Wir stehen kurz vor Weihnachten sowie an der Schwelle zum neuen Jahr. Auch zu dieser ruhigen und besinnlichen Zeit des Jahres erzählte man sich im Schönhengster Land (Hřebečsko) viele Sagen.
Das weissagende Jesuskind
Aus Rehsdorf (Radišov)
Über dem Tor der Erbrichterei bemerkt man in einer Nische die Statue der Gottesmutter mit dem göttlichen Kind. Um sie wob der kindlich fromme Sinn der dortigen Bewohner eine Sage, in der sich der Glaube ausspricht, dass der Heiland mit seiner Gnade stets gern unter der gläubigen Menschheit weile und alles Ungemach von ihr abwende.
Das Jesuskindlein, dem die frommen Christen immer ihre größte Ehrfurcht erweisen, in dem sie es mit bunten Blumen schmücken, ihm oft ein Lichterlein anzünden, soll eines Tages in heftiges Weinen ausgebrochen sein, als man ihm wieder den Blumenschmuck anlegen wollte, und es weinte jedes Mal, wenn fromme Frauen kamen, ihm ihre Ehrfurcht zu bezeugen. Aus heiliger Scheu wagte es niemand mehr, sich dem geheiligten Ort zu nähern, endlich aber hatte der Erbrichter, ein frommer, rechtschaffener Mann, doch das Herz, das Kindlein nach der Ursache seines herben Schmerzes zu befragen.
„Wie sollte ich denn nicht weinen“, antwortete das göttliche Kind, „wenn in kurzer Zeit dein Haus abrennen wird!“ Darob erschrak der biedre Mann über alle Maßen, wusste er sich doch nicht zu deuten, wodurch er gesündigt, dass so schweres Ungemach über ihn hereinbrechen sollte. Wie einst Abraham für Sodoma, wagte auch er es, an das Jesuskind die Bitte zu stellen, die ihm zugedachte Strafe in eine mildre zu verwandeln: „Du könntest in deiner Gnade und Barmherzigkeit vielleicht den Erlenwald, der sich nicht weit von meinen Feldern hinzieht, abrennen lassen. O erhöre mein Flehen und strafe nicht die Gerechten mit den Ungerechten!“ Das Jesuskind erwiderte hierauf nichts und weinte nur noch heftiger.
Um es zu versöhnen, legte ihm der besorgte Mann am folgenden Tag ein kostbares Kleidchen an. Da schluchzte es noch heftiger und klagte: „Nun musste ich fort aus diesem Haus, das der Strafe, dem Zorn Gottes verfallen ist“. Und am nächsten Tag war die Statue wirklich verschwunden. Bald darauf brachen Krankheiten aller Art unter den Kühen und Pferden aus und ihre Haare verfilzten sich. Schon war der Erbrichter beruhigt, meinend, dass seine Sünde durch die über ihn verhängten Strafen gesühnt seien und zitterte nicht mehr um sein Heil. Jedoch an einem Abend – der Hausvater hatte eben das Gesinde zum frommen Gebet versammelt – flammte es auf. Feuerglut übergoss den Himmel. Die von Schreck sprachlos gewordene Gruppe glaubte, das Gebäude stünde in Flammen und jagte in wilder Hast zur Tür hinaus. Es brannte aber nicht das Haus, sondern der Erlenwald. Alle priesen Gottes Güte und Barmherzigkeit, die den Menschen vor Ungemach bewahrt, wenn er Reue über seine Sünden empfindet. Und siehe! Am nächsten Tag stand das Jesuskind wieder in der Nische, schien versöhnt zu lächeln und weinte nie wieder.
Stallweihnacht
Sobald am Heiligen Abend die Uhr zwölf schlägt, können alle Haustiere reden. Gewöhnlich besprechen sie dann alle Vorfälle, die sich im Haus ereignen werden. Ein neugieriger Knecht dachte sich: „Ich muss doch hören, was sich meine Pferde erzählen“, ging hin und verbarg sich unter der Krippe. Kaum war es 12 Uhr, begann das Handpferd zum Sattelpferd: „Ich weiß eine sehr traurige Nachricht: Unser guter Herr wird sterben und unser grober Knecht wird Herr werden, da werden wir´s sehr schlecht haben!“ Den Knecht plagte plötzlich Hustenreiz und er konnte das Husten nicht mehr zurückhalten. Wie die Pferde dies hörten, feuerten sie, und der Knecht musste sehn, dass er sich in Sicherheit brachte. Übers Jahr traf alles genauso ein. Zum Dank für die gute Nachricht am Heiligen Abend fütterte er sie mit denselben Speisen, wie sie die Hausleute bei Tisch aßen, sie bekamen Rübensuppe und Schwommafilsl und über dies noch einige Garben Hafer, die eben für diesen Zweck geschnitten wurden.
Christnachtspuk – Sage aus Tschuschitz (Sučice) bei Mährisch Trübau
In einer sternklaren Christnacht gingen zwei Tschuschitzer Mädchen aus den letzten Häusern des Orts nach Trübau zur Mitternachtsmette. Sie waren noch nicht weit gekommen, als drüben im Eichwald ein großes Lärmen anhob, grad wie lautes Gerassel eines daherfahrenden Wagens. Die Mädchen wunderten sich, dass zu so später Stunde in der Heiligen Nacht noch jemand im Eichwald herumfuhrwerkte. Das Lärmen wurde zunehmend lauter, und deutlich vernahmen sie das Räderrollen, Peitschenknallen und des Fuhrmanns Rufe: „Wioo! Hoho!“
Ein Sturm brauste plötzlich im Eichwald auf und legte sich gleich wieder. Tiefe Stille rundum. Nur ihre Herzen hörten die Mädchen noch klopfen. Nach dem Spuk packte sie jetzt das Grausen und beide liefen nach Haus, denn sie ahnten, dass es Grünhütl war.