Visualisierung des neu entdeckten Rondells in Königgrätz (Hradec Králové), Tschechien – Das prähistorische Bauwerk mit einem Durchmesser von rund 90 Metern ist der 13. Fund dieser Art in der Region Oberböhmen.
Visualisierung des neu entdeckten Rondells in Königgrätz (Hradec Králové), Tschechien – Das prähistorische Bauwerk mit einem Durchmesser von rund 90 Metern ist der 13. Fund dieser Art in der Region Oberböhmen. Credit: Wikimedia Commons/Wolfgang Sauber CC-BY-SA 3.0

Archäologen haben in Königgrätz (Hradec Králové) ein vollständig erhaltenes prähistorisches Bauwerk freigelegt. Doch ein neues Straßenbauprojekt könnte die Grabungsstätte gefährden.

Im Stadtteil Kuklen (Kukleny) konnte ein zweites Rundbauwerk – auch Rondell genannt – aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. nachgewiesen werden. Bereits 2015 waren Luftvermessungen auf das bekannte Kuklen-Rondell mit einem Durchmesser von 145 Metern gestoßen. Nun wurde nur etwa 200 Meter entfernt ein weiteres, nahezu intaktes Rondell mit einem Durchmesser von 90 Metern entdeckt. Miroslav Novák, Leiter der archäologischen Abteilung des Ostböhmischen Museums in Königgrätz, betont gegenüber CT24: „Eine solche Konzentration ist in Böhmen außergewöhnlich.“

Rondelle: Mehr als nur Steinkreise

Rondelle sind kreisförmige Bauten aus der Jungsteinzeit, die etwa um 5000 v. Chr. entstanden. Sie bestehen aus ein bis drei Gräben, umgeben von senkrecht stehenden Holzpfählen, und erreichen Durchmesser von mehreren Dutzend Metern. Typischerweise besitzen sie vier Eingänge, die nach astronomischen Gesichtspunkten ausgerichtet wurden. Viele dieser Strukturen dienten als prähistorische Observatorien oder Kalender, mit deren Hilfe sich die Bewegung von Sonne und Himmelskörpern beobachten ließ. Die Menschen nutzten sie nicht nur zur Zeitmessung und landwirtschaftlichen Planung, sondern auch für Feste, Rituale und Versammlungen. Somit verbanden sie praktische, soziale und religiöse Funktionen. „Wenn ich die Bedeutung des Rondells auf die heutige Zeit übertragen würde, könnte es ein Dorfplatz mit Kirche, Kneipe, Spielplatz und Rathaus sein – vielleicht sogar mit einer Schule“, erklärte Novák gegenüber der Nachrichtenagentur ČTK.

Älter als die Pyramiden und Stonehenge

Experten schätzen, dass Rondelle auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen Republik über einen Zeitraum von drei bis vier Jahrhunderten errichtet wurden. Damit existierten sie lange vor Stonehenge oder den ersten ägyptischen Pyramiden. Das Phänomen ist typisch für Mitteleuropa und vor allem im Donauraum verbreitet. Von dort aus verbreiteten sich die Anlagen nach Mähren, Böhmen, in die Slowakei, nach Österreich und Deutschland, insbesondere nach Bayern und ins Rheinland. In der Region Königgrätz sind bislang rund 25 Überreste dieser prähistorischen Strukturen bekannt, davon dreizehn am rechten Elbufer zwischen Königgrätz und Jermer (Jaroměř). Zum Vergleich: In ganz Europa konnten bisher etwa 150 solcher Anlagen nachgewiesen werden.

Rondell durch Bauarbeiten gefährdet

Die neue Fundstelle soll künftig im Stadtplan berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist das Areal jedoch durch das geplante Entwicklungsprojekt des Einkaufszentrums Nová Zelená gefährdet. Im Stadtteil Kuklen ist der Bau einer neuen Straße vorgesehen – der sogenannten Neugrün-Radialstraße (Nová Zelená Radiála), die den Verkehr aus dem Stadtzentrum umleiten soll. Sollte die geplante Trasse die archäologische Stätte berühren, wären umfangreiche Rettungsgrabungen erforderlich. Archäologen empfehlen daher, das Gelände vorsorglich mit einer Schutzschicht aus Erde zu bedecken. Auch Novák hebt gegenüber den Medien nochmals die Besonderheit der Stätte hervor: „Es ist kaum zu glauben, dass wir in einer Stadt mit hunderttausend Einwohnern nahezu intakte Rondelle gefunden haben. Solche Rundsteine kennen wir sonst eher aus der freien Natur, in bebauten Gebieten fehlen sie meist oder wurden zerstört.“



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