Die Gelder, die Tschechien von der Europäischen Union bekommt, werden ineffektiv eingesetzt. Zu dem Schluss kommt ein aktueller Bericht des Obersten Rechnungshofs in Tschechien.
Seit 20 Jahren ist Tschechien bereits Mitglied der Europäischen Union. Seitdem hat die Tschechische Republik EU-Gelder im Umfang von einer Billion Kronen (rund 40 Milliarden Euro) erhalten. Mit dem Geld soll der Lebensstandard der Menschen in der Tschechischen Republik dem europäischen Durchschnitt angepasst werden. Laut eines aktuellen Berichts des Obersten Rechnungshofs (NKÚ) hat sich durch die Gelder der EU der Lebensstandard der Menschen in der Tschechischen Republik – seit 2004, gemessen am EU-Durchschnitt – um rund 20 Prozent gesteigert. Dennoch – so stellt es die unabhängige Kontrollbehörde dar – bleibe das Land hinter seinem Potential: „Das Subventionssystem, das uns wesentlich dabei helfen sollte, den gewünschten Lebensstandard im Westen zu erreichen, ist irgendwann ins Stocken geraten und hat nicht mehr die erwarteten Ergebnisse gebracht.“, kommentiert Miloslav Kala, Präsident des NKÚ, die Schieflage die der Bericht des Obersten Rechnungshofs im internationalen Vergleich sichtbar macht.
Vergleich mit Polen und Litauen
Der Oberste Rechnungshof misst den Fortschritt Tschechiens in seinem Bericht mit dem Tempo, das andere europäische Mitgliedsstaaten bei der Verbesserung ihres Lebensstandards in der Vergangenheit an den Tag legten: Während Polen und Litauen zwischen 2003 und 2022 einen Anstieg des Lebensstandards – gemessen in Kaufkraftparität zum EU-Durchschnitt – um 33 beziehungsweise 38 Prozent verzeichnen konnten, bleibt Tschechien in dem Zeitraum mit einer Steigerung der Kaufkraftparität um lediglich 19 Prozent, zurück. „Ohne eine strategische Entscheidung darüber, wohin wir gehen wollen, ohne die Festlegung konkreter Ziele und ohne eine gründliche Überprüfung ihrer Umsetzung werden wir nicht vorankommen“, so Kala weiter, der bei einem seiner jüngsten Auftritte im öffentlich-rechtlichen Fernsehen die Politik zum Handeln aufforderte.
Subventionen sinnvoller verwenden
Der Bericht des Obersten Rechnungshofs lässt darauf schließen, dass EU-Gelder teilweise ineffektiv eingesetzt werden: Laut NKÚ finanziert der Tschechische Staat mit den Subventionen der EU beispielsweise Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit – obwohl die Tschechische Republik eine der niedrigsten Arbeitslosenquote in ganz Europa hat. Zudem werden laut NKÚ-Bericht Unternehmen mit EU-Geldern subventioniert, die nach Ansicht des Obersten Rechnungshofs keine Förderung benötigen – vornehmlich Unternehmen aus dem landwirtschaftlichen Bereich: „Obwohl die Unterstützung vorrangig an Kleinst-, Klein- und Mittelunternehmen gehen sollte, kündigte das Landwirtschaftsministerium ein Programm zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit großer Verarbeitungsunternehmen an. Zwischen 2018 und 2021 wurden diesen Unternehmen mit Jahresgewinnen im zweistelligen bis dreistelligen Millionenbereich insgesamt 1,7 Milliarden CZK ausgezahlt“, gibt der Oberste Rechnungshof in der gemeinsam mit dem Bericht erschienenen Pressemitteilung ein Beispiel über Verbesserungspotential bei der Auszahlung der Subventionen.
EU-Gelder ermöglichten bereits viele Projekte
Gelder der Europäischen Union spielen in der Tschechischen Republik eine wichtige Rolle: Ein Großteil der Gelder nutzt Tschechien für die Modernisierung seiner Infrastruktur. Mit Geldern der EU wurden beispielsweise die Modernisierung der Autobahn D1, der Umbau der Kathedrale in Pilsen, eine Modernisierung des Abwassersystems in Brünn, sowie der Tausch tausender Kohleheizungen in tschechischen Haushalten realisiert. Auch der Geschichtspark in Barnau-Tachov, ein Forschungszentrum zum Feld der Nanotechnologie in Brünn, sowie ein Forschungslaserzentrum bei Prag wurden mit EU-Geldern bezahlt.
Ziel der europäischen Subventionen ist die Entwicklung benachteiligter Regionen innerhalb der Europäischen Union. Der Lebensstandard der Menschen in der Europäischen Union wird an der Kaufkraftparität gemessen – anhand der Dinge die sich Menschen, unter Berücksichtigung nationaler Unterschiede wie Lebenshaltungskosten und Inflation, leisten können. Durch die Entwicklung der letzten Jahre ist Tschechien an 94 Prozent des durchschnittlichen Lebensstandards in der Europäischen Union herangerückt. Menschen in anderen Ländern der EU können sich also durchschnittlich immer noch mehr leisten, als Menschen die in Tschechien leben.