Fuß zu schlingen. Während die Magd den Faden spann, grub man auf Veranlassung der Alten in der Kirche unter dem Sohlbaum* ein großes Loch, durch welches die Magd, die den Rest des Knäuels in der Hand halten musste, durchgezogen werden sollte, wodurch der Böse seine Gewalt über sie verlieren müsste.
Abends kam der Teufel nach seiner Gewohnheit wieder. Die Magd schlang ihm, ohne dass er es bemerkte, den Faden um den Fuß. Als er von ihr weggegangen war, eilte sie, den Knäuel mit sich nehmend, der Kirche zu. Und es war die höchste Zeit, dass sie dort anlangte: Denn der Teufel war schon so weit gegangen, dass nur noch ein kleiner Teil des Fadens in ihrer Hand blieb. Schnell zog man darum die Magd unter dem Sohlbaume durch. Kaum hatte man sie zur Hälfte durchgebracht, als der Teufel mit großer Hast und wildem Geschrei herbeirannte. Seine Macht aber war gebrochen und er musste leer abziehen.
Quelle: Volkssagen aus dem Kuhländchen
* Sahlbaum oder Sohlbaum hieß in der Odrauer Gegend bei hölzernen Kirchen der unterste Balken, der zugleich die Türschwelle bildet.