Erntedank-Feldmesse des Bundes der Landwirte 1937 in Böhmisch Leipa. Im Vordergrund Raimund Graf. Daneben sitzt Minister Franz Spina und daneben der Vorsitzende der Landjugend Gustav Hacker, Foto: Verlagsbuchhandlung Sabat

Drei im Sabat-Verlag erschienene Bücher würdigen die aktivistische Politik der deutschen Bauernpartei in der Tschechoslowakei.

Die Ausgabe der Geschichte des Bundes der Landwirte, der politischen Partei des deutschen Landvolkes in der Tschechoslowakei, zeigt wieder einmal, wie wichtig die Existenz der kleinen Verlage für die politische Kultur der Bundesrepublik ist. Denn ohne die Kulmbacher Verlagsbuchhandlung Bernd Sabats wäre dieses wichtige Buch wohl weiter als ein Manuskript in der Schublade liegen geblieben. Dort lagerte es schon gut fünfzig Jahre seit seiner Fertigstellung durch den ehemaligen Generalsekretär des Bundes der Landwirte Raimund Graf. Ohne den Verleger Bernd Sabat blieben freilich auch andere wichtige Titel zu deutsch-tschechischen Themen für interessierte Leser unbekannt. Dazu zählen vor allem die Streitschrift des tschechischen Philosophen Emanuel Rádl, Der Krieg der Tschechen mit den Deutschen, die Sozialreportagen aus den Sudeten der 1920er Jahre von Wenzel Jaksch „Verlorene Dörfer, verlassene Menschen“ und die Rückblicke und Erinnerungen des 1848er Bauernbefreiers Hans Kudlich.

Wenn auch, wie Bernd Sabat sagt, im deutschen Sprachraum heute kaum noch Nachfrage nach Werken zur böhmischen Geschichte besteht, liegt es ihm trotzdem daran, anderen Sichtweisen und den Mahnern von damals eine Stimme zu geben. Deswegen machte er Bohemica zu einem der Schwerpunkte seines 2011 gegründeten Verlages.

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Der 1977 geborene Verleger weiß wovon er spricht. Denn in seiner Familiengeschichte wiederspiegelt sich nahezu beispielhaft die Geschichte des böhmischen Raumes in den letzten zweihundert Jahren. Seine Vorfahren mütterlicherseits waren Deutsche aus Komotau (Chomutov), väterlicherseits Tschechen aus Mittelböhmen. Auf der Such nach Arbeit wanderten sie nach Sachsen aus, den Kontakt zu Böhmen hielten sie aber aufrecht. Sein Großvater aus dieser Linie war Antifaschist und was er im Konzentrationslager Flossenbürg erlebt und gesehen hatte, blieb sein ganzes Leben in seinen Alpträumen präsent. Bernd Sabat selbst ist in der zweisprachigen Lausitz in der DDR großgeworden.

Politik der Verständigung

Auch aus dem Kontext dieser Familiengeschichte wird deutlich, warum für den Verleger die Ausgabe der „Geschichte des Bundes der Landwirte“ wichtig war. Denn der Bund vertrat die Politik der Verständigung und Zusammenarbeit mit der neuen Republik und stellte einen wichtigen Repräsentanten des sudetendeutschen Aktivismus dar. Gegründet wurde der Bund in Böhmisch Leipa (Česká Lípa) im Herbst 1918. Entstanden ist er aus der Sorge, dass die deutschen Bauern in dem neuen Staat ohne politische Vertretung blieben, die sich für ihre Interessen einsetzen würde. Bald erkannte man aber auch, dass Negativismus und Obstruktion für die Landwirte der falsche Weg wäre und dass nur die Politik des Anerkennens des neuen Staates und die Bemühungen um gute Zusammenarbeit nicht zuletzt auch mit der tschechischen Agrarpartei für die deutschen Bauern Früchte bringen könnte.

Ihren politischen Höhepunkt erreichte der Bund im Jahre 1926 als er mit Abgeordneten sowohl im Parlament als auch im Senat vertreten war und einer der geistigen Väter des Aktivismus und Mitglied des Bundes, Professor Franz Spina, Regierungsmitglied wurde.

Mit dem Aufstieg der nationalsozialistischen Bewegung Adolf Hitlers in Deutschland begannen aber auch für den demokratisch orientierten Bund die Schwierigkeiten. Vor allem die junge Generation im Bund, die Landjugend, mit ihrem Vorsitzenden Gustav Hacker begann in den dreißiger Jahren nach Deutschland zu schielen und sich für das völkische Gedankengut zu begeistern. Umsonst warnte Raimund Graf seine Volksgenossen davor, in der Anlehnung an die nationalsozialistische Diktatur eine Lösung für die Sudetendeutschen zu sehen und warnte vor den Folgen. Letztlich kam es im Frühjahr 1938 zur Spaltung der Partei: unter der Führung von Gustav Hacker und Wolfgang Zierhut fusionierte sie offiziell mit der Sudetendeutschen Partei Henleins, ein Teil der Mitglieder und Funktionäre versuchte aber bis zu der Selbstauflösung Ende September 1938 der Demokratie und der Tschechoslowakei die Treue zu halten. Noch in den Kommunalwahlen im Mai 1938 standen in einigen Orten z.B. in Neustadt an der Tafelfichte (Nové Město pod Smrkem) Mitglieder des alten BdL auf den Listen der Kandidaten.

Wie vielen seiner antifaschistischen Volksgenossen blieb nach der Besetzung der Grenzgebiete nach dem Münchener Abkommen auch dem Generalsekretär und Spiritus agens des Bundes, Raimund Graf, nichts anderes als die Flucht in den Rest der Republik übrig.

Wie es dann mit ihm und seiner Familie weiterging, darüber berichten die Erinnerungen an Raimund Graf, die seine Tochter Helga Wilms-Graf geschrieben hatte und die unter dem Titel Raimund Graf – ein deutsch-böhmischer Demokrat zwischen den politischen Fronten ebenfalls im Sabat Verlag 2016 erschienen sind. Bewusst und engagiert begleitete Helga Wilms seit ihrer Kindheit den Weg ihres Vaters bis zu seinem Tod im Jahr 1968. Und sie selbst machte während des Krieges, sie musste mit dem Rest der Familie in Leipa bleiben, die Erfahrung einer Ausgestoßenen.

Verleger Bernd Sabat webRaimund Graf hielten die Tschechen im Prag des Protektorats zwar für einen der ihren. Nach seiner Rückkehr nach Leipa am Ende des Krieges wurde auch seine Familie Opfer der wilden Vertreibung durch die tschechischen Milizen, der der schwere Anfang zuerst in der sowjetischen Besatzungszone, dann in Bayern folgte. Raimund Graf sah auch in dieser Situation seine Aufgabe in der Hilfe für die vertriebenen Bauern. Er musste freilich auch erleben, dass das spätere NSDAP-Mitglied, Gustav Hacker, der die Fusion des Bundes mit der Henleinpartei gegen die Entscheidung des Vorstandes hinterhältig vorangetrieben hatte, in Hessen Landwirtschaftsminister wurde.

Ein drittes Buch schließt ab, was wir insgesamt als eine späte Würdigung Raimund Grafs betrachten können: Eine Auswahl seiner Artikel aus den fünfziger und sechziger Jahren, die in der heute vergessenen Zeitschrift Landbote unter dem Titel Streiflichter deutscher Schicksalsjahre erschienen sind. Weder in ihren Erinnerungen noch in der Geschichte des BdL vergaß Helga Wilms-Graf die Mitarbeiter und Mitstreiter ihres Vaters und ergänzte das Buch mit ausführlichen Registern, kurzen Biographien und vielen Fotografien. Diesen drei Bänden des Rückblickes auf einen Teil der Geschichte der Sudetendeutschen kann man nur viele Leser wünschen.


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